2010-12-17
Kopenhagener Gericht verurteilt Polizei für präemptiv-Verhaftungen während der COP15 zu Schadensersatz. Die Polizeiführung forderte Beamte zum Einknüppeln auf Journalisten auf.
Aus Stockholm Reinhard Wolff
Die dänische Polizei musste Donnerstag eine schwere Niederlage einstecken. Das Amtsgericht Kopenhagen erklärte die “vorbeugende” Massenverhaftungen während des Klimagipfels im Dezember 2009 für ungesetzlich. Damals waren im Rahmen von verschiedenen solchen Festnahmeaktionen mehr als 2.000 Menschen aufgrund der umstrittenen “Lümmel”-Sondergesetzgebung zeitweise ihrer Freiheit mit der Begründung beraubt worden, um mögliche Ausschreitungen oder Blockaden zu verhindern.
Das Gericht sieht in diesem Vorgehen einen Menschenrechtsverstoß: Die Festgenommenen hätten lediglich von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht, ihnen wurden keine strafbaren Handlungen vorgeworfen. In einer Massenklage hatten 250 der damals Festgenommenen Schadensersatz gefordert. Der wird nun denen, die stundenlang auf kaltem Asphalt sitzen mussten, in Höhe von umgerechnet 1.200 Euro gewährt, alle anderen, die gleich zu einer Sammelstelle gebracht wurden, erhalten knapp 700 Euro.
Der Vertreter der Polizei legte unmittelbar nach dem Urteil Berufung ein. Das Justizministerium kündigte an, man werde die “Lümmelgesetze” überprüfen: Möglicherweise sei man beim Bemühen der Polizei “einen gesetzlichen Einsatzrahmen” zu geben, “zu scharf” gewesen.
Klima-Krimi Kopenhagen: “Bis der Schlagstock rot glüht”
Das Vorgehen der Polizei während des Klimagipfels kam am Donnerstag auch noch zusätzlich in die Kritik. In der am gleichen Tag uraufgeführten TV-Dokumentation “Ein Klima-Krimi!” sind erstmals Tonaufnahmen des Polizeieinsatzleiters während der “Reclaim-Power”-Demonstration am 16. Dezember vor dem Konferenzzentrum zu hören. Die Aufforderung an die Beamten: Nicht nur auf die Demonstranten, sondern auch die Journalisten, die sich dort aufhielten, sollte eingeknüppelt werden, “bis der Schlagstock rot glüht”.
Während der Kopenhagener Polizeichef Johan Reiman sowohl den Sprachgebrauch wie den Inhalt dieser Aufforderung – als Beamter könne man in einem solchen Einsatz nicht unterscheiden, wer Demonstrant und wer Journalist sei – auch nachträglich verteidigt, spricht Amnesty in einer Stellungnahme von “schwerem Machtmissbrauch”: “So wie das hier gesagt wird, ist es ganz einfach eine Aufforderung zum Prügeln”, meint Amnesty-Jurist Claus Juul.“Ich bin entrüstet und schockiert”, sagt Mogens Blicher Bjerregård, Vorsitzender des dänischen Journalistenverbands. Liberale, Linkssozialisten und die linke Einheitsliste verurteilten diese Aufforderung der Polizeiführung und kündigten parlamentarische Anfragen an. “Hier überschreitet die Polizei die Grenzen”, erklärte die rechtspolitische Sprecherin der Linkssozialisten, Karina Lorentzen.
Der halbstündige Dokumentarfilm “En klima krimi!” ist vom öffentlich-rechtlichen dänischen Fernsehen produziert und begleitet die Arbeit von Tannie Nyboe und Stine Gry Johansen, zwei Sprecherinnen des Netzwerks “Climate Justice Action” vor, während und nach dem Gipfel. Beide waren Ende November wegen Aufforderung zu Gewaltaten zu einer viermonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.