2010-12-05 

Opfer des Wasserwerfers

Katrin Bischoff

Es war ein furchtbares Foto: Ein Mann gestützt von zwei Helfern, das Gesicht blutverschmiert. Der Strahl eines Wasserwerfers hatte ihm das rechte Auge aus der Augenhöhle gefetzt. Das Bild schockierte Anfang Oktober ganz Deutschland. Der 66-Jährige gehörte bei den Protesten zu Stuttgart 21 zu den “Parkschützern”, er hatte mit Schülern friedlich demonstriert, als ihn der harte Wasserstrahl am Kopf traf.

Es gibt noch ein Foto. Genauso schrecklich anzusehen. Es zeigt Steffen Berger mit schmerzverzerrtem Gesicht. Blut rinnt ihm aus der linken Augenhöhle. Auch er hatte nach eigenen Aussagen und nach denen von Zeugen friedlich protestiert – beim G8-Gipfel in Heiligendamm in Mecklenburg-Vorpommern. Auch ihn traf der harte und gezielte Strahl eines Wasserwerfers. Seitdem ist der 39-jährige Mann aus Potsdam auf dem linken Auge so gut wie blind. Wenn er Glück hat, spricht ihm das Landgericht Rostock heute zumindest ein Schmerzensgeld für den Verlust seines Augenlichts zu.

Ein Strafprozess gegen die Polizisten, die für den Einsatz des Wasserwerfers verantwortlich waren, fand nie statt. Die Staatsanwaltschaft sah in Bergers zerstörtem Auge lediglich einen “bedauerlichen Unfall”, sie stellte die Ermittlungen gegen die Beamten ein. Anfang November scheiterte Bergers Versuch, sich vor dem Rostocker Landgericht mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern auf Schmerzensgeld und Schadensersatz in Höhe von mindestens 30000 Euro gütlich zu einigen.

Heute nun will das Landgericht in dem Zivilverfahren eine Entscheidung sprechen. Unklar ist noch, ob Mecklenburg-Vorpommern überhaupt der richtige Beklagte ist. Denn es waren Polizisten aus Nordrhein-Westfalen, die im Wasserwerfer saßen und mit den Worten “Wir löschen jetzt” den Befehl zum Einsatz gegeben haben sollen. Zudem, ließen die Richter verlauten, solle Berger beweisen, dass die Verletzungen wirklich von einem Wasserwerfer herrühren.

Steffen Berger findet die Zweifel an der Herkunft seiner Verletzung unglaublich. Zumal es zahlreiche Zeugen gibt, die nach Angaben seines Anwalts Steffen Sauer den Vorfall beobachtet haben. “Mecklenburg-Vorpommern hat sich stets damit gebrüstet, wie toll es den G8-Gipfel ausgerichtet hat. Nur für die Verletzung meines Mandanten, der friedlich protestiert hat, will es nicht zuständig sein”, sagt er. Zudem hätten es die Beamten noch immer nicht geschafft, die vorhandenen Videoaufnahmen für den damaligen Einsatz vorzulegen.

Nach mehreren Operationen hat Steffen Berger nur noch eine Sehkraft von drei Prozent auf dem linken Auge. Er kann nicht mehr in seinem Beruf als Rettungssanitäter arbeiten. Der Vater zweier schulpflichtiger Kinder lebt von Hartz IV, einmal in der Woche ist er ehrenamtlich in einem Buchladen tätig. “Trotzdem ist er ein offener und optimistischer Mensch geblieben”, sagt Anwalt Sauer. Das Erlebte halte seinen Mandanten nicht davon ab, auch weiterhin seine Meinung zu sagen.