2007-02-21 

Move against G8

Ein Interview zum Kulturprogramm während der Aktionstage in Heiligendamm Die Planungen für die Gegenaktivitäten zum G8-Gipfel laufen auf Hochtouren: Großdemonstrationen, Blockaden und ein Gegengipfel sind in Planung, bundesweit tauchen vermehrt Mobilisierungsplakate auf. Neben diesen traditionellen Protestformen ist auch ein kulturelles Gegenprogramm in Planung. Nachdem vor zwei Jahren in Gleneagels noch LIVE 8 das Bild bestimmte, soll es dieses Jahr ein wirkliches Alternativprogramm geben.

Über den aktuellen Stand der Vorbereitungen und die laufenden Veranstaltung berichtet Henning aus der Kultur-AG für ak.

ak: Wie entstand die Idee, eine eigene Kulturkampagne zum G8 zu starten?

Henning: Auf der ersten Aktionskonferenz in Rostock im März 2006 gab es einen Workshop zu diesem Thema. Die Erinnerung an das LIVE-8-Spektakel war noch frisch. Ebenso wie der Ärger über die Äußerungen von Bob Geldorf und Bono Vox, welche die G8-Staaten "wohlerzogen" (Blair) hofiert haben. Die Anbiederung an Bush, Blair und Co. und die mediale Vereinnahmung der Proteste, wurde in NGOs und Bewegungen scharf kritisiert. Mit Blick auf Heiligendamm haben wir somit beschlossen, eigenständig aktiv zu werden. Wir wollten dabei bewusst den schmalen Grad zwischen politischem und popkulturellem Event gehen. Nach einer trägen Anfangsphase hat sich jetzt ein Kern von AktivistInnen gebildet. Dabei sind Leute von attac, der Interventionistischen Linken, Antifagruppen und diverse kulturpolitisch engagierte LabelbetreiberInnen, BookerInnen und VeranstalterInnen. Um dem Projekt eine antagonistische Note zu geben, haben wir es "Move against G8" genannt.

Wie ist der aktuelle Stand der Planung? Stehen schon die ersten Programmpunkte fest?

Im Anschluss an die Großdemonstration am Samstag den 2. Juni soll es in Heiligendamm ein großes Konzert geben. Auch für den Sonntag ist ein Programm mit Musik und Beiträgen vorgesehen. Wir haben bereits Zusagen von verschiede nen Bands. Es wird ein Potpourri aus internationalen, lokalen, bekannten und subkulturellen KünstlerInnen geben. Die Balance dabei ist die Herausforderung für uns. Wir wollen die Camps auch musikalisch begleiten, die Planungen kranken aber an der fehlenden Finanzierungssicherheit.

Das klingt nach großen Plänen. Welche Vorstellungen habt ihr denn, euer Konzept auch finanziell auf sichere Beine zu stellen?

Alleine der Bühnenaufbau und die Bühne für die Konzerte am Samstag und Sonntag werden eine Menge Geld verschlingen. Daher sind im Vorfeld des Gipfels einige Veranstaltungen geplant, die nicht nur mobilisierenden Charakter haben sollen, sondern auch der Finanzierung der Gegenaktivitäten dienen werden. Es wird einen Sampler geben, auf dem KünstlerInnen wie Kettcar, Die Toten Hosen, Tocotronic, Silly Walks, Rainer von Vielen, Nosliw und Bernadette la Hengst neue Songs oder Remixe beitragen. Es gab schon in der Vergangenheit Konzerte, die unter dem Label "Move against G8" liefen. Das wollen wir fortsetzen. So wird es im April ein dreitägiges Festival (1) in der Maria in Berlin geben, bei dem zahlreiche internationale Bands aus dem Ska- und Punk-Spektrum auftreten werden. Im gesamten Bundesgebiet, von Kiel bis Nürnberg, sollen in den kommenden Monaten weitere Konzerte stattfinden. Auf unserer Homepage (2) stehen die einzelnen Konzerte bald aufgelistet. Des Weiteren sind ein fahrendes KünstlerInnenatelier und "wallpaintings" angedacht. Subversive KünstlerInnenkollektive wie das Schwabinggrad Ballett und Theatergruppen werden erwartet.

"Deine Stimme gegen Armut" (3) und Herbert Grönemeyer planen ein Konzert in der Nähe von Heiligendamm während des Gipfels. Inwieweit laufen dabei die Planungen gemeinsam? Welche Probleme tauchen bei der Zusammenarbeit auf?

Das Verhältnis zum "Music-and-Messages" Projekt ist freundlich, aber die Planungen laufen getrennt. Gut finden wir, dass dort auch auf Inhalte gesetzt wird. Von Grönemeyer ist meines Erachtens keine devote Pose gegenüber den G8 zu erwarten. Es bleibt abzuwarten, inwieweit das Konzert auch von den Medien instrumentalisiert wird, um Spaltungen nach dem Motto, hier die bösen BlockiererInnen, dort die guten KonzertbesucherInnen, aufzumachen. Uns ist wichtig, keine derartigen Medieninszenierungen zu erleichtern, die nach dem Motto "Abspalten und Marginalisieren" verlaufen.

Warum dann eine eigenständige Veranstaltung?

Zu aller erst repräsentiert "Deine Stimme gegen Armut" ein eigenständiges Spektrum der Mobilisierung. Das ist legitim, wir wollen jedoch mit unserem Projekt die Delegitimierung des G8-Treffens befördern. Die enge zeitliche und räumliche Anbindung an die Protestchoreografie ist uns wichtig. Wir wollen eine unangepasste und widerständige Kultur präsentieren, die sich als Teil der globalisierungskritischen Bewegung versteht. Alle Facetten von Musik und Kunst, von zornig bis euphorisch sollen dabei repräsentiert werden, außer der Demutskunst.

Anmerkungen:
1) Das "Move against G8"-Festival in Berlin, das vom 20. bis 22. April steigen wird, hat eine eigene Infoseite: www.move-against-g8.org
2) Infos zu der Kultur-AG mit dem aktuellen Kulturprogramm und Info-Texten finden sich unter: www.move-against-g8.de
3) Infos zu "Deine Stimme gegen Armut" gibt es unter: www.deine-stimme-gegen-armut.de

Schon jetzt existiert der erste Mobilisierungssampler, der der Finanzierung der Aktivitäten gegen den G8-Gipfel dienen soll. Für acht Euro kann die von Avanti - Projekt undogmatische Linke, Fire and Flames und Lucha Amada produzierte CD erworben werden, auf der sich Band wie Obrint Pas, Panteón Rococó , Anti-Flag und Irie Révoltés wiederfinden. Bestellung unter: www.fireandflames.com

[ak - zeitung für linke debatte und praxis / Nr. 514 / 16.2.2007]