2010-10-01 

Italien rechtfertigt Mord an Carlo Giuliani

Im Prozeß zum Tod des beim G-8-Gipfel in Genua erschossenen Demonstranten Carlo Giuliani hat die italienische Regierung vor dem Europäi­schen Gerichtshof für Menschenrechte das Vorgehen der Polizei gerechtfertigt. Rund 70 gewalttätige Demonstranten hätten sich »wie eine Meute Wölfe« auf einen Geländewagen der Polizei gestürzt, sagte der Rechtsvertreter Italiens, Nicola Lettieri, am Mittwoch vor dem Gericht in Strasbourg. Bei den Zusammenstößen zwischen Protestteilnehmern und Sicherheitskräften am Rande des G-8-Gipfels im Juli 2001 hatte ein junger Polizist auf den 23 Jahre alten Giuliani geschossen. Anschließend wurde der Demonstrant von einem Geländewagen der Polizei überfahren. Giuliani habe sich an einer »Guerilla« beteiligt, sagte der Vertreter der Berlusconi-Regierung. Die Polizisten hätten folglich »in legitimer Notwehr gehandelt«.

Pic: Genoa 2001

Angehörige des Getöteten warfen der Polizei dagegen vor, unverhältnismäßig hart gegen die Demonstranten vorgegangen zu sein. Die Polizisten seien nicht mit Gummigeschossen, sondern mit scharfer Munition ausgerüstet gewesen, sagte der Anwalt der Hinterbliebenen, Nicolo Paoletti. Der nur 20 Jahre alte Polizist, der den Schuß abgefeuert hatte, sei zudem völlig unerfahren gewesen. Er habe nur ein dreimonatiges Training erhalten, was für den Einsatz bei den Demonstrationen völlig unzureichend gewesen sei.

Der Anwalt warf den Behörden des damaligen und heutigen Regierungschefs Silvio Berlusconi außerdem vor, keine wirksamen Ermittlungen vorgenommen zu haben. Der Fall sei nie vor Gericht gebracht, sondern einfach zu den Akten gelegt worden. »Wir sollten uns schämen für das, was passiert ist«, sagte Paoletti vor der Großen Kammer des Gerichtshofs. Eine kleine Kammer des Gerichts in Strasbourg hatte die italienische Regierung im August 2009 bereits wegen Fehlern bei den Ermittlungen verurteilt. Dagegen hatten beide Parteien Rechtsmittel eingelegt und die Große Kammer angerufen. Deren Urteil, das dann definitiv ist, wird erst in einigen Monaten erwartet. (AFP/jW)