2005-06-20 

Ein kurzer Wegweiser durch das schottische Rechtssystem

NO COMMENTKEINE AUSSAGE!

1. Einführung
Alle, die an den Protesten gegen den G8-Gipfel in Gleneagles teilnehmen wollen, sind sich des Ausmaßes staatlicher Repression bei früheren Protesten bewusst. Leider gibt es keinen Grund, weshalb es diesmal anders sein sollte. Obwohl der britische Staat gern ein liberales Image von sich verbreitet, hat er schon von jeher einen autoritären Charakter, der sich in den letzten Jahren sowohl unter konservativen als auch unter Labour-Regierungen verstärkt hat. Ziel dieser Broschüre ist, einen Überblick Über die in Schottland zu erwartenden Polizeieinsätze zu geben sowie einen ersten Einblick in die Gesetze, die DemonstrantInnen betreffen. Wir hoffen, dass AktivistInnen mit Hilfe dieses Wissens in der Lage sind, sich der Konfrontation mit der Polizei zu stellen und ihr Recht auf Protest einzufordern, das in Großbritannien zunehmend bedroht ist. Die Rolle der Polizei ist dabei, die DemoteilnehmerInnen einzuschüchtern und größere Aktionen zu verhindern. Die Einforderung des Demonstrationsrechts bedeutet automatisch Widerstand gegen diese Politik.
Beim Verfassen dieser Broschüre konnten wir auf die Erfahrungen von J18, dem 1. Mai und anderen Aktionen in England und auf den Polizeieinsatz gegen das Faslane Friedenscamp zurückgreifen sowie auf frühere internationale Proteste. In Großbritannien wird die Polizei oft als “cops” oder – weniger höflich – als “plod”, “pigs” oder “filth” bezeichnet, während eine Festnahme häufig “getting nicked” oder “getting lifted” genannt wird.
Schottland ist eines der vier Länger, die das Vereinigte Königreich (UK) bilden (meist “Großbritannien” genannt), wobei es keine Binnengrenzen (mit Kontrollen o. Ä.) gibt. Ist von “mainland Britain” die Rede, sind England, Schottland und Wales gemeint.

Schottisches Recht
Das schottische Recht unterscheidet sich grundlegend von vielen europäischen Systemen, weil es weder ein klares Gesetzbuch noch eine Sammlung von Statuten hat, die die meisten Vergehen definieren, wie dies in England, Wales und Nordirland der Fall ist. Stattdessen beruht das schottische Recht weitgehend auf dem Gewohnheitsrecht, also der Zusammenfassung von Grundsätzen, Regeln und Festlegungen aus früheren Gerichtsentscheidungen. Dadurch ist manchmal die Prognose eines Gerichtsurteils bei bestimmten Handlungen schwierig, da das dortige Recht erschreckend flexibel ist. Das englische Gesetz kann nur mit Vorsicht auf Schottland Übertragen werden, wie einige Beispiele für Unterschiede zeigen: es gibt dort kein PACE; “Breach of the Peace” (Störung der öffentlichen Ordnung) ist ein Straftatbestand, der vor Gericht verhandelt werden muss (vgl. 8.); ASBOs (vgl. 5.) sind nicht so weit gefasst, und es gibt weder eine Entsprechung zu den englischen “Offences Against the Person”-Gesetzen noch die Tatbestände “riot”, “affray” oder “criminal damage” (vgl. 8.).

2. Allgemeine Informationen
Einreise nach Großbritannien
Bei früheren internationalen Protesten wurden Leute an der Ausreise aus ihrem “eigenen” Land gehindert, weshalb du für diesen Fall die Telefonnummer eines/r wohlgesonnenen AnwältIn dabeihaben solltest.
Grenzübertritte werden von britischer Polizei und Einwanderungsbehörden oftmals für Befragungen genutzt, ein Risiko, das sich durch eine unauffällige Einreise minimieren lässt (Kleidung, Transportmittel…).
Falls du angehalten wirst, kannst du vielleicht nach Beantwortung einiger Fragen weiterreisen, doch im Fall einer Festnahme solltest du eineN AnwältIn zu Rate ziehen.

Wir empfehlen folgende:
- Bindman & Partners in England/Wales: 020 7833 4433
- für Schottland (steht noch aus)
Obwohl Schottland ein eigenes Rechtssystem hat, gibt es keine Grenzkontrollen zwischen den beiden Ländern. Auch wenn zwischen Nordirland und dem Rest Großbritanniens ebenfalls keine Kontrollen sind, finden manchmal auf den Fähren Sicherheitsschecks statt, was die Einreise Über die Irische Republik zu einer guten Alternative macht.
Angaben zur Person
Normalerweise musst du der Polizei weder deine Personalien sagen noch ihre Fragen beantworten, aber die Angabe von falschen Namen oder Adresse kann strafbar sein. Du solltest weder deine Personalien nennen, weil diese in ihre Datenbank aufgenommen werden, noch irgendwelche sonstigen Fragen beantworten.
In drei Fällen musst du Namen und Anschrift nennen:
1. Wenn die Polizei Grund zu der Annahme hat, dass du irgendeine Straftat begangen hast oder sie bezeugen kannst, wobei dir der Tatbestand dann genannt werden muss. Die Verweigerung der Personalien oder falsche Angaben sind mit einer Geldstrafe belegt und können zu einer Festnahme führen. Falls du selbst VerdächtigeR bist, kannst du für eine “vernünftige Zeit” zur Personalienüberprüfung festgehalten werden, was meist nicht länger ist als einige Minuten für die Durchgabe per Funk oder die Abgleichung mit einem freiwillig von dir vorgelegten Ausweis (es gibt keine gesetzliche Verpflichtung, Papiere mit sich zu führen oder vorzuzeigen). Wenn du als VerdächtigeR aufgefordert wirst, Stellung zum Vorwurf zu beziehen, musst und solltest du keine weiteren Aussagen machen.
2. Wenn du festgenommen oder verhaftet wirst (vgl. 6.).
3. Wenn du in eine Fahrzeugkontrolle kommst; manchmal wirst du auch aufgefordert, deinen Führerschein, Versicherungspapiere und TÜV-Unterlagen innerhalb von 7 Tagen bei einer Polizeidienststelle vorzulegen. Die Übrigen MitfahrerInnen müssen ihre Personalien nicht angeben, solange sie nicht in eine der obigen Kategorien (VerdächtigeR, ZeugIn usw.) fallen.
Ausweispapiere
Innerhalb Großbritanniens gibt es keine Ausweispflicht. Bei einer Durchsuchung kann die Polizei jedoch deine gesamten Personalien festhalten, wenn du Papiere bei dir hast, die du darum besser daheim lässt (vgl. allerdings 7.).

Vermummung
Vermummung ist in Schottland nicht verboten, und die Polizei hat normalerweise keine rechtliche Handhabe. Ist aber eine “Section 60 Order” (s.60) in Kraft (vgl. 4.) – was während des G8-Gipfels sehr wahrscheinlich ist -, kann die Polizei dich zum Ablegen aller Gegenstände auffordern, die sie als Maskierung oder Vermummung betrachtet, und eine Zuwiderhandlung kann zu einer Festnahme und Strafe führen. Dieses Gesetz besagt, dass Dinge, die ausschließlich oder hauptsächlich zur Verschleierung der Identität getragen werden, von Gegenständen des täglichen Gebrauchs unterschieden werden müssen, also etwa von Sonnenbrille und Mütze. Unklar ist, ob Gesichtsbemalung eine Maskierung darstellt.

Drogen
Der Besitz von Cannabis ist in Schottland illegal und bleibt es trotz einer veränderten Klassifizierung in England und Wales. Der Besitz von Cannabis oder anderen illegalen Drogen führt zur Festnahme, was oft bei Protesten passiert ist, wenn AktivistInnen aus anderen Gründen durchsucht wurden. Die Einfuhr von Drogen Über die Grenze wird als Schmuggel betrachtet.
In den meisten Städten ist es (nach örtlichen Verordnungen) illegal, im öffentlichen Raum zu trinken, also auf der Straße, in Parks usw.

Messer, Klingen und Waffen
Es ist illegal, ein Messer oder sonstige Klingen und spitze Gegenstände an Ööffentlichen Orten mit sich zu führen, was sehr streng gehandhabt und auch auf Campingmesser, Scheren, Nadeln usw. angewendet wird.
Die wichtigste Ausnahme von diesem Verbot ist das Tragen “aus gutem Grund”, was aber sehr eng ausgelegt wird, so dass diese Einstufung unwahrscheinlich ist, wenn der Gegenstand länger als unbedingt notwendig oder zu einem illegalen Zweck (auch wenn er gewaltlos ist) getragen wird.
Auf alle Fälle wird die Polizei dich festnehmen und es dir Überlassen, deinen “guten Grund” später vor Gericht zu erklären.
Wenn eine s.60 Order in Kraft ist, kann die Polizei dir jede Art von Messer oder Klinge unabhängig von ihrem Zweck abnehmen.
Es ist nicht verboten, ein klappbares Taschenmesser von bis zu 76 mm zu haben, auch wenn es unter bestimmten Bedingungen immer noch zur Angriffswaffe konstruiert werden könnte; feststehende Klingen oder Springmesser sind keine Taschenmesser. Am besten ist, keine Messer oder Klingen dabeizuhaben. Das Mitführen von Angriffswaffen ist illegal, worunter jeder Gegenstand fällt, der zum Zweck der Verletzung entworfen wurde oder aus diesem Grund mitgeführt wird. Mit einem Baseballschläger zum Baseballspielen zu gehen, verstößt also gegen kein Gesetz, aber das Tragen aus irgendeinem anderen Grund wird wohl kaum als gesetzesgemäß beurteilt.

Abschiebung
Die Polizei hat in Großbritannien nicht das Recht, Leute abzuschieben, doch bei einer Kontrolle am Hafen/Flughafen bist du technisch gesehen noch nicht im Land, weshalb andere Regeln gelten (s. o.). Das Gericht kann die Abschiebung als Teil eines Urteils verhängen, allerdings nur bei schweren Strafen. Wenn sie einen Verstoß gegen das Einwanderungsrecht vermutet, kann die Polizei die zuständigen Behörden verständigen. Grundsätzlich laufen die meisten Leute keine Gefahr, abgeschoben zu werden. Die Ausnahme stellen diejenigen Menschen dar, die in Großbritannien gegen Einwanderungsgesetze verstoßen, z. B. Nicht-EU-Bürger mit abgelaufenen Visa, und wer einen Antrag auf Bleiberecht gestellt hat (z. B. als Flüchtling), sollte daran denken, dass eine Festnahme die Entscheidung des Home Office beeinflussen kann. Falls dein Einwanderungsstatus zur Debatte steht, solltest du deineN AnwältIn nach einer Festnahme ins Vertrauen ziehen. Umgang mit der Polizei Das ist zwar hauptsächlich eine Frage des gesunden Menschenverstands und abhängig von den genauen Umständen, doch hier einige

Tipps:
- Sei ruhig und selbstbewusst.
- Verlange den Vorgesetzten zu sprechen (einfache Beamte wissen ohnehin nichts).
- Versuche, nicht die Beherrschung zu verlieren oder zu fluchen (das könnte als Vorwand für eine Festnahme dienen).
- Trinke keinen Alkohol (damit könnte auch eine Festnahme begründet werden).
- Halte nach weiteren Polizeikräften und nach anderen DemonstrantInnen Ausschau.
- Gib auf die anderen Acht.

3. Polizeiliches Vorgehen zur Aufrechterhaltung der Öffentlichen Ordnung
Da es keine staatsweiten Einsatzkräfte gibt, werden in Großbritannien die Polizeiaufgaben von regionalen Einheiten Übernommen. Allerdings haben Angehörige jeder schottischen Einheit Überall in Schottland volle Befugnisse, und vielleicht werden zusätzlich englische PolizistInnen für den Gipfel dort vereidigt.
Alle BeamtInnen bis zum Rang des Sergeant müssen ihre Dienstnummer auf dem Revers tragen, aber in Kampfmontur werden sie oft Überdeckt. Die “Police Support Units” (PSU; Polizeiliche Unterstützungstruppen) sind als Sondereinsatzkräfte die gewalttätigsten und tragen meist Schutzoveralls oder sogar volle Kampfausrüstung. Andere Einsatzkräfte erhalten nur geringes Training für Einsätze bei Auseinandersetzungen, sind aber auch in Kampfmontur.
Die Teleskopschlagstöcke aus Metall, mit denen die britische Polizei ausgestattet ist, verursachen zwar schlimme Kopfverletzungen, minimieren aber das Risiko von Gehirnverletzungen oder Tod, während die US-amerikanischen Schlagstöcke nur wenig in Gebrauch sind. Auch wenn CS-Gas zur Ausrüstung dazugehört, wird es nicht oft eingesetzt, sondern soll nach der Richtlinie auf lebensbedrohliche Situationen beschränkt bleiben.
Pfefferspray wird in der Regel nicht in Menschenmengen benutzt, sondern häufiger bei Festnahmen dem Betroffenen ins Gesicht gesprüht. Wasserwerfer wurden noch nie auf dem “mainland” benutzt, doch ihr Einsatz wird diskutiert.
Pferde werden eingesetzt, um Menschenmengen auseinander zu treiben und – ebenso wie Hunde – beim Schutz wichtiger Gebäude oder bei Straßensperren. Angesichts des ländlichen Charakters von Gleneagles werden sie hier möglicherweise verstärkt benutzt – also Vorsicht.
Straßensperren waren in der Vergangenheit immer beliebt.
In Großbritannien bevorzugt die Polizei Direktkontakteinsätze zur Durchsetzung der öffentlichen Ordnung, wobei die wichtigste Taktik darin besteht, große Menschenmengen in kleinere Gruppen aufzuteilen und – manchmal für mehrere Stunden – einzukesseln, bevor sie einzeln aufgelöst werden. Ständige Bewegung kann diesen Versuch erschweren. Wenn die Teilung in Grüppchen misslingt, werden Sondereinsatzkräfte oder berittene Polizei in Reihen in die Menge geschickt, um sie durch Schläge auf die Köpfe auseinander zu treiben.
Außerdem gibt es für Festnahmen sechsköpfige Greiftrupps in Dreiecksformation (“snatch squads”), wobei die Äußeren BeamtInnen denjenigen schützen, der die Festnahme durchführt.
Daneben setzt die Polizei im großen Rahmen Fotografen, Videotrupps und Hubschrauber mit Videokameras ein (die erstaunlich klares Material erbringen) sowie weitere Beweisaufnahmeeinheiten, die einen fortlaufenden Kommentar aufnehmen. Die hauptsächlich zu Schikanezwecken gegründeten “Forward Intelligence Teams” (FIT) sind mit den Bildern von bekannten AktivistInnen ausgerüstet, denen sie folgen. Zudem ordnen Gerichte regelmäßig die Übergabe von Fotos und Filmaufnahmen der Mainstream-Medien an, die sich dem nie widersetzen.
Die Sicherheitspolizei und die FIT arbeiten auch mit ihren ausländischen Pendants zusammen, indem sie z. B. Informationen austauschen.

4. Kontrollen und Durchsuchungen
Allgemeines zu Durchsuchungen (“searches”)
Zwar gibt es kein grundsätzliches Recht der Polizei zu Durchsuchungen, aber es gibt beispielsweise im Rahmen der Drogengesetzgebung Ausnahmen, etwa wenn sie dich des Besitzes illegaler Drogen verdächtigt. Außerdem kann dich die Polizei bei einer Festnahme oder Verhaftung durchsuchen (vgl. 6.). Fehlt die rechtliche Grundlage, versuchen die Einsatzkräfte die Betroffenen oft zu einer freiwilligen Kooperation zu bewegen. Wenn sie z. B. mit deiner Zustimmung deine Tasche durchsuchen, kann alles darin Gefundene als Beweis gegen dich vor Gericht verwendet werden, auch wenn sie gar nicht das Recht hatten, die Maßnahme zu erzwingen. Versuche also im Fall einer anstehenden Durchsuchung sofort herauszufinden, ob die Polizei dich zur Zusammenarbeit bewegen will oder tatsächlich das Recht dazu hat, indem du dich nach der gesetzlichen Grundlage erkundigst und dir ihre Auskunft merkst. Falls sie nicht dazu befugt sind, solltest du nicht kooperieren.

Außer bei einer Festnahme kann die Polizei dich nur durch Abtasten durchsuchen (“pat down search”), und du musst in der Öffentlichkeit nur deine Oberbekleidung (z. B. eine Jacke) ausziehen. Du hast das Recht, von einer Polizeikraft deines Geschlechts durchsucht zu werden, und musst weder deinen Namen noch deine Adresse angeben.

Durchsuchungen nach den “Section 60 Orders” (s.60)
Kurz gefasst handelt es sich dabei um das Recht der Polizei, Durchsuchungen im Rahmen der Gewaltprävention durchzuführen – reale Gewalt ist also keine Voraussetzung. Wenn höherrangige Polizeikräfte der Ansicht sind, dass es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu Ausschreitungen oder Gewalttaten kommt und diese Maßnahme zur Verhinderung notwendig ist, können sie für ein begrenztes Gebiet für bis zu 24 Stunden die Befugnis ausgeben, Menschen und Fahrzeuge anzuhalten und zu durchsuchen.
Mit großer Sicherheit werden s.60 Orders während des gesamten G8-Gipfels in Kraft sein. Uniformierte Polizeikräfte jeden Ranges können dann verdachtsunabhängig Menschen und Fahrzeuge nach Waffen und gefährlichen Gegenständen durchsuchen und diese beschlagnahmen. Ansonsten gelten die gleichen Regeln wie bei den oben beschriebenen Kontrollen (nur Abtasten, Polizeikraft des gleichen Geschlechts usw.). Die Maßnahme darf nicht zur Identitätsfeststellung oder sonstigen Zwecken benutzt werden, weshalb Taschen, die zu klein sind, um Waffen oder gefährliche Gegenstände zu verstecken (also z. B. Geldbeutel), nicht durchsucht werden dürfen. Außerdem ist die Polizei nicht befugt, zufällig gefundene Papiere und Druckerzeugnisse zu lesen.
Da in Großbritannien jedeR jedeN fotografieren darf, können die Einsatzkräfte bei einer s.60- Durchsuchung auch ein Bild von dir machen, womit du allerdings – außer bei einer Festnahme – nicht kooperieren musst. Zudem musst und solltest du keine Angaben zu deiner Person machen, nicht deine Anwesenheit begründen oder Fragen beantworten.
(Uniformierte) PolizistInnen können dich ebenfalls zum Entfernen sämtlicher Gegenstände auffordern, die ihrer Ansicht nach ausschließlich oder hauptsächlich der Identitätsverschleierung dienen (z. B. Sturmhauben), und dürfen diese auch beschlagnahmen.
Wird die Aufforderung von Polizeikräften, Vermummung zu entfernen, nicht befolgt, handelt es sich um eine Straftat (vgl. auch 2.)
Das Recht zur Routinedurchsuchung nach den Section 60 Orders wurde schon manchmal genutzt, um mit Hilfe von Polizeiketten Leute (einmal sogar Touristen am 1. Mai in London) für längere Zeit einzukesseln und erst nach einer Durchsuchung und Fotoaufnahmen gehen zu lassen.
Allerdings gibt es nach s.60 keine rechtliche Grundlage, Menschen Ööffentlich in einer Menge oder in anderer Weise grundlos festzuhalten, weshalb mit angemessenen Mitteln das Verlassen des Kessels erzwungen werden kann. Außerdem hast du auch ohne Angabe der Personalien das Recht auf ein schriftliches Protokoll der Durchsuchung (“Search Record”).
Durchsuchungen nach dem Section 44 Terrorism Act (s.44) Dieses angebliche Gesetz zur Terrorprävention wurde schon gegen Anti-Kriegs-AktivistInnen und GegnerInnen der Waffenmesse benutzt und wird vermutlich auch beim G8 in Schottland zum Einsatz kommen.
In vielerlei Hinsicht Ähnelt es den s.60, indem z. B. kein konkreter Grund für eine Durchsuchung vorliegen muss (für die wieder die oben beschriebenen Regeln gelten). Allerdings sind die Ziele weiter gefasst und beinhalten alle Gegenstände, die im Zusammenhang mit (einem sehr schwammig definierten) “Terrorismus” stehen könnten, so dass die Polizei alle von dir mitgeführten Schriftstücke lesen darf, um sie auf eine eventuelle Terrorismus-Verbindungen hin zu überprüfen.
Auch hier musst und solltest du weder deine Personalien noch den Grund deines Aufenthalts angeben noch sonstige Fragen beantworten, und bei Versuchen, dich zu fotografieren oder zu filmen, musst du nicht kooperieren. Außerdem besteht auch ohne Personalienangabe das Recht auf ein schriftliches Protokoll.

Nach der Durchsuchung
Bewahre das Durchsuchungsprotokoll oder sonstige polizeiliche Dokumente auf und fertige ein kurzes Gedächtnisprotokoll an, solange du dich an alle Details erinnerst (Name, Dienstnummer und Einheit der BeamtInnen, Uhrzeit und die vorherigen Ereignisse), und schreib die genaue Bezeichnung auf, mit der die Polizei die Maßnahme gerechtfertigt hat, weil das später sehr hilfreich sein kann.
Nach einer Durchsuchung gemäß s.44 füll bitte das “Liberty’s search monitoring” Formular aus und reiche es ein (www.liberty-human-rights.org.uk/issues/protest-monitoring-form.shtml).

5. Einschränkung der Bewegungsfreiheit
Allgemeines zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit
Behindert einE FußgängerIn als Teil einer Gruppe von zwei oder mehr Leuten eine weitere Person beim Durchqueren von öffentlichem Gelände und kommt einer entsprechenden Verwarnung durch eine uniformierte Polizeikraft nicht nach, handelt es sich um eine Straftat. Auch das absichtliche Versperren des Weges durch eine Einzelperson ist strafbar, wobei die Höchststrafe in beiden Fällen bei 500₤ liegt.
Einschränkung der Bewegungsfreiheit bei Versammlungen und Demonstrationen über eine geplante Versammlung muss die örtliche Verwaltung mindestens sieben Tage im Voraus informiert werden. Die Behörde kann eine Veranstaltung ganz verbieten oder Auflagen verhängen, etwa in Bezug auf Datum, Uhrzeit und Dauer oder auch räumliche Beschränkungen.
Die Einsatzleitung der Polizei vor Ort kann ebenfalls verschiedene Auflagen für die Demonstration erteilen, wenn sie schwere öffentliche Unruhen, Sachbeschädigungen oder die Störung des öffentlichen Lebens befürchtet oder Einschüchterung als Ziel der Veranstaltung betrachtet. Verstöße gegen die polizeilichen Auflagen, die den Ort, die maximale TeilnehmerInnenzahl und die Dauer betreffen können, sind strafbar, wenn du nicht beweisen kannst, dass du keinerlei Kontrolle Über die Ereignisse hattest. Kundgebungen müssen aus mindestens 20 Personen bestehen und zumindest teilweise unter freiem Himmel sein.
Demonstrationen müssen im öffentlichen Raum stattfinden. Hat die Leitung der örtlichen Polizei Grund zur Annahme, dass eine Versammlung unter freiem Himmel ohne Einwilligung des Eigentümers auf Privatgelände stattfinden soll oder an einem nur beschränkt zugänglichen Ort, kann sie bei der Stadtverwaltung ein Verbot beantragen. Wird dieses bewilligt, sind für höchstens 4 Tage alle Versammlungen im betreffenden Gebiet verboten, das jedoch einen Durchmesser von 5 Meilen nicht Überschreiten darf. Innerhalb dieser Zone können uniformierte Polizeikräfte Personen anweisen, in eine andere Richtung zu gehen, wenn sie davon ausgehen, dass diese auf dem Weg zur Versammlung sind.
Einschränkung der Bewegungsfreiheit nach den ASBOs Verordnungen gegen asoziales Verhalten (“Anti-Social Behaviour Orders”, ASBOs) gibt es auch in Schottland, aber sie unterscheiden sich von denen in England und Wales, und es ist unwahrscheinlich, dass sie hier angewendet werden (falls doch, müssten sie zuvor gerichtlich beschlossen werden).

6. Ingewahrsamnahme und Verhaftung
Die Polizei hat zwei unterschiedliche Maßnahmen zur Verfügung: “detention” (Ingewahrsamnahme) und “arrest” (Verhaftung).

Ingewahrsamnahme (“detention”)
Du kannst in Gewahrsam genommen werden, wenn du einer Straftat verdächtigt wirst, die mit Gefängnis bestraft wird, z. B. “breach of the peace” (Störung der öffentlichen Ordnung, vgl. 8.), wobei dir a) die Tatsache deiner Ingewahrsamnahme und b) der Grund mitgeteilt werden müssen. Die Dauer darf 6 Stunden nicht Überschreiten; danach musst du entweder freigelassen oder in Haft genommen werden.

Ein möglicher Grund für eine Ingewahrsamnahme ist, dass gegen dich noch nicht genügend Beweise für eine Verhaftung vorliegen und die Polizei dich deshalb verhören will. Du musst weder deine Personalien oder Einzelheiten aus deinem Leben angeben noch irgendwelche bei dir gefundenen Gegenstände erklären, sondern solltest auf keine Frage antworten (“no comment” – “keine Aussage”). Vielleicht willst du dein Geburtsdatum angeben, was deine Freilassung beschleunigen kann, aber das ist rechtlich nicht notwendig.
Im Polizeigewahrsam hast du das Recht, eine Person (in diesem Fall am besten den Ermittlungsausschuss, also die “G8 Legal Support Group”) Über deinen Aufenthaltsort zu informieren, was aber aus Ermittlungsgründen, zur Verhinderung von Verbrechen oder zur Verhaftung von StraftäterInnen verzögert werden kann. Zusätzlich hast du das Recht auf die Informierung eines/r AnwältIn (“solicitor”), jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf ein Gespräch.

Verhaftung (“arrest”)
Die polizeilichen Befugnisse zur Verhaftung sind Über das Gewohnheitsrecht geregelt, weshalb es keine festen Kriterien gibt. Als Faustregel gilt: wenn die Polizei Grund zu der Annahme hat, dass du eine strafbare Handlung begangen hast, kann sie dich verhaften, hauptsächlich wenn du auf frischer Tat ertappt wurdest (ansonsten wirst du meist nur in Gewahrsam genommen). Meist wirst du von zwei Einsatzkräften verhaftet, die dich Über deine Rechte belehren und dir mitteilen müssen, dass alle deine folgenden Aussagen gegen dich benutzt werden können. In diesem Fall musst du deinen Namen und deine Anschrift angeben, aber keine weiteren Informationen (auch hier kann die Angabe des Geburtsdatums deine Freilassung beschleunigen, ist aber rechtlich nicht notwendig). Eventuell wirst du gleich vor Ort abgefertigt, indem du in einem Polizeibus formal Über den Vorwurf informiert und mit einer Reihe von Fragen konfrontiert wirst (auch hier auf alle Fälle die Antwort “no comment” – “keine Aussage”). Nach einem Polaroidfoto von dir zwischen den beiden VerhaftungsbeamtInnen wirst du gefragt, ob du den Tatvorwurf verstanden hast und dich dazu Äußern willst – verweigere auch hier die Aussage. Anschließend wirst du zur Wache gebracht, während die beiden BeamtInnen sich wieder ins Geschehen mischen. Wirst du nicht vor Ort abgefertigt, begleiten sie dich zum Revier, wo der Ablauf immer derselbe ist unabhängig davon, ob du vor Ort bereits befragt wurdest (d.h. die Fragen werden dir noch einmal gestellt).
Es ist möglich, dass du auf der Wache erst noch eine Weile im Polizeibus oder in einer Wartezelle bleiben musst, wenn alle beschäftigt sind. Irgendwann wirst du von einem/r Vernehmungsbeamten/-in befragt, wobei du außer Namen und Anschrift keine Aussagen machen musst und auch nicht machen solltest. Zuerst wirst du gefragt, ob du scharfe Gegenstände in den Taschen hast, und belehrt, dass eine Falschaussage ebenfalls strafbar ist. Nach einer Durchsuchung werden alle bei dir gefundenen Gegenstände in eine Tasche gesteckt und verwahrt. Meist folgt die Frage, ob du von deinem Recht Gebrauch machen willst, eine Person Über deine Verhaftung und deinen Aufenthaltsort zu informieren, was du zu einem Anruf beim G8- Ermittlungsausschuss nutzen solltest.
Außerdem solltest du auf alle Fälle dein Recht auf Informierung eines/r AnwältIn wahrnehmen und bis zu einem Gespräch mit ihm/ihr keine Aussagen machen. Eine AnwältInnenliste wird in Kürze veröffentlicht.
Teile dem/der Vernehmungsbeamten/-in mit, wenn du spezielle Bedürfnisse im Hinblick auf deine Ernährung hast oder dein Gesundheitszustand ständige oder vereinzelte Medikamenteneinnahme erfordert. Wenn du in irgendeiner Form verletzt bist, verlange nach einem Arzt.
Anschließend kommst du in eine Zelle, wo du versuchen solltest, dich zu entspannen oder sogar zu schlafen – schließlich bleibst du dort vielleicht für längere Zeit. Dreimal täglich wirst du mit Essen versorgt, wobei du nach einer abendlichen Verhaftung oft erst Frühstück bekommst.
Irgendwann wirst du zur Erkennungsdienstlichen Behandlung gebracht, die Fingerabdrücke (“fingerprints”), (professionellere) Fotoaufnahmen und vielleicht einen DNA-Test (“DNAsample”) in Form einer Speichelprobe umfasst und die von der Polizei mit “angemessenen Zwangsmitteln” durchgesetzt werden kann. Sei weiterhin vorsichtig, unterhalte dich nicht mit den Polizeikräften, die die Maßnahme durchführen, und verweigere bei weiteren Vernehmungen stets die Aussage.

Entweder bei deiner Ankunft auf dem Revier oder bei einer späteren Vernehmung wird dir offiziell der Tatvorwurf mitgeteilt und die Frage gestellt, ob du ihn verstanden hast und dich dazu Äußern möchtest, worauf du keinesfalls eine Antwort geben solltest. Möglicherweise wirst du irgendwann in ein anderes Revier verlegt. Entweder wirst du entlassen, zur Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung (“undertaking”) aufgefordert (vgl. 7.) oder bis zur Verhandlung am nächsten Werktag festgehalten. Falls du freikommst, informiere bitte sofort den G8- Ermittlungsausschuss. Eine Verhaftung kann eine sehr einschüchternde oder auch eine langweilige, nervtötende Erfahrung sein. Bleib ruhig, versuch dich zu entspannen und denk an deine Rechte und daran, dass du bald rauskommst.

Jugendliche (“juveniles”)
Alle Über 16 Jahren gelten im schottischen Recht als Erwachsene. Wenn du als unter SechzehnjährigeR verhaftet wirst, informiert die Polizei deine Eltern und verweigert möglicherweise bis zu deren Ankunft die Freilassung. Kommst du mit einer/m Erwachsenen zusammen zu den Protesten, ist eine schriftliche Vollmacht deiner Erziehungsberechtigten praktisch, die zwar nicht automatisch von der Polizei akzeptiert werden muss, aber hilfreich sein kann. Falls sie deine Eltern nicht erreichen kann oder wenn du aus dem Ausland kommst, kann sie das Sozialamt rufen und dich den dort Zuständigen übergeben.
Als unter 16jÄhrigeR darfst du nicht ohne eineN “verantwortlichen ErwachseneN” (Eltern, SozialarbeiterIn etc.) vernommen werden und nicht in eine Zelle mit Erwachsenen kommen.

7. Kaution (“bail”), Verpflichtungserklärung (“undertaking”) und die erste Befragung vor Gericht
Die Polizei hat grundsätzlich drei Möglichkeiten zur Verfügung, wie sie weiter mit dir umgeht. Zum einen kann sie dich bis zum Gerichtstermin in Haft (“custody”) behalten, zum anderen kann sie dich freilassen und einen Bericht an die Staatsanwaltschaft (“procurator fiscal”/ “prosecutor”) senden, die Über das weitere Vorgehen entscheidet. Die dritte Möglichkeit ist, dich nach Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung (“undertaking”) zu entlassen, in dem du dein Erscheinen vor Gericht innerhalb der nächsten Tage versprichst (was allerdings bei Zweifeln an deiner Identität oder an deiner Anschrift nicht akzeptiert wird). Dies ist der Fall, wenn es unnötig erscheint, dich in Haft zu behalten, der Fall aber recht zügig verhandelt wird.
Zwar bist du nicht zum Unterzeichnen gezwungen, aber durch eine Weigerung steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du bis zur Verhandlung inhaftiert bleibst.
Wenn du aus der Untersuchungshaft dem Gericht vorgeführt wirst, werden dir die Straftatbestände mitgeteilt, derer du angeklagt wirst (“accusation”). In der Regel gibt es eine “complaint” genannte Klageschrift, die die Grundlage der folgenden Verhandlung bildet. Wenn sie dir ausgehändigt worden ist, leitet die Staatsanwaltschaft ein beschleunigtes Verfahren (“summary proceedings”), d. h. ohne Geschworene, ein. Alle Verfahren auf dieser Grundlage müssen innerhalb eines Jahres verhandelt werden. Es gibt kein Recht auf einen Prozess mit Geschworenen (“jury trial”), da manche Straftaten nur in beschleunigten Verfahren, andere nur mit Geschworenengericht verhandelt werden können. Ist beides möglich, entscheidet die Staatsanwaltschaft, die sich wiederum nach dem in deinem Fall möglichen Urteil richtet.
Während Prozesse mit Geschworenen im Amtsgericht (“sheriff court”) stattfinden, können Schnellverfahren sowohl dort als auch im Bezirksgericht (“district court”) verhandelt werden.
Hier fällt das Urteil entweder einE BerufsrichterIn (“sheriff”, in Glasgow oft auch “stipendiary magistrate”) oder einE bzw. mehrere LaienrichterInnen (“lay judges”; je nach Region bis zu drei).
Bei Urteilen ohne Geschworene gibt es niedrigere Höchststrafen, in der Regel drei Monate Haft vor Ort.
In schwer wiegenden Fällen erscheinst du “on petition” vor Gericht, was bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft vorhat, einen Prozess mit Geschworenen gegen dich zu führen, bei dem die Klageschrift “indictment” heißt. Bei der ersten Befragung vor Gericht (“judicial examination”) fragt dich die Staatsanwaltschaft, ob du zu ihren Fragen Stellung nehmen möchtest.
Im Vorfeld hattest du Gelegenheit, unter vier Augen mit einem/r AnwältIn zu sprechen, der/die auch bei der Befragung dabei ist. Dabei bist du zu keinen Antworten vor Gericht verpflichtet.
Wenn du später Aussagen machen solltest, die du zu diesem Zeitpunkt bereits erwähnt haben könntest (z. B. ein Alibi), vermerken Staatsanwaltschaft oder RichterInnen das vielleicht negativ, aber es ist absolut Üblich, dass Angeklagte auf anwaltlichen Rat hin jede Aussage verweigern. Bist du zu diesem Zeitpunkt noch in Untersuchungshaft, kannst du deine Freilassung gegen Kaution (“bail”) beantragen – schließlich kann es bis zur Hauptverhandlung noch einige Monate dauern. Die Wahrscheinlichkeit einer Bewilligung ist größer, wenn die Polizei deine Meldeadresse in Großbritannien bestätigen kann. Außerdem können Auflagen mit der Kaution verbunden sein, etwa eine Beschränkung deiner Bewegungsfreiheit (“curfew”), die dich zwingt, daheim zu bleiben oder bestimmte Gebiete zu meiden (z. B. verboten die Auflagen gegen AtomwaffengegnerInnen, sich Nuklearwaffenstützpunkten zu nähern). AusländerInnen müssen manchmal ihren Ausweis abgeben, während die Hinterlegung eines Geldbetrags zwar rechtlich möglich ist, aber nicht praktiziert wird. Meist werden die Betroffenen schon vor dem Gerichtstermin aus der Haft entlassen, und diejenigen, die zu diesem Zeitpunkt noch in U-Haft sind, werden dann in der Regel auf Kaution freigelassen. Außerdem sind beschleunigte Verfahren weitaus häufiger als Geschworenenverfahren. Je schwerwiegender die Anschuldigungen und je länger das Vorstrafenregister (“previous criminal record”) sind, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die U-Haft bis zum Gerichtstermin andauert, eine Kaution verweigert wird und ein Prozess mit Geschworenen geführt wird. Von früheren Großprotesten (z. B. J18 und 1. Mai) wissen wir, dass nach einem Schuldgeständnis beim ersten Gerichtstermin das Urteil oftmals härter ausfällt, weil das Gericht an den Betroffenen ein Exempel statuieren will. Außerdem steigt mit der Prozessdauer die Wahrscheinlichkeit von Verfahrensfehlern seitens der Staatsanwaltschaft und eines daraus folgenden Freispruchs.

Gesetze, die häufig gegen AktivistInnen eingesetzt werden
Hier sind einige Straftatbestände zusammengestellt, derer DemonstrantInnen beschuldigt werden können, wobei längst nicht alle Verbrechen (nicht einmal alle mit einem möglichen politischen Hintergrund) vertreten sind – so fehlen etwa Mord und Hochverrat, die bei AktivistInnen unwahrscheinlicher sind. Das bedeutet jedoch weder, dass es diese Straftatbestände nicht gibt oder entsprechend ungewöhnliche Ereignisse nicht passieren, noch dass Leute nicht für Schwerverbrechen belangt würden, die sie gar nicht begangen haben (z. B. Wilson Silcott für die Ermordung des Polizisten Blakelock bei den Broadwater Farm-Unruhen).
Wie bereits erwähnt sind in Schottland die meisten Straftaten sehr schwammig nach dem Gewohnheitsrecht definiert und fassen eine solche Bandbreite von Situationen unter einen Titel, dass die Höchststrafe zwar lebenslänglich sein kann, du aber für ein geringes Vergehen diese Anklage erhältst und letztlich eine Geldstrafe von ₤ 50 zahlen musst. Bei einem beschleunigten Verfahren ist die mögliche Höchststrafe automatisch viel geringer.

“Breach of the Peace” (schwere Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung) Bei “Breach of the Peace” (BoP) handelt es sich um einen sehr breit gefächerten Straftatbestand, für den du verhaftet werden kannst und der (anders als in England) eher eine Verurteilung als eine bloße Verwarnung nach sich zieht. Dabei wird in der Regel nur eine geringe Geldstrafe verhängt, auch wenn es – wie im Gewohnheitsrecht Üblich – keine Höchststrafe gibt.
Theoretisch geschieht eine Anklage wegen BoP bei Verhalten, das gewöhnliche Leute in Angst versetzt und die Öffentlichkeit schwer zu stören droht, was also eindeutig mehr als nur etwas irritierend wirken sollte (vgl. auch die englischen Tatbestände “breach of public order” und “breaking of the social peace”). Tatsächlich ist jedoch eine Verurteilung wegen BoP auch dann möglich, wenn keine Anwesenden wirklich in Angst waren und kein vernünftiger Mensch es in dieser Situation gewesen wäre. Gibt es nämlich für derartige Reaktionen keinen Beweis, wird die inkriminierte Handlung zur Rechtfertigung einer Verurteilung oft als “flagrant” (skandalös) bezeichnet, was zur Beschreibung der unter BoP fallenden Verhaltensmuster dient.
Oft werden Leute unter diesem Vorwurf verhaftet, wenn sie nur den Anweisungen von Polizeikräften nicht Folge geleistet haben, aber in diesen Fällen ist eine Verurteilung unwahrscheinlich. Allerdings kann eine solche Zuwiderhandlung eine wichtige Rolle in einem BoP-Verfahren spielen, wenn noch anderes Fehlverhalten vorliegt (z. B. eine Straßenblockade). In der Praxis ist BoP ein extrem dehnbarer Vorwurf, so dass einige Gerichte wiederholt TeilnehmerInnen einer friedlichen Sitzblockade für diesen Tatbestand verurteilt haben, auch wenn die Atmosphäre nachweislich ruhig war und selbst die PolizeizeugInnen in keiner Weise beunruhigt waren.

“Mobbing” (gemeinschaftlicher Landfriedensbruch)
Bei “Mobbing” handelt es sich faktisch um kollektiv begangenen “Breach of the Peace”, wobei die Menge ein gemeinsames Ziel verfolgen muss, das auch spontan entstehen kann. Die einschüchternde Wirkung kann dabei allein aus der großen Anzahl folgen.
Dieser Straftatbestand ist schwerwiegender als BoP, und aufgrund der gemeinsamen Absicht kann jedeR Einzelne für die Taten aller anderen Mitglieder der Gruppe rechtlich belangt werden.
Als Teil einer Scheiben zertrümmernden Menge könntest du wegen Sachbeschädigung verurteilt werden, auch wenn du selbst kein Fenster eingeworfen hast, solange du die Handlung mit dem gemeinsamen Ziel des Vandalismus unterstützt hast.
Allerdings wird dieser Tatbestand selten verfolgt, weil der Nachweis eines kollektiven Ziels Schwierigkeiten bereitet.

“Malicious Mischief”/ “Malicious Damage” und “Vandalism” (Sachbeschädigung)
“Malicious Mischief” bezeichnet die absichtliche oder grob fahrlässige Beschädigung von fremdem Besitz (vgl. “Criminal Damage” in England), wobei auch die missbräuchliche Nutzung von Eigentum mit daraus folgendem Schaden darunter fällt. Beispielsweise bedeutet das Auslösen des Feueralarms einen finanziellen Verlust, selbst wenn direkt vor Ort kein Sachschaden entsteht. Das Abdecken einer Überwachungskamera mit einer Plastiktüte erfüllt hingegen nicht automatisch den Vorwurf des Malicious Mischief, solange daraus kein wirtschaftlicher Schaden erwächst.
Sachbeschädigung durch Brandstiftung wird härter bestraft und fällt unter den Tatbestand des “Wilful/Culpable/Reckless Fire-Raising”.

“Vandalism” ist ein weniger schweres Vergehen, das absichtliche oder fahrlässige Sachbeschädigung ohne vernünftigen Grund bezeichnet.
In der Regel könnte die gleiche Handlung entweder als “Vandalism” oder als “Malicious Mischief” geahndet werden, die beide auch ohne dauerhaften Schaden zum Einsatz kommen können (z. B. könnten Kreideschriftzüge mit beiden Vorwürfen verfolgt werden). Bei “Vandalism” beträgt die Höchststrafe 3 Monate (bei WiederholungstäterInnen 6 Monate), wobei Geldstrafen Üblicher sind. Für “Malicious Mischief” ist die Höchststrafe unbegrenzt.

“Theft” (Diebstahl)
Diebstahl fällt unter das Gewohnheitsrecht und bezieht sich auf die Aneignung fremden Eigentums ohne Zustimmung des/der BesitzerIn und mit der Absicht, ihr/ihm dauerhaft das Besitzrecht zu entziehen. Dabei muss es sich um ein gegenständliches Objekt handeln. Aneignung bedeutet dabei, den Gegenstand physisch zu bewegen oder ihn wie eigenen Besitz zu behandeln. Wenn du z. B. den Notizblock eines/r Polizeiangehörigen auf der Straße findest, stellt das bloße Aufheben keinen Diebstahl dar, wenn du ihn zurückgibst, sondern nur, wenn du ihn behältst, um darin zu lesen. Gerichtsurteile besagen, dass dann bereits der Wunsch, eine Person dauerhaft, unbeschränkt oder zu einem unrechten Zweck ihres Besitzes zu berauben, ausreichen kann. Ein weiterer Tatbestand ist “clandestinely taking and using”, was das heimliche Ansichnehmen und Benutzen fremden Eigentums unter Strafe stellt. Eine Höchststrafe ist bei “Theft” nicht festgelegt, und die Strafe hängt meist von Umständen wie etwa dem Wert der Gegenstände ab. Außer bei umfangreichen Diebstählen erhalten ErsttäterInnen im Normalfall nur eine Geldstrafe.

“Assault” (körperliche Übergriffe)
Alle Verbrechen, bei denen Menschen körperlich verletzt werden, fallen in der Regel unter den vom Gewohnheitsrecht bestimmten Vorwurf “Assault”, der nicht weiter untergliedert ist. Deshalb kann bei vergleichsweise geringen Vergehen nur eine Geldstrafe folgen, während gleichzeitig keine Höchststrafe festgelegt ist.
“Assault” beinhaltet sowohl Körperverletzung als auch absichtliche physische Übergriffe und Grenzüberschreitungen (etwa körperliche Berührung entgegen der Wünsche des/der Betroffenen) sowie gezielte Angriffsdrohungen. In seiner leichtesten Variante könnten dies Drohrufe und geballte Fäuste sein.
Die Schwere des Tatbestands und das daraus folgende Urteil werden durch die Umstände bestimmt, z. B. die Art eventuell benutzter Waffen, zugefügte Verletzungen sowie den Status des Opfers. So wird eine entsprechende Handlung gegenüber Polizeiangehörigen oder die Verwendung einer Waffe schwerer gewertet. Die Wahrscheinlichkeit einer Haftstrafe steigt mit der Anzahl und Qualität dieser erschwerenden Umstände.
Daneben gibt es den per Gesetz definierten Tatbestand “Assaulting or Obstructing a police officer in the course of their duty” (Widerstand gegen die Staatsgewalt), bei dem eine Haftstrafe bis zu 9 Monaten ohne Geschworenengericht möglich ist. Allerdings wird meist nur eine Geldstrafe verhängt, solange erschwerende Umstände und bedeutende Vorstrafen fehlen. Der Vorwurf “Obstruction” (Behinderung) setzt keinen körperlichen Widerstand voraus, sondern trifft schon zu, wenn du bei einer Verhaftung unbeweglich bleibst und getragen werden musst (auch wenn das selten strafrechtlich verfolgt wird). Dagegen fällt die Aussageverweigerung bei Fragen, die nicht zwingend beantwortet werden müssen, nicht darunter!

“Reckless endangerment/injury” (fahrlässige Gefährdung/Körperverletzung) bezeichnet Fälle, in denen eine Person einen anderen Menschen oder die Allgemeinheit in einer Weise behandelt, die jegliche Vorsicht vermissen lässt. Wenn etwa eineR einen Ziegelstein durch das Ladenfenster wirft, um das Geschäht zu beschädigen, dabei aber eineN Angestellten trifft, kann der/die WerferIn wegen “reckless injury” verurteilt werden, obwohl die Verletzung nicht beabsichtigt war.

Trespass (Hausfriedensbruch)
Mit “Trespass” wird das Betreten eines Privatgrundstücks ohne Erlaubnis des Eigentümers bezeichnet, wobei eine Straftat nur vorliegt in Verbindung mit a) der Besetzung von Land oder Gebäuden, b) Kampieren auf dem Gelände, c) dem Anzünden eines Feuers auf oder an einer Straße oder d) einem Feuer auf oder an bewirtschaftetem oder eingezäuntem Land. Auch wenn die Höchststrafe bei nur ₤ 200 liegt, ist eine Verhaftung möglich. Dieser Tatvorwurf kam bereits gegen ArbeiterInnen zum Einsatz, die eine Ankettaktion an ihrem Arbeitsplatz durchführten.
Zudem gibt es “aggravated trespass” (schweren Hausfriedensbruch), der sich – anders als in England – nur auf Land unter freiem Himmel bezieht.
Hat eine Polizeikraft Grund zur Annahme, dass du Hausfriedensbruch begehst mit dem Ziel, Rechtshandlungen zu stören oder zu behindern, kannst du zum Verlassen aufgefordert werden.
Falls du nicht weggehst oder innerhalb von 3 Monaten wiederkehrst, stellt das eine eigenständige Straftat dar, die mit bis zu 3 Monaten Haft bestraft werden kann.

“Terrorist Offences” (Terroristische Straftaten)
Es ist recht unwahrscheinlich, dass AktivistInnen wegen Straftaten nach dem “Terrorism Act” angeklagt werden (auch wenn die Durchsuchungsvollmacht nach diesem Gesetz vermutlich in Kraft sein wird, vgl. 4). Informationen zu “terroristischen” Straftatbeständen gibt es im “Liberty briefing”.

Zum Schluss…
Hoffentlich seid ihr nach diesem Text nicht entmutigt; schließlich gibt es in jedem Staat eine große Polizeimacht und Ähnliche Gesetze, die sich nur im Detail unterscheiden. Wir haben diese Informationen zusammengetragen, weil wir der Überzeugung sind, dass Wissen Macht bedeutet. Das Recht auf Protest ist in den Artikeln 10 (freie Meinungsäußerung) und 11 (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention festgehalten und ebenso Teil des britischen Rechts. Letztlich hängt das Vorgehen der Polizei von der Effektivität der Proteste und der Zahl der TeilnehmerInnen ab.
Wir sehen uns in Schottland!
____________________________________________________________________

[http://de.dissent.org.uk/twiki/bin/view/G8Resist/RechtshilfeText]