2010-06-14
Ein künstlicher See, ein schmucker Gartenpavillon, eine neue Eissporthalle als Medienzentrum – Kanada lässt sich das Gipfeltreffen der mächtigsten Staats- und Regierungschefs Ende Juni viel kosten. Sehr zum Ärger der Opposition.
Von Thomas Schmidt
Es ist ein Idyll: Die Weiten Kanadas spiegeln sich in der schimmernden Wasseroberfläche, ein verträumter Steg, wie zufällig dümpelnde Kanus. Es ist aber alles nur Kulisse, ein künstliches Arrangement, damit die Medien der Welt einen schönen Hintergrund für die Berichterstattung über den G20-Gipfel haben. Und es ist teuer: Zwei Millionen Dollar für 72 Gipfelstunden.
“Party für Lady Gaga?”
Die Opposition im kanadischen Unterhaus spricht von einem schlechten Scherz: “Hat die Regierung hier etwa an eine Party für Lady Gaga gedacht”, fragt der liberale Abgeordnete Mark Holland. Und auch die oppositionellen Sozialdemokraten nahmen den Begriff “Gaga” dankbar auf: “Unsere Regierung lässt hier einen künstlichen See anlegen in einem Land, dass wahrscheinlich mehr echte Seen hat als jedes andere auf der Welt”, spottet Jack Layton unter dem Gelächter seiner Parteifreunde. Einer der größten, der Ontario See, liege sogar in Sichtweite des Mediencenters, in dem das teure Kunstgewässer angelegt werden soll.
Die konservative Regierung präsentiert sich im Parlament dennoch unnachgiebig: “Wir werden hier rund 3.000 der führenden Journalisten der Welt zu Gast haben, das ist eine fantastische Gelegenheit um zu zeigen, was für ein großartiges Land Kanada ist”, so Verkehrsminister John Baird.
Schmucker Gartenpavillon – Nutzung schwierig
Aber die Opposition bleibt hartnäckig bei ihrem Vorwurf der Geldverschwendung, denn der Zwei-Millionen-Dollar-Kulissen-See ist nicht das einzige Beispiel für den fragwürdigen Umgang mit Steuergeldern. So wurde auch in der abgeschiedenen Kleinstadt Huntsville kräftig investiert, wo sich – knapp drei Autostunden von Toronto entfernt – die G8-Runde vor dem G20-Gipfel trifft: Für die Führer der größten Industrienationen der Erde ließ man einen schmucken Gartenpavillon errichten, dessen Nutzung allerdings schwierig ist, weil er 20 Kilometer vom Tagungsort entfernt liegt. Gleiches gilt für neuen Toilettenanlagen, die in dringenden Fällen damit deutlich außerhalb der Reichweite selbst für die mächtigsten Staats- und Regierungschefs der Welt liegen.
Medienzentrum ohne Journalisten?
Besonderer Aufreger ist aber eine brandneue Eissporthalle für Huntsville. Offizielle Begründung für den großzügig ausgelegten 23-Millionen-Dollar-Bau: Er wird zunächst für den G8-Gipfel als Medienzentrum genutzt. Problem dabei: Aus Sicherheitsgründen kommen Medienvertreter gar nicht nach Huntsville – sie müssen von Toronto aus berichten, mit dem künstlichen See im Hintergrund.
Das alles ist auch für die Führung der in Kanada regierenden Konservativen Partei schwer zu erklären: "Ich kann das nicht verteidigen, wollen wir nicht gleich über die Oppositionskoalition reden, flachste Premier Stephen Harpers früherer Stabschef, Tom Flanagan, in einer Fernseh-Talkshow. Während der politische Streit anhält, sind die Kanadier selbst einen Schritt weiter. Sie haben dem Kunst-Gewässer schon einen Namen gegeben: “Harper’s Folly” – auf deutsch: “Harpers Wahnsinn”.