2010-05-19 

Knast für Prügelpolizisten

Von Micaela Taroni, Rom

Mit Jubel und Freudenrufen haben Globalisierungsgegner am Dienstag in Genua das Urteil über die Polizisten begrüßt, die wegen der schweren Übergriffe auf Demonstranten beim G-8-Gipfeltreffen 2001 in der norditalienischen Hafenstadt angeklagt waren. Fast neun Jahre nach der brutalen Mißhandlung von Protestierenden durch die Polizei hoben die Richter in dem Berufungsprozeß die milden Urteile und Freisprüche aus der Vorinstanz auf und verurteilten 25 der einst 29 Angeklagten zu hohen Haftstrafen. Zu ihnen gehört auch die damalige Leitung der Einsatzkräfte. In der ersten Instanz war die Hälfte der 29 Angeklagten noch freigesprochen worden.

Bild: ProcessiG8

In dem Verfahren ging es um die Mißhandlung von Demonstranten, die in einer Schule übernachtet hatten. Die Polizei hatte die Schlafenden nachts regelrecht überfallen. Die damals Verhafteten berichteten von Schlägen, Beleidigungen, systematischen Demütigungen und Folter. Betroffene mußten stundenlang mit dem Gesicht zur Wand stehen und waren Schlafentzug, Androhung sexueller Gewalt sowie CS-Gas in den Zellen ausgesetzt. Einige wurden gezwungen, faschistische Lieder zu singen und vor Fotos des italienischen Diktators Mussolini zu salutieren, während anderen Finger gebrochen und Piercings ausgerissen wurden.

Mit fünf Jahren Haft wurde die höchste Strafe nun gegen den früheren Kommandeur einer Einheit der Bereitschaftspolizei, Vincenzo Canterini, verhängt, der erstinstanzlich nur zu vier Jahren Haft verurteilt worden war. Die Richter gingen davon aus, daß auch die Führungsinstanzen der Polizei über die Vorfälle in der Schule informiert waren. Beim erstinstanzlichen Urteil im November 2008 waren nur 13 der 29 Angeklagten verurteilt worden, weil sie direkt an Mißhandlungen beteiligt gewesen waren. Ihre Vorgesetzten waren hingegen mit der Begründung freigesprochen worden, sie seien über die Ereignisse in der Schule nicht informiert gewesen.

Damalige Opfer und andere Prozeßbeobachter sprachen nach dem Urteil von einer »Sensation«. »Das gibt den vielen Italienern und Ausländern den Mut zurück, die beim G-8-Gipfel schikaniert und verhaftet wurden«, sagte ein Engländer, der selbst in Genua verprügelt worden war. Zufrieden zeigte sich ebenso Haidi Giuliani, die Mutter des während des Gipfels von einem Polizisten erschossenen Aktivisten Carlo Giuliani.

Auch die kommunistische Partei Rifondazione Comunista begrüßte das Urteil. Die Demonstranten seien einer willkürlichen und mörderischen Gewalt ausgesetzt gewesen, dafür müßten die Täter nun bezahlen. Nie wieder dürfe in einer Demokratie ein solches Rechtsvakuum entstehen, in dem die Gesetze und die Verfassung außer Kraft gesetzt werde, wie dies beim G-8-Gipfel in Genua geschehen sei.

Weitergehende Konsequenzen aus dem Urteil will die Rechtsregierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der auch während der Übergriffe 2001 im Amt gewesen war, jedoch nicht ziehen. Sogar eine Entlassung der noch im Dienst befindlichen Polizisten, die nun verurteilt wurden, lehnte der stellvertretende italienische Innenminister Alfredo Mantovano ab. Die Beamten hätten nach wie vor das Vertrauen des Sicherheitsapparates und seines Ministeriums, sagte Mantovano und kündigte an, die Verurteilung der Polizisten beim obersten italienischen Gericht anfechten zu wollen.