2010-04-12
This call in english
Europa ist nicht deine Freundin
Die EU wird oft unterschätzt – auch in der radikalen Linken. Dabei werden auf EU-Ebene weitreichende Entscheidungen getroffen, die jeden auch nur in Ansätzen kritisch denkenden Menschen auf die Barrikaden treiben müssten. Der menschenverachtende Kampf gegen unerwünschte Migration wird ebenso auf europäischer Ebene organisiert wie Verbrechensbekämpfung oder militärische Katastrophenhilfe. An Kritik daran mangelt es bislang. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex ist inzwischen vielen ein Begriff und auch die “Ungehorsamkeit” des EU-Parlaments beim SWIFT-Abkommen ist vielleicht mittlerweile bekannt. Aber nur die wenigsten Menschen haben schon einmal etwas von INDECT oder EuroDac gehört. Was ist das Stockholm-Programm? Und warum sind auch langhaarige Softwareentwickler Teil der Rüstungsindustrie?
Wenn wieder einmal ein Gesetz, wie jüngst die Vorratsdatenspeicherung breit kritisiert oder sogar für in dieser Form nicht mit dem Grundgesetz kompatibel erklärt wird, ist der Verweis auf die EU oft immanent. Die Richtlinien kämen aus Brüssel und müssten nun national umgesetzt werden. Es ist also durchaus sinnvoll und folgerichtig, sich die Politik der EU genauer anzusehen. Neben ihrer neoliberal-neokolonialen Wirtschaftspolitik betreibt sie auch – weitgehend unbeachtet – einen massiven Ausbau der inneren und äußeren Sicherheit, um auch weiterhin ganz vorne mitspielen zu können: geostrategisch und ökonomisch, in Bezug auf Energie und Rohstoffe einerseits sowie auf sogenanntes “geistiges Eigentum” andererseits.
Know your enemy
Das Stockholmer Programm ist Ausdruck der Vorwärtsverrechtlichung und technischen Aufrüstung der EU. Es ist ein Fünf-Jahres-Plan gegen die Freiheit. Das Programm sieht unter anderem vor, dass Frontex seine eigene Infrastruktur bekommen soll. Neben der Ausrüstung, die Deutschland, Italien, Griechenland und andere den Grenzschützern zur Verfügung stellen, um damit Flüchtlinge zu jagen, soll diese Truppe also möglichst schnell eigene Boote, Drohnen, Helikopter und sonstiges Kriegsgerät erhalten. Und auch innerhalb der europäischen Grenzen wird kräftig aufgerüstet. Im Rahmen des INDECT Projekts wird die Strafverfolgung auf ein neues Level gehievt: Softwarebasierte Gefahrenanalysen sollen möglichst Verbrechen schon erkennen lassen, bevor sie begangen werden. Was wie Science Fiction klingt, wird als „predictive analytics“ bezeichnet und ist derzeit der Renner im Bereich der sogenannten Sicherheitsforschung. Für das INDECT Projekt sollen sämtliche verfügbaren Daten herangezogen werden, die irgendeinen Erkenntnisgewinn versprechen. Das beinhaltet unter anderem Aufnahmen von Verkehrs- und Überwachungskameras, Aktivitäten in Social Networks, Bankgeschäfte, Kundenprofile und selbstverständlich Daten, die Polizei, Staatsanwaltschaft und Geheimdienste schon haben. Um diese Daten nutzen zu können, wird auf neue komplexe Software zurückgegriffen, die mit unterschiedlichen Datenarten umgehen kann. Die gesamte Palette der Sicherheitspolitik dient dazu, die Gesellschaft in der EU zu kontrollieren und möglichst effizient als Lohnsklaven auszubeuten.
Die europäische Sicherheitsarchitektur schwebt aber nicht im luftleeren Raum, sondern wird von konkreten Akteuren getragen: Von Rüstungsfirmen – und dazu gehören insbesondere auch Softwarehersteller, Universitäten und Forschungseinrichtungen – die sich mit Innovationen im Bereich der Sicherheit und deren Infrastruktur Lorbeeren und jede Menge Geld verdienen wollen. Dass Deutschland bei den größten Schweinereien innerhalb der EU immer ganz vorne mit dabei ist überrascht ohnehin nicht.
Gerade jetzt im Angesicht multipler Krisen bestehen Ängste, die Kontrolle über die Bevölkerung zu verlieren. Da der Kapitalismus aber weiterhin nicht ohne Krisen funktionieren wird und die dabei entstehenden Kosten auch in Zukunft nicht von der herrschenden Klasse, und schon gar nicht von der in Europa gezahlt werden wollen, wird sicherheitstechnisch aufgerüstet.
…und Action!
Wir wollen mit unserer EU-kritischen Kettenkundgebung einige Knotenpunkte im Netz der europäischen Sicherheitsarchitektur aufzeigen und deren Akteure aus der Anonymität holen. Europa wurde viel zu lange als Gegenstand radikaler Kritik vernachlässigt. Unserer internationalen Analyse wollen wir mit lokalen Aktionen Taten folgen lassen. Gegen ihre Kritische Infrastruktur unsere Kritische Masse – gegen ihren proaktiven Ansatz unseren aktiven Kontrollverlust. Mit dem Fahrrad werden wir uns auf den Weg machen um kurz vor dem 1. Mai den Akteuren des Polizeikongresses, der Kriegsproduktion und der Politik noch einmal einen Besuch abzustatten. Denn ihr Krieg ist der Krieg gegen uns, deshalb:
Mobilmachung gegen die Europäische Union!
29.04.2010
16:30 | Vertretung der Europäischen Komission | U-Bahn-Station Brandenburger Tor
18:00 | SAP | Weinmeisterstraße/Rosenthaler Str.
19:00 | EADS | Potsdamer Platz
Out of Control Berlin