2009-12-16 

In Stahlkäfige gesperrt

Emily Apple, Guardian

Nur wenige haben sich gegen die Polizeiaktionen während des Klimagipfels in Kopenhagen gewehrt, doch massive Repressionen erfordern massiven Widerstand

In Großbritannien haben wir seit langen ein Problem mit Polizei-Präventionen. Ich selbst war bereits davon betroffen und bin dagegen zu Felde gezogen. Das Ausmaß, das mit 1.000 Festnahmen am Wochenende in Kopenhagen erreicht wurde, überschreitet aber bei weitem alles, was ich in Großbritannien bisher erlebt habe.

Pic: Copenhagen

Ich habe mich der Demonstration als Beobachterin angeschlossen, mein Ziel ist es, die Ereignisse zu dokumentieren und die Art und Weise, wie die dänische Polizei mit den Demonstranten umgeht, mit anderen Fällen zu vergleichen. Es gab eine große Gruppe von Menschen in schwarzen Kapuzen-Pullis, ein paar schwarze Flaggen wurden geschwenkt, aber soweit ich die Lage überblicken konnte, gab es zunächst keinen Ärger. Die Atmosphäre war gut und meine Freunde und ich unterhielten uns noch darüber, wie angenehm es sei, so wenig Polizisten bei einer so großen Demo zu sehen.

Der Umschwung kam ganz plötzlich – ich sah Menschen vorwärts rennen und während ich mich noch umdrehte, um nach der Ursache Ausschau zu halten, machte sich die Polizei die rasterförmige Anordnung der Straßen zunutze und kesselte einzelne Abschnitte des Demonstrationszuges ein. Sie fuhr mit Polizeibussen hindurch und setzte Bereitschaftspolizisten ein, um sicherzustellen, dass keiner rauskam. Der Kessel war eng, man konnte nur mit Mühe von einer Seite zur anderen gelangen. Die unterschiedlichsten Menschen waren zusammen eingekesselt: Eltern mit ihren Kindern, Hare Krishnas, Sozialisten und Anarchisten. Die einzige Verbindung zwischen ihnen war, dass sie nichts anderes getan hatten, als sich einer Demonstration anzuschließen.

Mit Handschellen gefesselt

Wir versuchten durch einen offenen Häuserblock aus dem Kessel herauszukommen. Auf der anderen Seite gelangten wir auf eine Straße, auf der Menschen, die mit Handschellen gefesselt waren, in einer Reihe saßen. Sobald die Polizisten bemerkten, dass wir diese Szene beobachteten, wurden wir gepackt, auf den Boden geworfen und festgenommen. Später sollten wir erfahren, dass auch alle anderen, die in dem Kessel waren, festgenommen wurden.

Meine Erfahrung weicht vermutlich von der Erfahrung der meisten anderen, die festgenommen wurden, ab, denn ich weigerte mich, still zu sitzen und mich in die Reihe derer einzugliedern, die darauf warteten, in Bussen abtransportiert zu werden. Ich weigerte mich, bei dieser beschämenden Prozedur mitzumachen. Es war alles andere als angenehm, ich trug Beulen und Blutergüsse und einen Schlag ins Gesicht davon, aber ich fühlte mich trotzdem stärker, weil ich Widerstand geleistet hatte, als wenn ich stundenlang unterwürfig gewartet hätte.

Massiven Repressionen muss mit massivem Widerstand begegnet werden. Wir müssen in der Lage sein, Nein zu sagen, wenn wir mit Polizeiaktionen dieser Größenordnung konfrontiert werden. Viele sahen verständlicher Weise verängstigt aus, für viele war es das erste Mal, dass sie verhaftet wurden. Eine Massenfestnahme in diesem Ausmaß ist jedoch nur möglich, wenn diejenigen, die festgenommen werden, kooperieren. Die Leute wurden nicht mit Gewalt gezwungen, sich in einer Reihe hinzusetzen, sie hätten sich bewegen können. Wo ich war, überstieg die Zahl der Festgenommenen die Zahl der Polizisten bei weitem. Wenn sich alle gewehrt hätten, wäre die Polizei damit nicht zurechtgekommen und es wäre ihr mit Sicherheit nicht möglich gewesen, so viele zu verhaften.

Komlizen der Unterdrückung

Bei denen, die in den Stahlkäfigen festgehalten wurden, war die Stimmung hingegen gut. Einige brachen die Türen ihrer Käfige auf und durch die große Lagerhalle schallten Geheul und Gesänge: „Kein Frieden ohne Gerechtigkeit! Fuck the police!“ Die Polizei verlor beinahe die Kontrolle über die Situation, sie musste die Bereitschaftspolizei und Hunde zu Hilfe holen. Hier zeigte sich, was möglich gewesen wäre, wenn mehr Demonstranten Widerstand geleistet hätten.

Unglücklicherweise sind wir allzu oft Komplizen bei unserer eigenen Unterdrückung. Oft fällt es zu schwer, uns der Kultur des Gehorsams und der Angst vor Repressalien zu widersetzen. Die Stärke, die wir empfinden, wenn wir uns widersetzen anstatt mitzuspielen, entschädigt aber für alle möglichen Konsequenzen.

Die Strategie der Dänen, so viele vorsorglich festzunehmen, wurde in der letzten Minute durchgewunken und war mit großer Wahrscheinlichkeit illegal. In Großbritannien werden wir mit der Taktik des Einkesselns wohl so schnell nicht wieder konfrontiert werden, dafür garantiert die Aufregung um den jüngsten Bericht der königlichen Aufsichtsbehörde über die Polizei (HMIC). Wo immer es notwenig sein wird, müssen wir auch in Zukunft bereit sein, uns solchen repressiven Polizeimaßnahmen zu widersetzen.

Übersetzung Christine Käppeler