2009-12-08 

Körting spricht von "rot lackierten Faschisten"

Von Hans H. Nibbrig und Stefan Schulz

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat ein deutliches Warnsignal gegenüber der Linkspartei gesetzt. Sie müsse sich entschiedener gegenüber extremistischer Gewalt abgrenzen, sagte er im parlamentarischen Innenausschuss – ohne den Koalitionspartner konkret zu benennen. “Ich meine, dass eine demokratische Partei es sich nicht leisten kann, auch nur in Teilbereichen ein gebrochenes Verhältnis zu Gewalt zu haben.”

Das bezieht sich offensichtlich auf einzelne Linken-Politiker, die in der Vergangenheit Demonstrationen angemeldet haben, bei denen es zu Straftaten gekommen war. Körting betonte, linksextreme Gewalt müsse von der gesamten Gesellschaft geächtet werden. “Das ist offensichtlich noch nicht Allgemeingut”, sagte er. “Auch ein Teil der Presse verniedlicht das, um es mal ganz deutlich zu sagen.”

Nach den nicht endenden Brandanschlägen auf Autos in Berlin hatten Linksextremisten in der Nacht zum vergangenen Freitag Brandflaschen und Steine auf die Berliner Außenstelle des Bundeskriminalamtes (BKA) geworfen. Farbbeutel flogen auch auf das Kanzleramt und Bundestagsbüros. Fast zeitgleich hatten Autonome in Hamburg Polizisten aus einer Wache gelockt und mit Steinen beworfen.
Neue Studie

Seit dem Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm im Jahr 2007 beobachte man eine Zunahme linksextremer Gewalt, sagte Körting.

Pic: Police car

Er erinnerte an ein Zitat des früheren SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher, der Kommunisten als “rot lackierte Faschisten” bezeichnet. “Das trifft auch auf Teile der linksextremen Szene zu”, sagte Körting in bislang ungekannter Klarheit. Er forderte die Bezirke auf, stärker gegen linke Gewalt vorzugehen. Er schlug einen Runden Tisch in den Bezirken vor. “Die erste Studie hat gezeigt, dass die Täter weitgehend in ihrem Kiez extremistische Straftaten verüben.” Einen Runden Tisch auf Landesebene, wie ihn die CDU fordert, lehnt Körting allerdings ab. Stattdessen bereite man eine zweite Studie zu linksextremistischer Gewalt vor. Das Papier werde vom Institut für Strafrecht der Freien Universität (FU) erstellt, sagte der Politiker, und soll die Tatmotive der Gewalttäter vom 1. Mai ergründen. Es sei schwer zu glauben, dass ein 54-jähriger türkischer Familienvater und ein Beamter der Bundespolizei, die bei den Maifeiern Steine warfen, der linken Szene angehörten, sagte Körting. Deswegen müsse man tiefer in die Beweggründe einsteigen – zumal ein Großteil der Täter bislang als “Trittbrettfahrer” gelten.

Kiezbezogene Überlegungen

Eine erste Studie zum Thema für den Zeitraum 2003 bis 2008 war im November vorgestellt worden. Die neue Untersuchung soll das Jahr 2009 beleuchten. Außerdem werde die Landeskommission gegen Gewalt im Dezember Konzepte zur Prävention von linksextremistischer Gewalt erarbeiten. Körting verspricht sich davon vor allem kiezbezogene Überlegungen. Künftig sollten Straftaten bereits vor ihrer Umsetzung erkannt werden.

Polizeipräsident Dieter Glietsch sagte, die Polizei bekämpfe “seit langer Zeit schon” die Brandanschläge auf Autos und Gebäude mit einer Zahl von Beamten in dreistelliger Höhe. “Wir machen alles, was politisch sinnvoll ist.” Dabei pflege man auch einen Informationsaustausch mit Hamburg, wo in der vergangenen Woche zeitgleich Anschläge verübt wurden. Die Innenpolitikerin der Linken, Marion Seelig, verurteilte die Angriffe in Hamburg und sagte, sie seien “an Perfidie schwerlich zu übertreffen”. Sie verteidigte aber die Anmeldung von Demonstrationen und sagte, Politiker ihrer Partei lehnten Gewalt strikt ab.

Der CDU-Abgeordnete Andreas Gram sprach von einer “bedenklichen Entwicklung” und warnte: “Der erste Tote wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.” Wenn Brandsätze in Häuser geworfen würden, gebe es irgendwann Schlimmeres als Sachschäden. Gram warf dem Senat vor, der Zunahme der Gewalt hilflos gegenüber zu stehen. Er kritisierte namentlich die Linke-Abgeordnete Evrim Baba, die eine Demonstration unter dem Motto “Gegen Nazis, Staat und Kapitalisten” angemeldet habe. Seine Fraktion bekenne sich ausdrücklich zum Staat und verstehe das Motto als “Affront gegen Abgeordnete”.

Der FDP-Innenpolitiker Björn Jotzo sagte: “Wir brauchen einen umfassenderen Ansatz als nur Aussagen zur Ächtung von Gewalt.” Es reiche nicht, ein “Mantra der Ächtung” vor sich her zu tragen. Polizeiabschnitte müssten besser ausgestattet werden. Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, forderte Innensenator Körting auf, konkrete Pläne gegen die Gewaltausbreitung zu benennen. “Mit einer Ächtungsorgie kommen wir nicht weiter.” Vielmehr sollte eine “Koalition der Vernünftigen und der Mitte” weiter daran arbeiten, extremistische Gewalt zu bekämpfen.

In der linksradikalen Szene wurden die jüngsten Anschläge geradezu euphorisch gefeiert, verbunden mit der stetig geäußerten Forderung, Aktionen dieser Art müsse es viel häufiger als bisher geben. Zentrales Thema ist auch die vor knapp zwei Wochen erfolgte Räumung des besetzten Hauses an der Brunnenstraße in Mitte. Unverhohlen wird seither nahezu täglich “Rache für die Brunnen” propagiert.

In den Beiträgen werden zudem unentwegt Argumentationshilfen geliefert, etwa warum Angriffe auf Polizeibeamte legitime Vorgehensweisen sind. Im Sprachgebrauch der gewaltbereiten Linken stellen Anschläge, gleich ob gegen Sachen oder Menschen, keineswegs Straftaten dar, sondern Aktionsformen. Immer wiederkehrender Tenor: Gewaltlose Proteste nützen nichts, nur Gewalt erzeugt Wirkung.

Neben den jüngsten Angriffen in Deutschland sind derzeit auch die Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei in mehreren griechischen Städten zentrales Thema in den linken Foren. Sowohl Autoren als auch Kommentatoren sind voll des Lobes über "den entschlossenen Kampf der griechischen GenossInnen. Dort wird immer wieder die Forderung erhoben, diese Form des “Protestes” sei auch in Deutschland zwingend geboten. Zugleich wird dazu aufgerufen, durch gewaltsame Attacken “Solidarität mit den griechischen Aktivisten” zu zeigen. Unterdessen hat die Polizei auf die Hamburger Anschläge reagiert. Für Hinweise auf die Täter setzte das Landeskriminalamt der Hansestadt eine Belohnung von 5000 Euro aus.