2009-11-21
Pressemitteilung ROTE HILFE e. V. | Bundesvorstand
Bei den Protesten gegen den NATO-Gipfel, der Anfang April in Strasbourg und Kehl stattfand, ging die Polizei insbesondere auf der französischen Seite mit brutaler Härte gegen DemonstrantInnen vor. Durch massive Tränengas- und Knüppeleinsätze wurden Hunderte von NATO-GegnerInnen verletzt, Dutzende wurden festgenommen. In mehreren Schnellverfahren, die eine sinnvolle Verteidigung praktisch unmöglich machen und sämtliche rechtsstaatlichen Grundsätze komplett über Bord werfen, wurden Haft- und Bewährungsstrafen verhängt, darunter auch gegen mehrere aus Deutschland stammende Aktivisten.
Nach mehreren Prozessen gegen zum Teil schon seit Monaten in U-Haft sitzende Aktivisten ging nun am 16.11.2009 vor dem Tribunal de Grande in Strasbourg der Prozess gegen zwei Rostocker zu Ende. Das Urteil: Jeweils eine Haftstrafe von vier Jahren, von der nur ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt ist.
Ihnen war vorgeworfen worden, während der Proteste gegen den mit massiver Staatsgewalt durchgesetzten NATO-Gipfel die Zollstation auf französischer Seite in Brand gesetzt zu haben. Obwohl den 18- und 21-Jährigen zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen werden konnte, Urheber dieses Zollstationsbrandes gewesen zu sein, legte das Gericht bei der so genannten Beweisaufnahme den justiziellen Fokus auf die Bewertung der zum Tatzeitpunkt festzustellenden Gesamtumstände. Um daraus nach kurzer Verhandlungsdauer den Schluss zu ziehen, dass das von den beiden Angeklagten eingeräumte affektartige Anzünden eines Holzteils (im bereits brennenden Gebäude) Menschen in Gefahr gebracht habe. Zum Zeitpunkt des Brandes befanden sich aber keine Personen im Gebäude; außerdem verwehrte die französische Polizei der Feuerwehr die Zufahrt zum Löschen.
Bei diesem ganzen Schauprozess, der von einseitiger Beweiswürdigung geprägt war, ist mehrfach deutlich geworden, dass der politische, von höchster Stelle abgesegnete Wille, das bisher härteste Urteil zu sprechen, judikativ durchgesetzt werden sollte, um die linke GegnerInnenschaft zu imperialistischen Kriegen per se zu kriminalisieren und die Anti-NATO-Protestkultur als ganze zu diskreditieren. Besonders offensichtlich wurde dies in den verschwörungstheoretisch basierten Vermutungen des zuständigen Staatsanwalts, dass hinter der Tat der beiden Rostocker eine kriminelle Vereinigung stecke, bei der es sich um den „Black Block“ handle…
Die beiden Rostocker Genossen sind zwei weitere Sündenböcke, die der französische Staat braucht, um sich als Mitveranstalter des NATO-Jubiläumsgipfels nachträglich in ein besseres Licht rücken und sich fürderhin als Kontrollmacht präsentieren zu können, die die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung letzten Endes doch im Griff hat. Außerdem fiel dieses politische Urteil auch deswegen so hoch aus, „um der in diesem Fall gegen eine unbekannte kriminelle Gruppe ermittelnden Rostocker Staatsanwaltschaft im Nachhinein noch eine juristische Rechtfertigung für deren völlig überzogene Ermittlungsmethoden zu liefern. Derzeit lässt die Rostocker Staatsanwaltschaft Zwangsgeld verhängen und droht einzelnen FriedensaktivistInnen mit Zwangshaft, um die TeilnehmerInnenliste der Busreise nach Strasbourg zu bekommen.“ (aus der Presseerklärung des Legal Team)
Die Rote Hilfe ist entsetzt über dieses Gesinnungsurteil und fordert die sofortige Freilassung aller inhaftierten Aktivisten und die Einstellung aller noch laufenden Verfahren!
Wir werden der staatlichen Repression unsere stärkste Waffe entgegensetzen: die Solidarität.
Unterstützt die politischen Gefangenen und alle Angeklagten durch Öffentlichkeitsarbeit, Spenden und Soli-Aktionen!
Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V.
ROTE HILFE e. V. | Bundesvorstand
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Göttingen, den 20.11.2009