2009-10-11 

Ein "politisches" Urteil, das die Wahrheit über die tragischen Tage von Genua mit Füßen tritt

Von Luigi Giampaolo, Angehöriger des Parteivorstands PRC-SE, Ressort Demokratie und Institutionen und Italo Di Sabato, verantwortlicher Leiter des PRC-SE Beobachtungszentrums “Osservatorio sulla repressione”.

Der Appellhof von Genua hat, einen Tag nach dem der ehemalige Polizeichef Gianni De Gennaro frei gesprochen wurde das Urteil im Verfahren gegen 25 der Verwüstung und Plünderung währen des G8 2001 beschuldigten Demonstranten gefällt. Obschon die Zahl der Verurteilungen von 24 auf 10 gesunken ist, haben die Richter der zweiten Instanz die Strafmaße merklich erhöht.

Ein unter dem Gesichtspunkt demokraticher Garantien gefährliches Urteil, weil der Straftabestabd der Verwüstung und Plünderung, ein gegen 10 Angeklagte verhängtes Urteil, jetzt, wo er im Kontext politischer Demonstrationen angewendet wurde, zu einem Instrument wird, das sich für autoritäre Logiken der Nivellierung des Dissenses und des sozialen Konflikts eignet. Es handelt sich zudem um eine Straftatumschreibung, die schwer greifbar und sehr fragwürdig ist. Wer vermag es nämlich, mit Sicherheit die Grenze zwischen der “einfachen”, mit vernünftigen Strafmaßen belegten Sachbeschädigung und Verwüstung und Plünderung ziehen? Es handelt sich um eine in der demokratischen Rechtsordnung verborgene Tarnnorm, die aber nach einer Logik zur Anwendung kommen kann, dioe demokratisch nicht ist.

Bild: Carabinieri

Ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht – der Appellhof von Genua hat einer autoritären Auffassung von Strafe entsprochen. Die 10 wegen Verwüstung und Plünderung Angeklagten und Verurteilten wurden mittels Bildern und Filmen in einem Abstand von etlichen Monaten identifiziert und man hat ihnen eine Stratat vorgeworfen, an die sich in den Sälen der Justizpaläste niemand mehr erinnerte, das sie in den letzten Jahren lediglich in seltenen Fällen in Zusammenhang mit Randaleaktionen von Fußballfangruppen – und nie in Zusammenhang mit Demonstrationen – zur Anwendung kam.

Hier kommt man zum “präventiven Racheakt”. in den langen acht Jahren, haben wir gesagt, dass man die Dinge beim Namen nennen sollte, so sagen wir folglich, dass es sich bei den Verfahren in Genua um politische Verfahren handelt. Sie sind es, weil der G8 2001 einen Wendepunkt in der jüngeren Geschichte Italiens dargestellt hat und weil sie wegen den offenkundigen und wiederholten Verletzungen der Verfassungsrechtlich verbrieften Ordnung die höchsten Spitzenränge der Ordnungskräfte und die politische Macht auf den Plan gerufen haben. All das, was sich in den vergangenen Jahren in den Sälen des genuesischen Gerichtshofes und, auf der politischen Ebene, rund um die Ereignisse beim G8 zugetragen hat, stellt einen offensichtlichen Verrat an das Wort und an den Geist der Verfassung dar. In Genua wurden über mehrere Tage die verfassungsrechtlich verbrieften Rechte außer Kraft gesetzt und dem Rachtsstaat abgeschworen. Wäre die Verfassung etwas lebendiges, das Tag für Tag unser öffentliches Leben prägt, wären die Folgen von Genua einem juristischen und politischen Katastrophenereignis gleich gekommen. Wir hätten die Bürger um Entschuldigung bittende Minister und Ministerpräsidenten erlebt – für alle von den Ordnungskräften begangenen Übertretungen. Sämtliche in die OIperationen verwickelte Beamte währen suspendiert worden, die höchsten leitenden Beamten hätt man entfernt. Manchen hätte man sogar entlassen. Das Parlament hätte eine Untersuchung eingeleitet und Gesetze zur Reform der Ordnungskräfte entworfen. Das Thema der bürgerlichen Freiheiten und des Rechts auf Dissens wäre als ein echter demokratischer Notstand aufgefasst worden. Wie wir wohl wissen, ist von all dem nichts geschehen.

Die Wahrheit ist, dass unsere Verfassung in Gefahr ist. Sie belbt nicht länger den institutionellen Geist, sie ist nicht länger der Leuchtturm, der das Parlament, die Gerichtshöfe und das tägliche Leben erhellt. Ist noch Zeit, um den Schaden zu beheben? Wir alle hoffen es – wir müssen die Dinge aber wirklich bei ihrem Namen nennen und uns alle über das klar sein, was auf dem Spiel steht: die Zukunft, wenn nicht schon die Gegenwart der verfassunsrechtlichen Garantien.