2009-10-09 

Italien: Freispruch für »Auftraggeber«

Absolution für Expolizeichef nach Gewalt gegen Demonstranten bei G-8-Gipfel in Genua 2001

Von Micaela Taroni, Rom

Der ehemalige italienische Polizeichef Gianni De Gennaro ist am Mittwoch von einem Gericht in Genua vom Vorwurf der Anstiftung zu Falschaussagen in den Ermittlungen über den G-8-Gipfel im Juli 2001 freigesprochen worden. De Gennaro war beschuldigt worden, den damaligen Polizeichef von Genua, Francesco Colucci, zu Falschaussagen über die Aktion der Polizei beim G-8-Gipfel bewegt zu haben. Mehrere Polizisten waren wegen Gewaltexzessen gegen Globalisierungsgegner vor Gericht gelandet.

Die Staatsanwaltschaft von Genua hatte für De Gennaro zwei Jahre Haft beantragt. Wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe war De Gennaro 2007 von seinem Posten als Polizeichef abberufen worden.

Bild: BBC

Der Freispruch löste hitzige Reaktionen aus. »De Gennaros Freispruch im Prozeß in Genua bezeugt die tiefe Krise, die die italienische Demokratie erlebt. Wir leben in einem Land, in dem genau wie bei den neofaschistischen Anschlägen in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren und bei den Mafia-Attentaten die Auftraggeber immer freigesprochen werden«, sagte der Generalsekretär der Rifondazione Comunista, Paolo Ferrero.

Der Freispruch wurde auch von Heidi Giuliani, Mutter des bei den Krawallen in Genua von einem Polizisten getöteten Globalisierungsgegner Carlo Giuliani, verurteilt. »Dieses Urteil wundert mich nicht. De Gennaro gehört zur Kategorie der Unangreifbaren in unserem Land. Nach dem G-8-Gipfel in Genua hat er eine glänzende Karriere gemacht. Es war vorhersehbar, daß eine Person, die die Geheimdienste geführt hat, freigesprochen wird. Leider war der Kampf um Gerechtigkeit über die Ereignisse in Genua ein von Anfang an verlorener Kampf«, sagte Heidi Giuliani.

Im November 2008 war bei einem Prozeß nach brutalen Übergriffen der Polizei auf Globalisierungsgegner während des G-8-Gipfels in Genua mehr als die Hälfte der 29 Angeklagten freigesprochen worden. Unter den 16 Freigesprochenen waren auch drei Polizeibeamte, die damals in führenden Positionen waren. Zu insgesamt 35 Jahren und sieben Monaten Haft verurteilte das Gericht in Genua die übrigen 13 Angeklagten.

Es ging um schwere Übergriffe in einer als Herberge von Demonstranten dienenden Schule. Die Staatsanwaltschaft hatte nach dem jahrelangen Verfahren teilweise klar höhere Strafen gefordert und auch die angeklagte Leitung der Einsatzkräfte nicht ausgenommen.

Während der von massiven Krawallen geprägten Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei waren am Rande des G-8-Gipfels Ordnungskräfte in die Schule eingedrungen. Dabei wurden mehr als 60 Demonstranten verletzt, mehrere von ihnen schwer. Bei den gewaltsamen Kundgebungen gegen den Gipfel und der harten Reaktion der italienischen Polizei kam auch Carlo Giuliani ums Leben. Er wurde von dem Polizisten Mario Placanica durch einen Schuß in den Kopf getötet.