2009-10-06
Soliarbeit für die inhaftierten Anti-NATO -AktivistInnen
Das große Ganze und die Dinge, die getan werden müssen Zur Soliarbeit gehört auch, das Thema Knast und Informationen über die Verurteilungs- und Haftumstände an die Öffentlichkeit zu bringen. Wenn wir dabei von den Gefangenen geschriebene Texte weitergeben können, umso besser – indem wir publizieren, was sie nicht publizieren können, geben wir ihnen ein Stück Handlungsfähigkeit zurück. Wenn die Gefangenen in der Zeitung etwas über »ihr« Thema oder sogar etwas von ihnen Geschriebenes finden, gibt ihnen das, hoffen wir, ein bisschen Kraft. Nicht zu vergessen ist ganz praktische Unterstützung, etwa finanzielle. Eine Menge Geld muss rangeschafft werden für Prozesskosten, für Nahrungsmittelergänzung, Briefmarken und andere Sachen, die die Gefangenen im Knast bestellen können …
Soliarbeit hat viel mit Kontinuität zu tun: Ein NATO-Gipfel ist nach ein paar Tagen vorbei, ein Weilchen ist die mit dem »Event« verbundene Repression noch von Interesse – bald jedoch steht das nächste große Ereignis vor der Tür, und diejenigen, die noch immer im Knast sitzen, scheinen in Vergessenheit zu geraten … Sollen sie aber nicht – und werden sie nicht. Solidarität ist ein Durchbrechen der durch den Knast hervorgebrachten Isolation.
Informationsfluss ist der Knackpunkt – und zwar in nahezu jeglichem Sinne. Wenn man in Deutschland Soliarbeit für Leute macht, die hinter französischen Gardinen sitzen, stellt sich das Sprachproblem. Weil wir kaum Erfahrungen mit dem französischen Rechtssystem haben, ist es schwer, Situationen einzuschätzen – vor allem wenn es darum geht, die Gefangenen mit Informationen und Ratschlägen zu versorgen. Das betrifft auch ganz alltägliche Angelegenheiten. Wo müssen Besuchsanträge gestellt werden? Was darf auf welchem Wege in den Knast geschickt werden?
Da es nicht nur verschiedene, sondern zum Teil auch widersprechende offizielle Informationen dazu gab, hat sich in der Praxis die Strategie, einfach alles mal auszuprobieren, als durchaus zielführend erwiesen.
Dem Stille-Post-Effekt entgegenwirken
Was uns immer wieder erstaunt, ist der Stille-Post-Effekt: Vor allem in der Anfangsphase verbreiteten sich ganz schnell unabgesicherte Informationen, von denen am Ende keineR mehr so richtig die Quelle bestimmen konnte. Dass manche Medien ohnehin aus Vorwürfen Tatsachen und aus DemonstrantInnen RandaliererInnen machen, überrascht nicht. Unsere positive Erfahrung ist jedoch, dass gute und schnelle Öffentlichkeitsarbeit unsererseits dazu führte, dass von Presseseite aus auf diese Informationen zurückgegriffen wurde.
Ansonsten besteht auch in unserer Arbeit das Problem, dass engagierte Leute nur begrenzte Kapazitäten haben – nicht nur, weil es viele Themen gibt, die nach Engagement verlangen, sondern auch, weil die Leute noch Lohnarbeit verrichten müssen …
Einige Gefangene sind bereits wieder draußen, einige müssen noch etwas länger auf ihre Entlassung, teils sogar auf ihre Prozesse, warten. Für uns ist mit der Freilassung »unserer« Gefangenen die Arbeit noch lange nicht getan – denn das System, das ihnen monatelang ihr Recht auf Selbstbestimmung stahl, bleibt auch nach ihrer Freilassung noch bestehen. Und sie sind schließlich nicht die Einzigen, die die Isolation des Knastes erfahren – deshalb, wie es einige Gefangene in einem Brief ausdrücken: Solidarität yeah!
breakout!
Während des NATO-Gipfels Anfang April 2009 in Strasbourg wurden viele AktivistInnen festgenommen, einige davon, teils in Schnellverfahren ohne Beweisaufnahme, zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt. Zwei Menschen sitzen immer noch in Untersuchungshaft. Die Konstruiertheit der Vorwürfe gegen die Inhaftierten legt nahe, dass es sich hier um politische Urteile handelte, mit denen an einigen zufällig herausgegriffenen Personen ein Exempel statuiert werden soll.
Um die Gefangenen zu unterstützen und auf ihre Situation aufmerksam zu machen, haben sich Menschen in Deutschland und Frankreich zusammengefunden. Für ihr Engagement gibt es diverse Beweggründe. Deshalb ist es schwierig, ein kollektives Selbstverständnis zu beschreiben – das im Folgenden verwendete »wir« ist also keineswegs absolut.
Solidarität ist für uns vor allem das, was die Gefangenen als solche erleben. In Briefen beschreiben sie, wie wichtig es für sie ist, Solidarität von außen zu erfahren – und dadurch ein bisschen weniger isoliert zu sein. Briefe haben in dieser abgeschotteten Situation eine große Bedeutung, wie alles, was eine Verbindung zwischen »draußen« und »drinnen« schafft