2009-07-21 

Zuviel Konfusion in der Organisation

Interview mit Chris Sol, einem holländischen Aktivisten, der nach Rom gekommen ist um gegen die Großen zu protestieren

Der No Global-Veteran: Die Epoche der Gegengipfel ist zu Ende. Wir müssen uns neu erfinden

Paolo Gerbaudo

Wenige waren sie und verwirrt. Und doch stellen sie einen beträchtlichen Teil des kleinen Häufleins, das sich in der Via Barberini zum Protest vor der amerikanischen Botschaft versammelt, die von einem beeindruckenden Polizeiaufgebot gesichert wird. Die ausländischen Aktivisten, die nach Rom gekommen sind, um gegen die G8 zu protestieren, verbergen ihre Enttäuschung über eine Mobilisierung, die weit geringer erscheint als ähnliche vorangegangene Demonstrationen, nicht. Unter den kleinen Grüppchen französischer, spanischer, deutscher und griechischer Aktivisten, die sich gestern mit den italienischen Demonstranten vereinten, war auch Chris Sol, ein holländischer Aktivist und Veteran der Antiglobalisierungsbewegung, der seit Prag ((September 2000)) an allen großen, globalen Protesten teilgenommen hat. „Es ist ein bisschen traurig hier zu sein“, behauptet Chris auf einer Kundgebung, die vom Aufgebot der Bereitschaftspolizei überwältigt ist. „Es scheint als ob wir wirklich am Ende eines Weges angelangt sind. Es ist notwendig die Protestformen und die Herangehensweise an die Leute neu zu erfinden.“

Pic: Italy

Wie ist Dein Eindruck angesichts dieses eher schmucklosen Protests?

„Wir müssen abwarten, was in den kommenden Tagen passiert und welche Aktionen es gibt. Aber ich glaube, dass für jeden, der diese Demonstration erlebt und die Anzahl der Leute sieht, die auf die Straße gegangen sind, leider klar ist, dass in Italien seit ((den Anti-G8-Protesten in Genua im Juli)) 2001 viel geschehen ist und dass sich die Bewegung in einer Phase großer Schwäche befindet. Das ist schade, auch weil in Italien die Bewegung gegen die Globalisierung in der Vergangenheit sehr stark war. Darüber hinaus ist, wenn man sieht, wie sich die Polizei verhält, klar, dass sie den Demonstranten keinerlei Raum lassen wollen und dass sie das Demonstrationsrecht in drastischer Weise beschränken.“

Wie erleben die ausländischen Aktivisten, die Du in Rom getroffen hast, diese Mobilisierung?

„Verglichen mit anderen Mobilisierungen, an denen ich teilgenommen habe (Prag, Genua, Gleneagles, Heiligendamm und viele andere) unterscheidet sich die Situation hier vom Gesichtspunkt der Mobilisierung auf internationaler Ebene. Sicher gibt es Leute, die aus vielen verschiedenen Ländern kommen. Ich persönlich habe heute Leute getroffen, die aus mindestens zehn verschiedenen Ländern kamen. Aber es handelt sich um sehr kleine Gruppen. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass es in der Vorbereitungsphase für die Proteste sehr viel Konfusion gab und es für uns internationale Aktivisten schwer zu verstehen ist, was hier abgelaufen ist. Man spürt ein Fehlen der Infrastruktur und der organisatorischen Netzwerke, die es bei anderen Protesten gegen die G8 gab.“

Was erwartest Du Dir von den Demonstrationen der kommenden Tage?

„Ich bin neugierig auf das, was passiert und wünsche mir, dass sich viel mehr Menschen daran beteiligen. Viel wird davon abhängen, wie die so genannten ‚dezentralisierten Aktionen’ in den nächsten Tagen ablaufen. Aber um die Wahrheit zu sagen, bin ich von dieser Strategie nicht besonders überzeugt, weil dies zu oft die Entschuldigung ist, um nichts zu tun und sich damit zu rechtfertigen, dass es ja doch nur Wenige wären. Ich glaube, dass man weiterhin Momente der Massenbeteiligung braucht, in denen alle zusammenkommen, wenn wir auf Sichtbarkeit und Wirkung Wert legen.“

Erleben wir derzeit die letzten Atemzüge der Antiglobalisierungsbewegung?

„Ich weiß nicht, ob es sich um das Ende der Antiglobalisierungsbewegung als solcher handelt, aber das Format des Gegengipfels scheint sich erschöpft zu haben. Ich glaube, dass der Augenblick gekommen ist, um die Praktiken und die Organisationsmodelle zu erneuern, wenn wir eine neue Bresche in die öffentliche Meinung schlagen wollen. Man muss den Mut haben, ganz neu anzufangen, ohne dabei die transnationale Dimension zu verlieren, die die grundlegende Komponente der Kämpfe gegen die neoliberale Globalisierung war.“

((Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in doppelten Klammern: * Rosso))