2009-07-06
Aus Brüssel SUSANNE GÖTZE
Seit dem G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 steht der Klimaschutz ganz oben auf der Agenda des jährlichen Treffens der reichsten Industrieländer. Damals hatten die Medien das G8-Treffen als große „Klimashow“ betitelt. Eine Show ist das Treffen auf jeden Fall, denn was die G8 während ihres Plauderstündchen beschließen oder nicht, ist weder verbindlich noch besonders ausschlaggebend für den nationalen Politikalltag.
Das Treffen wurde 1975 als Kamingespräch zwischen den führenden industrialisierten Ländern der Welt konzipiert und ist es bis heute – mit einigem Zuwachs – auch geblieben. Auf ihrem Treffen widmen sich die Kanzler und Präsidenten traditionell wirtschaftlichen Themen. In den letzten Jahren wurden aber vordergründig vor allem soziale und umweltpolitische Probleme diskutiert – nicht zuletzt, um das Image der G8 aufzupolieren.
So ist es kaum verwunderlich, dass die G8 auf der Klimawelle mitschwimmen und sich neben ihrem Heilsbringer-Image in der Entwicklungspolitik nun auch noch eine Klimaschutz-Maskerade auflegen. Was die großen Worte bis jetzt gebracht haben, zeigen exemplarisch die mageren Fortschritte in der Entwicklungspolitik. Nach einer kürzlich veröffentlichten Bilanz der entwicklungspolitischen Organisation ONE, hat sich seit den großen Versprechen, die 2005 auf dem G8 im schottischen Gleneagles gegeben wurden, nur wenig getan. Damals gab es – begleitend zum Gipfel – die große „Make-Poverty-History-Kampagne“, die von Künstlern und NGOs initiiert wurde (parallel dazu titelten die Gipfelgegener allerdings „Make Capitalism History“). Nach dem ONE-Bericht haben die G8-Staaten bisher nur ein Drittel der versprochenen finanziellen Hilfen für die Entwicklungsarbeit auch tatsächlich bereitgestellt. Nur 7 Milliarden Dollar der bis 2010 angekündigten jährlichen Erhöhung auf 21,5 Milliarden Dollar. Deutschland gibt nur rund 30 Prozent der Gelder raus, absolute Schlusslichter sind Italien und Frankreich.
Doch nicht nur das Brechen konkreter Zusagen (hier zeigt sich die „Verbindlichkeit“ der G8-Beschlüsse), sondern auch ihre alltägliche Politik entlarvt die Doppelzüngigkeit der G8. So ist es scheinheilig, großzügig Milliardenhilfen „für die Armen dieser Welt“ anzukündigen aber – wie auch die Organisation ONE betont - nichts zu unternehmen, um strukturelle Ungerechtigkeiten, beispielsweise im Welthandel zu beseitigen, der täglich tausende Kleinbauern und Fischer ins Elend treibt.
Beim Klima sieht es ähnlich aus: In der Abschlusserklärung der G8 in Heiligendamm wurde erklärt, dass man bis 2050 die Treibhausgasemissionen auf mindestens die Hälfte reduzieren wolle. Diese Ankündigungen kosten die G8 ja nichts. Seitdem sind zwar in der EU und nun auch in den USA nationale Klimaziele- und Strategien vereinbart worden aber diese reichen bekanntermaßen kaum aus, um das G8-Ziel zu erreichen oder die Zunahme der globalen Durchschnittstemperatur unter den viel beschworenen zwei Grad zu halten. Zudem sind auch hier in den letzten Jahren nur Ziele vereinbart worden – eine maßgebliche Reduktion der Emissionen gab es bis jetzt noch nicht. Und wenn schon bei den nationalen und gesetzlich verbindlichen Klimazielen gezweifelt wird, dann sind die Ankündigungen der G8 wohl kaum das Papier wert auf dem sie stehen.
Deshalb ist es beim diesjährigen Gipfel sehr unglaubwürdig schon wieder anzukündigen, dass man sich auf „wichtige Vorgaben im Klimaschutz“ einigen wolle. Die G8 könnten – so die Verhandlungsführer – sich auf das Ziel festlegen, den Temperaturanstieg in den kommenden Jahren auf zwei Grad zu begrenzen und die CO2-Emissionen bis 2050 zu halbieren. Das kommt dem Leser bekannt vor. Neu ist lediglich, dass Kanzlerin Merkel ankündigte , es ei sinnvoll in Sachen Klima auch die Schwellenländer mit am Kamin zu haben. Diese Woche wird dann wohl die Klimashow II stattfinden.
Doch selbst innerhalb der deutschen Regierung scheint man die G8 als großen „Ankündigungsverein“ langsam satt zu haben. So bemerkte Umweltminister Gabriel letzte Woche, dass die G8 endlich mehr tun müssten, als sich zum x-ten Mal darauf zu verständigen, dass etwas zu tun sei. Auch Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul forderte die Staaten – vor allem Gastgeber Italien und Frankreich - dazu auf, die gegebenen Versprechen auch einzuhalten.
G8 als Hochsicherungstrakt: Auch dieses Jahr werden wieder Millionen Euro für die Absicherung des Treffens ausgegeben
In diesem Jahr treffen sich die G8 vom 8. bis 10. Juli im italienischen L'Aquila. Berlusconi hat das Treffen zynischerweise kurzfristig vom schönen Sardinien in das Erdbebengebiet der Abruzzen verlegt – abgeblich, um „Solidarität mit den Betroffenen“ zu zeigen. Im April erschütterte die Region ein Erdbeben, das hunderte Tote forderte. Die Einwohner sind allerdings alles andere als erfreut über den hohen Besuch. Sie fürchten den herannahenden Winter und haben Angst, dass ihre Häuser nicht rechtzeitig fertig werden. Matthias Monroy vom Infoportal Gipfelsoli erklärte, dass an die 30.000 Leute in „provisorischen, militarisierten Camps“ leben würden: „Sie erhalten bei weitem nicht die Entschädigungen, die ihnen versprochen wurden. Oft werden ihre Häuser an Orten wieder aufgebaut, wo sie gar nicht leben wollen und es wurden Hilfen gestrichen“.
Auch die Proteste gegen den G8 laufen dieses Mal nicht rund. Die Linke in Italien ist gespalten und paralysiert, meint Matthias Monroy. Träger für eine internationale Mobilisierung gebe es nicht. Eine Umweltbewegung - wie in Deutschland - , die gegen den G8 mobil machen könnte, hat Italien ebenfalls nicht. Deshalb reisen zwar Aktivisten aus ganz Europa nach L`Aquila aber sie werden wohl kaum eine regionale Protestinfrastruktur wie in Heiligendamm oder Gleneagles vorfinden. So wird der Protest – ganz nach italienischer Manier – wohl eher spontan und dezentral stattfinden.
Seit Genua 2001 ist es für viele Aktive aus der Umwelt- und Globalisierungskritischen Bewegung zum Muss geworden, gegen das Treffen zu demonstrieren. Sie machen nicht nur gegen die Politik der acht Länder mobil, sondern auch gegen die Institution selbst. In keinem Verhältnis stünden beispielsweise die Ergebnisse des Treffens zu seinen Kosten, so die Kritik. Millionen Euro kostet jedes Jahr allein die Sicherung des Tagungsgeländes.
Ein erstes Zeichen wäre es also, die ganze Sache ausfallen zu lassen und das Geld endlich für die Zusagen auszugeben, die in den letzten zehn Jahren gemacht wurden.