2009-07-02 

4. Juli besetzt

Am Vorabend der Demomstration am Samstag ist das erklärte Ziel der No Dal Molin* die symbolische Invasion der Grundstücke auf denen für den Bau des Stützpunkts gebaut wird. Im Namen der Unabhängigkeit der USA.

von Orsola Casagrande

Es wird eine große palladische Basilika sein, die am Samstag die No Dal Molin Demonstration eröffnet**. Die Organisatoren der Demonstration haben nämlich beschlossen, dass sie das Symbol der Stadt Vicenza und des auf dem Territorium befindlichen Unesco Weltkulturguts in der ersten Reihe mitlaufen lassen werden. Vor zwei Jahren war jene Basilika durch die Bürger, die gegen das US-Vorhaben, einen neuen Militärstützpunkt zu bauen symbolisch besetzt worden.

Pic: No Dal Molin

Eine Besetzung, die für den Willen, die Kunst- und Kulturbestände der berischen Stadt vor der Verwüstung durch militärische Knechtschaften zu wahren stand. Der dem kriegerischen Willensgehalt von Projekten, die Orte, an denen sie sich ansiedeln verwüsten und jene zerstören, von denen sie faktisch die Umsetzung werden entgengesetzte Kulturschatz eines Territoriums***.

Samstag wird ein Tag starken Protests und standhaften Einforderns eines auf vielfältige Weise artikulierten Neins sein. Nein der Verwüstung der Unwelt, eben. Nein dem Krieg, nein der fremden aber auch lokalen Arroganz, da es das unterwürfige ja Italiens gewesen ist, das es den Amerikanern erlaubt hat, mit der Besatzung eines weiteren Teils der Stadt fort zu fahren. Nein also denen, die nicht als Gewalt imaginieren können, um Geld zu machen. weil es letztlich darum geht, wie die Leute vom Presidio Permanente**** betonen. Die wahl des 4. Juli ist eindeutig nicht zufällig. Der Independence Day in Amerika, der hier in Vicenza Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten wird. Auch deshalb wird man am Samstag wirklich versuchen, das Dal Molin zu entern. "nicht, dass un´s der Gedanke, Tore und Zäune zu überwinden sonderlich gefallen würde", sagt Marco Palma vom Presidio Permanente. "Auf der Straße hätten weit lieber mit Musik und Tänzen die Demokratie gefeiert. Bis jetzt aber hat es keine Demokratie gegeben, was wir zur Kenntnis nehmen müssen". "Das Fest, das wir dennoch auf jeden Fall organisieren werden", muss man daher "verschieben". Am Samstag ist das Ziel also das Entern des Dal Molin, um Tausend Banner, die für Unabhängigkeit stehen, aufzustellen.

"Das Dal Molin zu entern", sagen die vom Presidio permanente, "bedeutet, der Stadt Palladios ihre mit Füßen getretene Würde zurück zu geben, aber auch, mit Entschlossenheit, den Unterschied zwischen dem Dasein als Gemeinschaftsmitglieder, die wir sein wollen, und dem Dasein als Untertanen der turnusmäßigen Regierung wieder her zu stellen". Was in Vicenza noch vor dem Grundwasser und dem Territorium auf dem Spiel steht ist nämlich "die reale Chance für uns Frauen und Männer, auf die Zukunft unserer Dörfer, Viertel und Städte zu nehmen", heißt es aus dem Präsidium. Das Dal Molin zu betreten bedeutet also auch, den Kopf zu erheben. "Das bedeutet auch die Behauptung der Tatsache, dass eine Regierungspraxis, die auf Zwang und Ausgrenzung und auf Ausschluss gründet in unserer Geneinschaft kein Bleiberecht hat und das ein Recht wieder behauptet wird, das, bereits Spinoza anerkannte, wenn wir einge Jahrhunderte zurück schauen, als er schrieb, dass es im Angesicht einer ungerechten Gesetzgebung legitim ist, dass sich das Volk gegen den Herrscher erhebt", sagt Marco Palma.

Die berische Stadt mobilisaiert sich seit 36 Monaten. Die Bürger haben ihre Gegnerschaft auf verschiedenste Weise zum Ausdruck gebracht, sie sind auf die Straße gegangen, aber sie haben auch Praktiken von anderen Bewegungen übernommen, wie die der No Tav, in erster Linie, als die an Dal Molin angrenzenden Grundstücke zum Verkauf geboten wurden. Um ein weiteres unnützes Projekt zu blockieren, haben die No Tav aus dem Susa-Tal, die wie bei jedem anderen Anlass natürlich in Vicenza sein werden, Grundstücke gekauft, durch die die Hochgeschwindigkeitsbahn hindurch soll.

In Vicenza hat es Petitionen gegeben, Demonstrationen unter Beteiligung einer Multitude von Frauen und Männern, Studien, symbolische Aktionen, Gerichtsverfahren, sagt Marco Palma. All das wurde von denen, die am Reißbrett beschlossen haben, dass in dieser Stadt ein neuer Militärstützpunkt eingerichtet werden soll ignoriert, behindert, kriminalisiert. Die Demokratie ist von einer partizipativen Praktik in einen Bürokratieakt umgewandelt worden, bei dem der Stempel einer gefälligen regierung genügt, um den Bau eines Kriegsstützpunkts in einem fragilen Territorium mit einem empfimdlichen Gleichgewicht zu legitimieren".

Die Antwort der Amerikaner auf die Demonstration am Samstag hat, obwohl sie es verneinen gelautet, dass sie das "traditionelle" Fest vom 4. Juli in der Ederle-Kaserne*****, die zur Feier des Tages immer für die Bürger geöffnet wurde, abgesagt haben. Die No Dal Molin haben den amerikanischen Präsidenten Barack Obama einen Brief geschrieben in dem sie ihn einladen, nach Vicenza zu kommen um die Bürger zu treffen und besonders, um ihnen zuzuhören. Obama wird nicht kommen, aber es werden am Samstag andere kommen, aus ganz Italien - zu Tausenden. Die Demonstration wird nicht die Innenstadt tangieren. Deshalb organisiert das Präsidium Transportmöglichkeiten, besonder für die, die von außerhalb kommen.

"wir sind viele kleine Träumer", so endet der Aufruf des Presidio Permanente - "und wir gehen am Samstag wieder auf die Straße: Unabhängigkeit, Würde, Partizipation. Die erde rebelliert gegen die Stützen des Krieges".

A.d.Ü.:

* No Dal Molin nennt sich die Bewegung gegen die Militarisierung des Flughafens No Dal Molin bei Vicenza in Norditalien. Ende 2003 verabredeten die italienische und die US-Amerikanische Regierung die Umwandlung des Flughafens in eine Militäranlage - hinter verschlossenen Türen. Die Pläne wurden erst 2006 öffentlich. Die derzeit zwischen Deutschland und Italien aufgeteilte 173 Airborne Division soll dort wegen der Nähe zu Häfen und Luftwaffenstützpunkten geschlossen unterkommen ( grafische Darstellungen: http://www.youtube.com/watch?v=OqQyuaetfhk&feature=related ). U.a. soll der auf der operativen US-Army Achse Aviano-Camp Darby in Norditalien liegende Stützpunkt auch so genannten N.B.C. Storage betreiben (http://de.indymedia.org/2007/06/186192.shtml). Rasch formierte sich eine Widerstandsbewegung ( http://www.youtube.com/watch?v=-goCGWpNX1k ), die bereits mehrere Demonstrationen, Blockaden und Besetzungen ( siehe Playlist http://www.youtube.com/view_play_list?p=0A103A0115BDBA34 ) durchgeführt hat.

** Eins der Gebäude, wegen denen Vicenza weltkulturerbe-Stadt ist, siehe: http://www.buehler-hd.de/gnet/neuzeit/renaiss/palladio/vicenza/basil1.htm Am 18. April 2007 fand eine symbolische Besetzung der Basilika statt. Die Vizentiner weigern sich unter anderem auch, dass die Stadt samt ihren kulturellen, geschichtlichen und künstlerischen Schätze durch die militärischen Anlagen im Territorium mehr und mehr zubetoniert wird. Die Palladische Basilika ist in diesem Sinne symbolischer Bestandteil des Fronttransparents, das die Demonstration eröffnen wird.

*** "Territorio" wird gängigerweise, aber unkritisch, mit "Gebiet" oder "Land" überetzt. Weil diese Lösung die wichtige mit dem Gedanken der sozialen Selbstbestimmung in einem angestammten und sedimentierten Lebensraum verknüpfte Bedutungskomponente völlig ausblendet, wird hier bewusst der Begriff "Territorium" 1:1 übertragen.

**** Ständiges Präsidium

***** Drittgrößter US-Stützpunkt in Italien