2009-06-26 

Das Abruzzen-Dekret wird verabschiedet und der Protest verdunkelt

23. Juni

Erdbeben - Falsche black block Alarme, Desillusionierung und jäh ausbrechende Proteste auf lokaler Ebene. In L' Aquila wartet man auf den Beginn des G8, wobei man einer künstlichen Spannung unterworfen wird, die wirkt, als sei sie ad-hoc erzeugt worden, um Verzögerungen zu decken.

Von Piero Orsatti

Die Straße 17 nach L' Aquila ist weiterhin die wichtigste Verbindung zwischen der Hauptstadt und den vom Erdbeben vom 6. April getroffenen Ortschaften im Aterno-Tal. Es ist die Straße, die zu dem Ort führt, der zum Symbol des Erdbebens wurde: Onna. Seit zehn Tagen ist der kleine Ort inzwischen von den Blicken der Journalisten und von Personen, die nicht dem Zivilschutz angehören abgeschnitten.

Pic: Demonstration

Sicherheitsgründe? Unwahrscheinlich. Über zwei Monate hinweg gabe es nähmlich keine Zugangsblockade. Endlich aber wird nun hinter einer Forstpolizeikette emsig gearbeitet. Ob es sich um Arbeiten geht, die nötig sind, um die Bühne für die "Tour des Schmerzes" vorzubereiten, die anlässlich des G8 im Juli in Vorbereitung ist? Wenn nicht in Onna, wo sonst? Schade nur, dass außer einer Absicherung der Durchgangswege seit der Nacht des Erdstoßes bisher kein Stein bewegt wurde. Geben wir uns zufrieden, immerhin bewegt sich was. Und es bewegt sich auch in Bazzano. Rund-um-die-Uhr Wiederaufbau, Arbeiten 24 Stunden am Tag. Für den Plan C.a.s.e.*, natürlich. Bazzano ist einer der Standorte für die neuen "Häuschen" und zwar der, an dem die Arbeiten am zügigsten fort schreiten. An anderen Standorten geht man gemächlich vor, an einigen haben die Arbeiten nich gar nicht begonnen. Könnte es sein, dass es daran liegt, dass die Baustelle in Bazzano genau seitlich von der Straße 17 liegt und daher für einen etwaigen vom G8-Hauptstandort Coppito** nach Onna führenden Umzug der "VIP" liegt? Tun wir so, als nicht wäre, immerhin passiert auch hier nach Monaten der absoluten Starre irgend etwas.

"Der G8 wird uns zu nichts führen". Diese Überzeugung ist mittlerweile in den Zeltstädten fest aufgenommen, selbst unter den enthusiastischten Unterstützern des Premier, die über Monate von den Versprechen des über die vereinheitlichten (oder gleichgeschalteten?) Mediennetzwerke sprechenden großen Kommunikators bezirzt waren. Versprechen, die bisher nicht einmal im Entferntesten verwirklicht wurden, so dass Vertrauen und Erwartug zu Misstrauen und Desilllusionierung wurden. Gefühle, die in den vergangenen Wochen in Protest aufgegangen sind. Zuerst in L' aquila, dan auch in Rom vor Montecitorio*** während dort überr das Abruzzen-Dekret debattiert wurde. Und dann wieder in L' aquila, während der letzten Visite des Premiers. Die, die alle inzwischen den "unsichtbaren Besuch" nennen****. Niemand hat ihn gesehen, er ist nicht aus dem Hubschrauber gestiegen, bis er in Coppito war, in der green zone der Hauptstadt, in der kein "Spekulierer über die Toten"***** (und kein Journalist) sein sicheres Schreiten behindern konnte. Spekulanten und Provokateure. Das ist der Vorwurf gegen jeden Evakuierten, der gegen die Bedingungen Protestiert, unter denen sie gezwungen sind, zu leben und gegen das Abruzzen-Dekret und den vielen Amnesien und Ungereimtheiten, die im Text untergebracht sind. Was also tun? Man kann gewiss nicht tolerieren, dass irgendwer die Proteste der Bürger von L' Aquila dokumentiert, besonders nicht die internationalen Medien, die die schlechte Eigenschaft haben, dass sie nicht Teil der Familienunternehmen sind. Es ist also ein weiteres Mal der G8, der dem (in den Abruzzen mit Sicherheit) Popularitätsverluste erleidenden Premier entgegen kommt. Innerhalb von drei Tagen hyperaktiver Tätigkeit der Pressestellen der Regierung, wird mir nicht dir nichts der No Global Alarm fabriziert. "Sie haben schon die Evakuierten unterwandert", schreibt man in einem Lokalblatt. "Sie tun so, als würden sie am Wiedraufbau von irgendeiner Struktur sozialen Charkters arbewiten", heißt es weiter. Gut, toll, Zugabe! Da ist er, der Feind. Hier habt ihr die, die protestieren. Auch ein Korrespondentenbericht in La Repubblica lässt ähnliches verlauten. Selbst die Besten gehen dem in Coppito operierenden Büro für kreatives mediales Marketing auf den Leim. Schade nur, dass es sich um die x-te von den Medien fabrizierte Ente handelt. Keine spur von deuschen Black Bloc zwischen den Zelten auf der Piazza d' Armi. Die einzigen Gestalten it beunruhigendem Aussehen sind die miltanten Aktivisten von Casa Pound******, die, obwohl sie vom Camp in Poggio Picenze vertrieben wurden, beschlossen haben, hier zu bleiben. Derweil wird das Abruzzen-Dekret endgültig vom Senat verabschiedet. Ohne, dass die Forderungen der Erbebenopfer Gehör gefunden hätten. Nieman in L' Aquila erwartete aber etwas Anderes.

A.d.Ü.:

* “Complessi Antisismici Sostenibili Ecocompatibili” = “Antiseismische, ökologisch verträgliche Komplexe”. Bezeichnung für den Teil des sehr umstrittenen Wiederaufbauplans, der die Errichtung von Ferrtigbausiedlungen auf bisher unbebauten Arealen im Erdbebengebiet vorsieht.

** Die Schule der Finanzpolizei liegt in Coppito, einem Stadtteil am Rande von L' Aquila. Sie ist derzeit der Ort, von de aus das "Katastrophenmanagement" des Zivilschutzes und der Sicherheitsbehörden betrieben werden. Auch ist die Kaserne der logistische Stützpunkt Sivio Berlusconis. Dort finden im Zuge dessen u.a. die Pressekonferenzen oder aber politische Treffen statt - etwa mit Unternehmern. Die Kaserne soll während des G8 die wichtigsten Gipfelteilnehmer beherbergen. Siehe dazu u.a.: http://www.gipfelsoli.org/Home/La_Maddalena_2009/6897.html , http://www.gipfelsoli.org/Home/La_Maddalena_2009/6894.html

*** Parlament

**** Siehe: http://www.gipfelsoli.org/Home/L_Aquila_2009/7320.html

***** Silvio Berlusconi hat den Protestierern in Rom, die kritisierten, der Premier habe die Todesopfer des erdbebens zu Wahlkampfzwecken missbraucht vorgeworfen, dass sie Spekulation mit den Toten betreiben.

****** "Avanti popolo, bandiera nera!" - siehe: http://jungle-world.com/artikel/2009/07/32651.html