2009-06-17
Radio radicale: Etwas anderes... Ein Aspekt, der uns in den letzten Tagen beeindruckt hat und über den wir versucht haben, zu berichten, ist die Militarisierung der Camps, der Zeltstädte der Evakuierten in L' Aquila... häßliche Worte, aber sie geben die Realität wieder. Heute berichtet Repubblica.it zum Beispiel vom Verbot, in den Camps Flugblätter zu verteilen, nach dem in den vergangenen Tagen schon die Rede vom Verbot der Ausgabe von Kaffee Schokolade und Wein gewesen ist, also, alles, was die Gemüter erregen kann und aus Ernährungswissenschaftlicher [...] Sicht vermieden gehört, das ist der Sinn von diese Verfügungen des Zivilschutzes.
Stefania Pezzopane: Nun, in mancher Hinsicht sind wir beim Lächerlichen angekomen, in dem Sinne, dass ein großes Werk, dass vom Zivilschutz und den Freiwilligenverbänden geleistet wurde, mittlerweile droht sich in einer, ähm, Versteifung zu verlieren, in der Angst vor Kritik, im absoluten Unwillen, zu akzeptieren, dass gewisse Orte, nach über zwei Monaten nicht bloß Futterkrippen und Schlaflager sein können, sondern auch Orte, an denen die Leute wieder anfängt, zu denken.
Es ist klar, dass nach zweieinhalb Monaten - wobei ich mir erlaube anzumerken, dass ich bereits nach den ersten Wochen darauf hingewiesen hatte, dass ein lang andauerndes Zusammenleben unter solchen Bedingungen unmöglich war. Die Leute beginnen, Anzeichen von Unmut zu zeigen, und es geht sicher nicht um das Espressotässchen oder die Portion, ähm, he he, sagen wir mal, Schokolade, die Nervosität hervorruft, es ist das seit zweieinhalb Monaten anhaltende Im-Zelt-Sein, es ist das Um-die-Zukunft-besorgt-Sein, das Miteinander in einem und dem selben Zelt von Gatte, Gattin, Kindern mit Leuten, die man dort nach dem Zufallsprinzip kennen gelernt hat, mit denen es unter Umständen anfängt, Probleme durch Zwistigkeiten zu geben. Die Wahrheit ist, dass die Zelte abgebaut gehören und dass andere Lösungen gefunden werde müssen. Weil diese Wahrheit ein wenig schmerzt, sucht man nach Taschentrickspielereffekten, man streicht den Kaffee, bald werden sie auch Zigaretten streichen und man neigt eher dazu, zu militarisieren, das ist leider so, ich selbst, die ich der Präsident der Provinzverwaltung bin, benötige meinen Passierschein, ich muss meine Papiere hinterlegen, wenn ich ein Zelt betreten will, und ich muss sagen, warum ich hin gehe, wenn ich ein Interview geben muss, muss ich sagen wem ich es gebe und wieso. Natürlich weigere ich mich jedes Mal, mich einem derartigen Verhör zu unterziehen, das Ganze spricht aber Bände, denn, wenn sie es schon mit mir machen, die ich eine Vertreterin der Institutionen bin, könnenn wir uns leicht vorstellen, was mit den Bürgern geschieht.
Radio radicale: Warum das Ganze?
Stefania Pezzopane: Nun, der Grund ist, die Sicherheit zu gewährleisten
Radio radicale: hm.
Stefania Pezzopane: ... in einigen Zeltstädten hat es Probleme gegeben
Radio radicale: aber was haben Interviews damit zu tun?
Stefania Pezzopane: nein, die Interviews haben nichts damit zu tun, ich kann es sagen, weil ich es weiß, auf der Piazza D' Armi gibt es Übertragungsstationen der rai, die Station von skynews 24, kurzum, es gibt Übertragungsstationen von TV Sendern und besonders von der rai, ihr könnt euch vorstellen, dass es öfter vorkommt, dass Vertreter der Insitutionen da hin gehen, um zu berichten und jedes Mal muss man sich auch dieser Art von Befragungen unterziehen, sie wollen zum Beispiel wissen, ob von der Zeltstadt die Rede sein soll, das ist natürlich der Wahnsinn, jedes mal muss ich...
Radio radicale: ist sowas denn nicht durch das Gesetz verboten?
Stefania Pezzopane: Ja, klar ist das gesetzlich verboten und ich weise jedes Mal darauf hin, ich bin mir aber nicht sicher, ob alle die Möglichkeit haben, zu reagieren...
Radio radicale: Es handelt sich also um eine Art Präventivzensur?
Stefania Pezzopane: Jajaja, ich habe kein Problem, das zu sagen, weil ich es bereits zur Anzeige gebracht habe.
Radio radicale: Ich bitte darum!
Stefania Pezzopane: Das Problem ist, da es einigen Camps über 1000 Menschen gibt, und nach zweieinhalb Monaten auch die sanftmütigsten Leute, selbst die schüchternsten Lämmchen anfangen, gereizt zu reagieren, und diese Gereitztheit manifestiert sich auch manchmal. Es hat auch Probleme anderer Art gegeben, es hat Diebstähle gegeben und Anfänge von kleinen Schlägereien, kurzum, all das, was sich normalerweise in der Gesellschaft zuträgt, tritt auch in den Zeltstädten wieder zu Tage, natürlich unter dem erschwerenden Umstand, dass man seit zweieinhalb Monaten sagen wir mal, stets mit den selben Lebensrhytmen und großer Sorge um die Zukunft in Mikrokosmen verharrt.
Radio radicale: Und ob!
Stefania Pezzopane: Es ist daher logischerweise so: wenn man glaubt, nicht wahr, dass man solche Grundprobleme einfach durch Kontrolle lösen kann, ist es klar, dass es ein Schlag ins Wasser wird. Das ist eine große Sorge, die wir haben, weshalb wir lautstark fordern, die Zeltstädte zu entlasten, dass man doch eher Zählungen von Unveräußertem anstellen sollte, von geschlossenen Wohnungen von Bauherren, die da mit ihren hübschen Schildern "zu Verkaufen", "zu vermieten" herumstehen. Haüser und Wohnungen, die der Zivilschutz nehmen könnte, um dort die Familien zu unterbringen, statt sie zu einer absolut unzivilen Kohabitation zu zwingen.
Radio radicale: Hören sie, könnte es nicht sein, dass... wenn man bedenkt, dass heute auch der Tag ist, an dem Berlusconi Obama trifft, der einer der - oder besser, ganz ohne Heuchelei, im kommenden Monat Juli der wichtigste Gast schlechthin in eurer Stadt L' Aquila sein wird, könnte es nicht sein, dass diese Kontrolle, die, wie Sie uns sagten, sogar auch für in Bezug auf die Information eine präventive ist, al wären wir... nun ja, sowas tat Gaddhafi und er tut es vielleicht immer noch, mit den Briefen der Italiener, die in Libyen arbeiten, die gelesen werden, bevor sie an ihre Verwandten geschickt werden, um beim Beispiel dessen zu bleiben, was jene erlebt haben, die in Libyen arbeiten gewesen sind. Könnte es nicht sein, dass all das darauf abzielt, nicht zu verschärfen... sprich: haben sie Angst, dass es beim G8 in L' aquila irgendwelche Überraschungen in Richtung Demonstrationen, Unmutsbekundungen, vor den Augen der weltöffentlichkeit geben könnte?
Stefania Pezzopane: Nun, in Hinblick auf den g8 hat man die Sicherheitsnormen um ein Weiteres rigider gemacht, das betrifft das Territorium in seiner Gesamtheit, man ist im Begriff Straßen zu sperren und wir haben heute diesen kleinen aber wichtigen symbolischen Protest in Preturo, dem G8-flughafen veranstaltet, ebenfalls um die Änderungen des Dekrets einzufordern und wir haben gesehen, dass die Arbeiten bereits weit fortgeschritten sind und dass bereits eine sehr stark ausgeprägte Rigidität der Sicherheit bestheht. davon und vom G8 abgesehen ist es in den Zeltstädten schon seit vielen Wochen so, dass sich dieses klima eingestellt hatte. wenn ein Bürger einen Verwandten im Zelt besuchen will, so kann er es nicht so tun, wie er es früher tat, als er in ein Stadtviertel ging - frührer gab es Viertel, und Straßen, ich besuchte meinen Vetter ohne irgendwen dafür um ERlaubnis zu bitten. Jetzt muss man hingegen den Campverantwortlichen um Erlaubnis bitten.
Radio radicale: Also fügt all das zu den Beschweliuchkeiten im Leben derer, die in den Camps leben weitere Frustrationen und mit Sicherheit weitere Beschwerlichkeiten hinzu.
Stefania Pezzopane: Ja, und das ist der Grund, weshalb die Komitees im Begriff sind, sich zu organisieren.
Radio radicale: Ja, genua morgen wird es in Rom eine Demonstration geben.
Stefania Pezzopane: Richtig.
Radio radicale: Vor dem Parlament?
Stefania Pezzopane: Ja, vor Montecitorio. Sagen wir, dass bis vor wenigen Wochen eine ziemlich ruhige Situation vorlag, denn die Aquilaner haben bewiesen, dass sie sehr besonnene und würdevolle Menschen sind, die wenig geneigt sind, sich in Wehleidigkeit zu ergehen. Es ist jetzt aber klar, dass nach über zwei Monaten... - es sind jetzt zwei Monate und zehn Tage, seit wir unter diesen Bedingungen leben - als lokale Insitutionen, also als die Bürgermeister und die Provinzverwaltung haben wir uns sehr stark um Klarheit bemüht, die Bürger beginnen aber zu Recht, sich zu organisieren. Es gibt also Dutzende Komitees, die zu verschiedenen Anliegen entstanden sind, von der Wiederzugänglichmachung der Altstadt, die bis heute vollständig gesperrt ist, bis hin zur Forderung nach Transparenz, beispielsweise in Bezug auf prozeduren, auf Informationen über die gesammelten Spenden, kurzum, es gibt viele Problemkreise und die Komitees haben für morgen vollkommen autonom und gar mit der mitzutragenden Aufforderung, keine Parteibanner mitzubringen zum Protest vor dem Parlament gebeten und es wird um 12 eine Mobilisierung geben. Eine Delegation von Vertretern der Institutionen wird hinzu kommen, die sich den Komitees vor Ort anschließen wird.
Radio radicale: Also, Treffpunkt ist am Dienstag, den 16, Juni um 12 Uhr vor dem Parlament für diese Mobiulisierung.
Stefania Pezzopane: Morgen ab 12 uhr
Radio radicale: Danke erstmal an die Präsidentin der Provinzverwaltung L' Aquila
Stefania Pezzopane: Grüße und gute Arbeit