2009-06-04
Von Domenico Sisi
Hallo an alle, liebe compagni und compagne, Studenten und Studentinnen, Proletarier und Proletarinnen - ich bin Domenico Sisi, nach vierzehn Tagen soeben aus der Haft entlassen, und ich schreibe Euch, um mich bei Euch für die Solidarität zu bedanken, die ihr mir habt zuteil werden lassen, in dem ihr die Freilassung von mir und von Alex gefordert habt.
Genau genommen, stehe ich von 20:00 bis 7:00 unter Hausarrest und über Tag unter Residenzzwang in der Gemeinde Beinasco bei Turin. Das Gleiche gilt für den compagno Alex in seiner Stadt (Sassari). Sicher ist es eine leichtere Verwahrungsmaßnahme; sie wird mich jedoch weitestgehend daran hindern, bei den alltäglichen Initiativen an Eurer Seite zu sein. Ich werde aber versuchen, präsent zu sein und irgendwie meinen Beitrag zu leisten.
Neben der Freiheit hat mich diese repressive Attacke leider auch die Arbeit verlieren lassen. Ich habe nämlich gerade den Brief erhalten, mit dem ich von meiner Stelle als Fabrikarbeiter entlassen werde. Ich sage Euch nur, dass die Beründungen auf Informationen abstellten, die aus den Zeitungen entnommen wurden und darauf, dass ich meine Abwesenheit nicht entschuldigt habe. Die Zeitungen der Bourgeoisie sind die lebende Verlogenheit, die die ganze Verderbtheit des ausbeuterischen und mörderischen Herrensystems widerspiegelt. Die ersten 5-6 Tage sind die härtesten gewesen, weil es nicht gelingt, mit der Außenwelt zu kommunizieren, ich habe es erst nach sieben Tagen geschafft, die ersten Briefmarken zu bekommen! Jeden einzelnen Schreiber auftreiben, rauskriegen, ob Du ein Telegramm verschicken kannst, es hinbekommen, sich durch ihre Bürokratie hindurch zu schlagen. Man fühlt sich sehr isoliert.
Jetzt möchte ich über die Solidarität sprechen, die ihr uns gegenüber praktiziert habt, in dem ihr uns mit Telegrammen und Briefen, mit Euren Kundgebungen und verschiedenen Initiativen moralisch unterstützt habt. Jetzt, wo ich zu Hause angekommen bin, habe ich auch die Bilder mit den Transparenten gesehen (ich habe mich fast verlegen gefühlt). Bei den Kundgebungen gab es die Gefangenen, die gegenüber von unserer Zelle waren, die für uns aus ihren Fenstern (die nach außen gerichtet waren) blickend, die Direktübertragung der Trommeln und der Sprechchöre machten, die Freiheit riefen (wie ich selbst so oft bei Solidaritätskundgebungen für andere compagni, die bis heute in den Gefängnissen widerstehen rief). Kaum war die Verhandlung heute morgen zu Ende, haben sie uns eiligst abgeführt, um uns von der Kundgebung fern zu halten. Wir haben Euch gehört, als der Transporter an Euch vorbei gefahren ist!
Danke!
All das hat gezeigt, wie die Solidarität es vermocht hat, zugunsten von unserer Haftentlassung und teilweisen Befreiung Druck zu erzeugen und Einfluss auszuüben. Sie hat auch die Einheit und den Zusammenhalt der Studentenbewegung der Welle und von anderen antagonistischen Zusammenhängen gestärkt und mit ihrer prompten Antwort eine regelrechte Demonstration ihrer Qualität geliefert, wa den Zusammenhalt zwischen den über ganz Italien gestreuten Wirklichkeiten* gestärkt hat. Mit Sicherheit muss die Studentenbewegung weiter den Weg der Verbessrung der Organisation verfolgen und versuchen, die Vereinigung mit den anderen Klassen suchen, allen voran mit der Arbeiterklasse. Nur so wird sie nach ihrem schon vielversprechenden Start der letzten Monate wachsen und weiter kommen können. Die Tatsache, dass sich die Krise weiter verschärft, kann nichts anderes als die Freisetzung von neuen Kräften auf dem Feld bewirken, die bereits aktive Zusammenhänge nur in der Lage sein müssen, zu erkennen und an ihrer Seite einzubinden.
Die Soldarität stärkt die Einheit und das gegenseitige Vertrauen.
Ich danke allen, die die Solidarität vorangetrieben haben, der Bewegung der Welle und dann ganz besonders der Vereinigung der Angehörigen und Freunde der Verhafteten vom 12. Februar , den Genossen und Genossinnen für den Aufbau der Roten Hilfe in Italien, den Genossinen des Collettivo Comunista Piemontese, des Askatasuna, von Radio Blackout, den veschiedenen Wirklichlkeiten in Turin und in anderen Städten, und allen einzelnen compagni und ich ebtschuldige mich dafür, dass ich es nicht geschafft habe, sie alle zu nennen.
Kein Angriff kann den Kampf aufhalten, wenn gekämpft wird. Solidarität ist eine Waffe! Gemeinsam gewinnt man!
Bis bald!
Domenico Sisi
A.d.Ü.:
* Im Original: "Realtá". Dieser Begriff hat nicht annähernd eine angemessene Entsprechung im Deutschen, deshalb wird er im wörtlichen Sinne (Wirklichkeit) übersetzt. In der deutschen Sprache kommt "Zusammenhang" der Begrifflichkeit am nächsten, ohne dabei der Bedeutung im italienischen aber vollkommen gerecht zu werden: mit "Realtá" sind soziale oder, gegebenenfalls, politische "Wirklichkeiten" gemeint, aso Situationen und das, was sich aus diesen heraus bildet. Das Bild der "Wirklichkeiten" hebt deutlicher als der deutsche Begriff "Zusammenhang" den Gedanken der Teilnahme, der Gestaltung und der Mitsprache als gesellschaftlicher Körper im gesellschaftlichen Kontext hervor.