2009-05-05
Vorläufige Bilanz der Repression während des NATO-Gipfels in Strasbourg. Debatte im Bundestagsinnenausschuß
Von Frank Brendle
Im Innenausschuß des Bundestages wird heute über die Gewaltausbrüche beim NATO-Gipfel in Strasbourg Anfang April diskutiert. Nachdem die Linksfraktion bereits unmittelbar nach dem Gipfel gefordert hatte, die Beteiligung der deutschen Behörden an der Repression gegen Kriegsgegner aufzuklären, hat die FDP kurz vor Sitzungsbeginn noch das Thema »Teilnahme deutscher militanter NATO-Gegner an den Ausschreitungen« auf die Tagesordnung setzen lassen.
Für die Meldungen des Legal Teams und des Medical Teams wird sich die FDP wohl nicht interessieren: Diese haben am Montag in Strasbourg eine erste Bilanz der Polizeigewalt vorgestellt. Man habe bislang über 1700 Meldungen von Demonstrationsteilnehmern erhalten. Die meisten davon betreffen Schikanen der französischen Polizei bei Identitätskontrollen, beim Eindringen von Zivilkräften in das Camp der Gipfelgegner und während der Protestaktionen. Noch am 5. April, als die Proteste schon beendet waren, hätten Polizisten Checkpoints errichtet und Flugblätter, Fahnen, aber auch Fotoapparate und Kameras beschlagnahmt. Insgesamt seien 464 Festnahmen bestätigt worden. Die tatsächliche Anzahl derjenigen, die in Polizeigewahrsam gerieten, sei jedoch »unmöglich zu bestimmen«. Zudem habe die Polizei die rechtlichen Vorschriften nicht respektiert. Die Zahlen seien als vorläufig zu betrachten, weil immer noch täglich neue Meldungen einträfen, teilte das Legal Team mit.
Das Medical Team hat während der Großdemonstration am 4. April »rund eintausend« Menschen behandelt. Etliche davon hätten Erschöpfungs- und Austrocknungssymptome gezeigt, andere seien in Panik geraten oder hätten einen Schock erlitten. Auch Atemwegsbeschwerden in Zusammenhang mit Tränengas verzeichnete das Team, ebenso wie Hämatome und offene Wunden. Zurückzuführen seien diese auf den Beschuß mit Gas- und Schallgranaten. Diese sind, wie Videos im Internet zeigen, von der Polizei in Brusthöhe auf Demonstranten gefeuert worden.
Die Repression ist noch nicht zu Ende: Am Dienstag nachmittag standen in Strasbourg drei französische und ein deutscher NATO-Gegner vor Gericht. Den drei Franzosen wird wegen des Einkaufs von Alkohol, Benzin und Handschuhen vorgeworfen, sie hätten Brandsätze anfertigen wollen, der Deutsche soll bei seiner Festnahme einem Polizisten den Daumen gebrochen haben.