2009-04-26 

Katastrophenzentrum statt Trauminsel

Berlusconi verlegt G-8-Gipfel in Erdbebenstadt L’Aquila

Von Micaela Taroni, Rom

Noch vor wenigen Wochen hatte Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi von einem unvergeßlichen G-8-Gipfel auf der Trauminsel La Maddalena vor Sardinien geschwärmt. Auf einem prunkvollen Luxuskreuzfahrtschiff wollte der Premierminister in seiner Rolle als Vorsitzender des G8 die Großen der Welt empfangen. Viele waren daher überrascht, als Berlusconi nach einer Ministerratsitzung am Freitag in dem zerstörten Abruzzen-Erdbebengebiet ankündigte, daß der für Anfang Juli geplante Gipfel nun in die geschundene Abruzzen-Hauptstadt L’Aquila verlegt wird. »Auf diese Weise werden wir uns 220 Millionen Euro ersparen, die wir für die Erdbebenregion Abruzzen verwenden können«, sagte Berlusconi.
Den G-8-Gipfel will Italiens Premierminister in einer Militärakademie in L’Aquila organisieren, wo vor zwei Wochen das Begräbnis der Erdbebenopfer stattgefunden hatte.

»Diese Schule ist in der Lage, Staatschefs, Delegationen und Journalisten zu empfangen«, versicherte Berlusconi. Hotels für die Delegationen, Konferenzsäle und Raum für Pressezentren sei ausreichend vorhanden. Außerdem würden sich Demonstranten möglicherweise zurückhalten, in L’Aquila zu protestieren, sagte der Regierungschef. »Kein Globalisierungsgegner wird das Herz und den Mut haben, in dieser zerstörten Gegend gegen die G-8 zu demonstrieren«, meinte der Premierminister.

Berlusconi entschuldigte sich bei den Einwohnern Sardiniens wegen der Verlegung des Gipfels. In dieser schwierigen Phase sei der Gipfel in L’Aquila ein Zeichen der Hoffnung für das Erdbebengebiet. »La Maddalena ist eine wunderschöne Insel, doch wir hätten den G-8-Gipfel auf einem Luxusschiff organisieren müssen. In L’Aquila können wir ihn in einer einfacheren Struktur durchführen, die der jetzigen Krisenphase angemessener ist«, betonte der Premierminister.

Beim nächsten G-8-Gipfel soll auch über vorbeugende Maßnahmen zur Begrenzung der Schäden von Naturkatastrophen gesprochen werden. »Wo könnte man das besser tun als in einem vom Erdbeben zerstörten Gebiet?« fragte Berlusconi.

Der linke Bürgermeister von La Maddalena, Angelo Comiti, reagierte überrascht und empört auf Berlusconis Beschluß. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Nicht einmal Kafka hätte einen derartigen Plan entwerfen können«, so der Bürgermeister.

Der Globalisierungsgegner und Ex-parlamentarier der Rifondazione Comunista, Francesco Caruso, attackierte Berlusconi scharf. »Er nutzt das Drama der Obdachlosen zu Propagandazwecken aus und will gleichzeitig das Demonstrationsrecht der Globalisierungsgegner beschneiden«, meinte Caruso. »In den nächsten Tagen werden wir ankündigen, wo und wie wir gegen die G8 demonstrieren werden. Die Globalisierungsgegner, die Berlusconi so fürchtet, sind ohnehin schon seit dem ersten Tag nach dem Erdbeben in L’Aquila präsent, wo sie den Obdachlosen aktiv Hilfe leisten«, erklärte er.

Diese Ansicht teilt auch der Generalsekretär der Rifondazione Comunista, Paolo Ferrero. »Berlusconi und die G8 werden auch in den Abruzzen auf die Globalisierungsgegner stoßen, die der betroffenen Bevölkerung Hilfe gebracht haben.«