2009-04-22
Polizei und Justiz gehen verstärkt gegen Antimilitaristen vor. Proteste gegen Bundeswehr und deutsche Kriegsbeteiligung unterschiedlichster Art nehmen zu
Von Markus Bernhardt
Die Akzeptanz der Bundeswehr in der Bevölkerung schwindet zunehmend. Vielerorts gründen sich Gruppen von Kriegsgegnern und Antimilitaristen, die sich dem mörderischen Treiben der Bundeswehr – ihrer Beteiligung an völkerrechtswidrigen Auslandseinsätzen und ihren Werbefeldzügen an Universitäten, Schulen und Arbeitsämtern – auf mannigfaltige Weise entgegenstellen. Je mehr jedoch Kriegsgegner gegen die Bundeswehr mobil machen, nimmt auch die staatliche Repression zu.
Bereits im Februar 2008 hatte sich beispielsweise die engagierte Antimilitaristin Hanna Poddig in Ohrstedt in Nordfriesland an Bahnschienen gekettet, um so einen Transportzug der Bundeswehr aufzuhalten. Dieser war auf dem Weg zu einem Manöver, bei dem es darum ging, den Einsatz als NATO-Response Force zu trainieren. Über mehrere Stunden hinweg gelang es der jungen Frau, den Zug aufzuhalten. Nun hat sie einen Strafbefehl über 90 Tagessätze à acht Euro erhalten, den sie jedoch nicht zu akzeptieren gedenkt. »Die NATO als weltweit agierendes Militärbündnis steht für Krieg. In diesen Kriegen geht es um den Zugang zu Rohstoffen und knallharte Machtinteressen. Menschenleben zählen dabei nicht«, konstatierte die 23jährige im Gespräch mit junge Welt. Sie halte es deswegen für »legitim und notwendig, sich dieser Maschinerie entgegenzustellen«, so Poddig weiter. Die Aktivistin will ihren Prozeß nutzen, um auf die Machenschaften der Bundeswehr und der NATO hinzuweisen und deren Propaganda zu entlarven. Schließlich würde die Bundeswehr mittlerweile unter dem Deckmantel der Friedenssicherung und der humanitären Hilfe weltweit als Werkzeug zur Absicherung der ausbeuterischen Wirtschaftsverhältnisse eingesetzt.
Die Kriminalisierung der jungen Frau ist jedoch beileibe kein Einzelfall. Zuletzt bei den Protesten gegen den NATO-Gipfel Anfang April in Strasbourg ging die Polizei massiv gegen die Kritiker des aggressiven und angriffslustigen Militärpaktes vor. Dutzende Menschen wurden durch Schockgranaten und Tränengas verletzt, ähnlich wie beim G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007 wurde wieder Militär im Inland eingesetzt. Zudem wurden mehr als hundert Menschen willkürlich festgenommen und in Schnellverfahren teilweise zu mehreren Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.
In Sachsen durchleuchtet eine etwa 150 Mann starke Sonderkommission des Landeskriminalamtes derzeit die linke Szene Dresdens, da am 13. April ein Brandanschlag auf eine Offiziersschule der Elbmetropole verübt wurde. 42 Bundeswehfahrzeuge gingen in Flammen auf, es entstand ein Schaden von etwa drei Millionen Euro. In Berlin müssen sich unterdessen seit September 2008 die Antimilitaristen Oliver R., Florian L. und Axel H. vor dem Kammergericht verantworten. Ihnen wird seitens der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, am 31. Juli 2007 versucht zu haben, auf einem Gelände der Firma MAN in Brandenburg (Havel) mehrere Bundeswehrfahrzeuge anzuzünden. Zudem sollen die Kriminalisierten Mitglieder der »Militanten Gruppe« (mg) sein, die nach Paragraph 129 des Strafgesetzbuches als »kriminelle Vereinigung« eingestuft wird. Des weiteren befindet sich zur Zeit Natalja Liebich in Haft, da ihr vorgeworfen wurde, bei der NATO-Sicherheitskonferenz »Landfriedensbruch« begangen zu haben. Totalverweigerer des Wehrdienstes wie Jan Patrick Ehlers, Hannes Wiedmann und andere warten noch auf ihre Urteile.
Hanna Poddig jedenfalls will sich auch zukünftig weder von Strafverfahren noch von den gewalttätigen Aktionen der sogenannten Ordnungshüter einschüchtern lassen. »Kriminell sind nicht die Menschen, die gegen die Kriege der NATO auf die Straße gehen – kriminell sind Aufrüstung und Kriege«, so die Aktivistin. Offenkundig sollten in Frankreich Exempel statuiert werden, und so seien willkürlich Schuldige gesucht und hart bestraft worden.