2009-04-13 

Solidarität mit allen Inhaftierten des Nato-Protestes - Zum politischen Kontext in Frankreich

Redebeitrag anlässlich der Soli-Kundgebung für die Gefangenen in Strasbourg vor der französischen Botschaft in Berlin.

Seit Nicolas Sarkozy, der im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen durch Repression gegen die Vorstadt-Aufstände und die Großmobilisierung gegen den CPE (Ersteinstellungsgesetz was die Kündigung innerhalb der ersten zwei Jahre eines Arbeitsverhältnisses ohne Begründung ermöglicht) glänzte, 2007 zum Präsidenten gewählt wurde, verfolgt dieser eine offen rassistische Politik, die er mit der Methode des Rechtspopulismus und ständigen Ausfällen in der Öffentlichkeit zu verteidigen versucht. Von der Mainstream-Presse ist kaum kritische Öffentlichkeit zu erwarten, denn auch in den Medien wird mitgezockt: Schon vor der Wahl beeinflusste Sarkozy die Meinungsmache durch das Feuern kritischer Redakteur_innen mittels persönlicher Beziehungen und Geld. Einige der einflussreichsten Zeitungen gehören politischen Verbündeten oder Freunden Sarkozys.

Zu Sarkozys Politik gehört eine massive Erhöhung der Abschiebungen jährlich auf 250 000.
Die Umsetzung dieser Forderung bringt überfüllte Abschiebeknäste, noch menschenunwürdigere Haftbedingungen, belagerungsartige Zustände von städtischen Vierteln mit verstärktem Auftreten von Migrant_ innen bis hin zu Razzien derselbigen mit sich. Metrostationen werden intensivst überwacht und immer wieder kommt es zu rassistisch motivierten Personenkontrollen und Verhaftungen.

Doch der Widerstand gegen eine solche Politik in Frankreich ist groß. Ein breite Bewegung in Solidarität mit den Kämpfen der Sans-Papiers mit Großdemonstrationen, Kundgebungen vor Abschiebeknästen und kleineren wie größeren direkten Aktionen gegen staatliche Institutionen und Mitträger_innen dieser rassistischen Politik steht dem entschlossen entgegen.

Der französische Staat reagiert hierauf wie jeder andere auch. Der Widerstand wird kriminalisiert und versucht die Aufständischen in gute und böse Demonstrant_innen zu teilen. Harte Strafen für leichte Delikte, Aufstocken der Überwachungstechniken, Aufrüstung der Polizei, ständige militärische Präsenz in den Städten und Banliös und der Ausbau der Geheimdienste und enge Zusammenarbeit mit anderen europäischen Geheimdiensten, sowie Spaltung durch Medienberichterstattung stehen auf der Tagesordnung

Neben der rassistischen Propaganda finden in der andauernden Konstruktion sozialer und politischer Feindbilder auch die Linksradikalen ihren Platz .

Die Innenministerin Alliot-Marie hat zum Kampf gegen links aufgerufen und all ihre polizeilichen wie geheimdienstlichen Organe darauf eingeschärft. Seit 2008 wird eine linksextremistische Gefahr, „die mouvance anarcho autonome francilienne“ – ähnlich der „Action Direct“ herbeifabuliert. Einige Aktivist_innen landeten Anfang 2008 unter absurdesten Terrorvorwürfen und der Konstruktion vermeintlicher Gewalttaten wie dem Vorhaben Nagelbomben bauen zu wollen für längere Zeit im Gefängnis. In dem Fall der Nagelbomben handelte es sich um Rauchpulver und Krähenfüße, woraus rein technisch kein explosiver Gegenstand hergestellt werden kann. Rauchpulver jedoch ist ein gängiges Demonstrationsmittel wie auch das Auslegen von Krähenfüße um Verfolger_innen zu stoppen.

Im November 2008 kamen weitere Personen in den Knast, die einer „unsichtbaren Zelle“ angehören sollen und für die Hakenkrallenanschläge im Zuge des Castors 2008 verantwortlich gemacht werden. In diesem Fall wird auch von Verbindungen zu radikalen Gruppen in Deutschland gesprochen.

Insgesamt befinden sich immer noch vier Genoss_innen im Gefängnis, denen Haftstrafen von bis zu 20 Jahren drohen, ein Prozesstermin steht jedoch nicht fest. Zwei Genoss_innen sind untergetaucht und neun sind unter strenger richterlicher Kontrolle und Meldeauflagen draußen.

Zuvor angesprochene Verbindungen nach Deutschland mögen auch der Grund sein warum im Vorfeld des Natoprotestes die Angst vor Guerilla-Gruppen in den Medien geschürt wurde. Auch der schwarze Block soll eine Erfindung aus Deutschland sein. Im Zuge dieser allgemeinen Hetze von staatlicher Seite in Zusammenarbeit mit deutschen Behörden ist es auch dann nicht verwunderlich, dass den jetzt festgenommenen kein „gerechter Prozess“ gemacht wird – Dass es solch einen überhaupt gibt möchte hiermit in Frage gestellt werden. Die Forderung Sarkozys und der Innenministerin nach Höchststrafen für die Gefangenen und Prozesse ohne jegliche Beweisführung sind ein Produkt hiervon.

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