2009-04-07
In Straßburg brannten am Wochenende Häuser, auf deutscher Seite blieb dagegen der Protest gegen den Nato-Gipfel weitgehend friedlich. Lag das an der Polizeitaktik?
Wulf Rüskamp sprach mit Bernhard Rotzinger, Polizeichef von Südbaden und Leiter des Polizeieinsatzes während des Nato-Gipfels.
BZ: Links und rechts des Rheines haben sich während des Nato-Gipfels sehr unterschiedliche Szenen abgespielt. Woran lag das?
Rotzinger: Ich will das Vorgehen unserer französischen Partner nicht kommentieren. Für unsere Seite müssen wir eine genauere Analyse noch vornehmen, aber man kann jetzt schon sagen: Es war sehr ruhig, wir sind mit dem Ablauf und dem Ergebnis unseres Einsatzes zufrieden. Noch am Freitagmorgen hatten wir in und um Baden-Baden mit zahlreichen Blockaden gerechnet. Aber es hat sich dann gezeigt, das diejenigen, von denen wir gemeint hatten, dass sie den Ablauf des Gipfels stören wollen, zum großen Teil gar nicht da waren. Ich glaube, die Grenzkontrollen, die wir mit der Bundespolizei aufgebaut hatten, haben dazu beigetragen, dass es in Baden-Baden so ruhig blieb.
BZ: Baden-Baden und Kehl seien in diesen beiden Tagen Festungen gewesen, sagen Kritiker Ihres Einsatzes. War der Polizeieinsatz zu groß?
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Rotzinger: Baden-Baden und Kehl waren keine Festungen. Sicher, wir haben wie angekündigt Sperrzonen eingerichtet, aber eine Festung sieht aus meiner Sicht anders aus. Es waren viele Polizisten in beiden Städten. Doch das war vor dem Hintergrund dessen, was wir erwartet hatten, gerechtfertigt. Ich denke, der eine oder andere Störer war nicht da, weil wir so stark vertreten waren.
BZ: Die Organisatoren der Demonstrationen sehen darin eine Einschüchterung. . .
Rotzinger: Friedliebende Bürger lassen sich von Polizei nicht einschüchtern. Die Resonanz zeigt eher, dass sich die Bürger durch unseren Einsatz sicher gefühlt haben. Es mag sein, dass mancher in den Versammlungen und Demonstrationen sich eingeschränkt gefühlt hat. Aber wir waren nur dort präsent, wo wir die Sorge hatten, dass nicht alles in ruhigen und geordneten Bahnen abläuft. Auf die Meinungsfreiheit haben wir zu keinem Zeitpunkt Einfluss genommen.
BZ: Auf wie viele Demonstranten hatten Sie sich eingestellt?
Rotzinger: Im Vorfeld hatte es Ankündigungen von 15 000 bis 25 000 Teilnehmern gegeben. Wir konnten nicht zuverlässig einschätzen, wo sich diese Menschen aufhalten würden. Bis zum Schluss war aber klar, dass viele kommen werden, und es war auch klar, dass darunter ein erheblicher Anteil an Gewaltbereiten sein wird. Deren Zahl ist schwer vorherzusagen, weil die Mobilisierung sehr kurzfristig erfolgen kann. Deshalb war der friedliche Verlauf der Demonstration am Montag zuvor in Freiburg für uns ein wichtiger Meilenstein. Das hat uns sehr geholfen.
BZ: Trotzdem hatte man den Eindruck, dass auf jeden Demonstranten zwei oder drei Polizisten kommen. Muss man nicht im Nachhinein sagen: Die Polizei hätte alles eine Nummer kleiner fahren können?
Rotzinger: Das Grundproblem der Polizei sind die Betrachtungen ex ante und ex post (im Vorhinein und im Nachhinein; die Red.). Ex ante waren wir genau richtig aufgestellt, ex post lief alles rund. Trotzdem war die Einschätzung zuvor richtig, weil wir sonst vielleicht einen anderen Verlauf gehabt hätten. Denn auch die Gegenseite, und damit meine ich die gewaltbereiten Störer, macht ja eine Lageeinschätzung. Und die dürfte so gewesen sein, dass sie keine Chance sahen, in Freiburg, Baden-Baden und Kehl Gewalt auf die Straße zu bringen. Dass aber gewaltbereite Störer da waren, das hat man ja eindrucksvoll gesehen.
BZ: Im Hintergrund wurde immer auch von der terroristischen Bedrohung gesprochen. Wie groß war diese wirklich?
Rotzinger: Ex ante war das eine große Sorge für mich. Wie groß die terroristische Bedrohung wirklich war, kann man nicht sagen. Eine konkrete Gefahr hat es nicht gegeben. Aber wegen der prinzipiellen Gefährdungseinschätzung für den US-Präsidenten und die übrigen Nato-Staatschefs haben wir sehr viel zu deren Schutz getan, vieles davon im Hintergrund.
BZ: Nach den Straßburger Vorfällen hat Landespolizeipräsident Hetger gesagt, die deutsch-französische Zusammenarbeit müsse man noch verbessern. Wo sehen Sie Nachholbedarf?
Rotzinger: Wir haben mit der französischen Seite sehr gut kooperiert. Wir hatten klare Absprachen über einzelne gemeinsame Einsatzformen, wie zum Beispiel gemeinsame Begleitkommandos für Staatsgäste oder den Luftraumschutz. All das hat gut funktioniert. Die übrigen Dinge will ich nicht ansprechen, denn zu unserer vertrauensvollen Zusammenarbeit gehört auch, dass wir in der Öffentlichkeit nicht aneinander Kritik üben.