2009-04-05
Die gewalttätigen Proteste gegen den Nato-Gipfel sind am Samstag in Straßburg eskaliert. Militante Gipfelgegner steckten Barrikaden und mehrere Gebäude nahe der Europabrücke in Brand, auch das Ibis-Hotel ging in Flammen auf. stern.de-Redakteurin Manuela Pfohl war zum Zeitpunkt des Brandes in dem Hotel. Ihr Augenzeugenbericht.
"Fire, Fire" schallt es über den Flur und "Police". Endlich Hilfe. Dichter Rauch beißt in der Nase. Er hat sich in rasendem Tempo im ganzen Haus verteilt. Samstagnachmittag in Straßburg. Irgendwo bei der Europabrücke. Auf der Straße und an den angrenzenden Wiesen warten die Demonstranten darauf, dass es weitergeht. Wohin, weiß keiner. Das alte Grenzgebäude brennt, ebenso eine Apotheke. Die Polizei hat einen Kessel gebildet. Tränengasgranaten fliegen und Steine. Ich versuche mich im Hotel Ibis in Sicherheit zu bringen. Eigentlich sind Hotel und Restaurant geschlossen. Doch eine Mitarbeiterin lässt mich trotzdem rein.
Dann fliegen Steine gegen die Scheiben des Restaurants und des Hoteleingangs. Erst einer, dann d Dutzende. Im Hotel ist kein einziger Gast. Nur drei Mitarbeiter halten die Stellung. Hinter dem Tresen suche ich Schutz. Hoffentlich sieht mich keiner von denen, die draußen stehen und offenbar entschlossen sind hier alles kurz und klein zu schlagen. In einem unbeobachteten Moment laufe ich in die Lobby, dann hoch, Etage für Etage, in ein Zimmer. Fünfter Stock. Zimmer 511. Die Hotelmitarbeiterinnen versuchen mit zitternden Händen die Polizei zu rufen, doch sie haben kein Glück. Von draußen sind Stimmen zu hören und zersplitterndes Glas. Plötzlich steigt am Fenster unter uns Rauch auf. Das muss hier sein, ganz nah am Hotel, denke ich. Schließlich wird es zur Gewissheit: Es ist das Hotel, das brennt.
Hektisch versuchen wir, den Feueralarm auszulösen. Irgendwann muss doch jemand kommen. Draußen toben die Demonstranten. "War for war", "Krieg für den Krieg" hat jemand an die Zapfsäulen einer ausgeplünderten Tankstelle geschrieben, die ganz in der Nähe ist. Jetzt verstehe ich, was gemeint ist. Dann endlich ist es vorbei. Die Polizei holt uns aus dem Hotel. Ich kann nichts mehr sehen. Das Treppenhaus ist voller Qualm. Ein Beamter zieht mich am Arm durch die Gänge, die Treppen runter, durch die zersplitterte Eingangstür.
"Weg vom Haus" fordert ein Polizist. "Es könnte etwas explodieren." Ich laufe zum Nachbarhaus. Plötzlich feuert die Polizei Tränengasgranaten in Richtung der Gruppe, zu der ich unterwegs bin. Ich kann nichts mehr sehen. Straßburg - out of Control.
Manuela Pfohl