2009-04-03
Das VG Stuttgart hat mit Beschlüssen vom 02.04. und 03.04.2009 Eilanträgen von Gegnern des NATO-Gipfels gegen das ihnen von der Bundespolizeidirektion Stuttgart verhängte Ausreiseverbot stattgegeben.
Die Bundespolizeidirektion Stuttgart hatte anlässlich angekündigter Demonstrationen im Raum Strasbourg/Frankreich während des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs zum 60. Jahrestag der Gründung der NATO am 03./04.04.2009 in Kehl und Strasbourg, gestützt auf das Passgesetz, den Antragstellern eine Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland nach Frankreich, in die Schweiz und nach Luxemburg bis 05.04.2009, 24.00 Uhr untersagt.
Das VG Stuttgart hat den Eilanträgen mehrerer Gipfelgegner stattgegeben.
Das Gericht ist unter anderem der Auffassung, dem Antragsteller ist nicht zuzumuten, die Ausreiseuntersagung vorläufig zu befolgen, da erhebliche Zweifel an deren Rechtmäßigkeit bestehen. Nach den maßgebenden Vorschriften des Passgesetzes kann die Ausreise eines Bundesbürgers aus dem Gebiet der Bundesrepublik untersagt werden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Betroffene die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Nach Lage der Dinge dürfte die Bundespolizeidirektion zwar zu Recht davon ausgegangen sein, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des NATO-Gipfels u.a. in Strasbourg auch mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen ist. Vorfälle bei internationalen Gipfel-Konferenzen in jüngster Vergangenheit (G20-Gipfel London 2009; G8-Gipfel Heiligendamm, 2007), sowie zahlreiche auch im Internet kursierende entsprechende Aufrufe sprechen als Tatsachen ohne weiteres für eine solche Annahme. Das Gericht hat aber schon Zweifel, ob die Annahme der Bundespolizeidirektion zutrifft, durch ein vom Antragsteller befürchtetes gewalttätiges Verhalten anlässlich von Demonstrationen im Raum Strasbourg/Frankreich aus diesem Anlass könnte dem internationalen Ansehen Deutschlands Schaden zugefügt und damit erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden. Mit der verfügten Ausreiseuntersagung sei in schwerwiegender Weise jedenfalls in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Antragstellers auf Ausreisefreiheit eingegriffen worden. Für das Gericht sei nicht zu erkennen, dass gerade der Antragsteller zu dem Personenkreis gehört, bei dem bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch seinen Aufenthalt in Frankreich vor, während und nach dem NATO-Gipfel eine Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland ernsthaft zu befürchten ist. Soweit die Bundespolizeidirektion hierzu vorträgt, gegen den Antragsteller lägen "umfangreiche Erkenntnisse beim Bundeskriminalamt" vor, werden hierzu keinerlei belastbare Belege oder Unterlagen dargetan. Die Ausreiseuntersagung verstoße zudem gegen den Schengener Grenzkodex des Europäischen Parlamentes und des Rates. Danach ist die Wiedereinführung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen nur im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit erlaubt. Mit der Ausreiseuntersagung wolle die Bundespolizeidirektion aber – allein – verhindern, dass das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beschädigt und damit erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden. Eine solche Maßnahme diene nicht der Abwendung einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit. Ihre Anordnung im Rahmen der vorübergehend wieder eingeführten Grenzkontrollen an einer Binnengrenze verstoße daher gegen die Bestimmungen des Schengener Grenzkodexes.
Gegen die Beschlüsse ist die Beschwerde an den VGH Baden-Württemberg gegeben.