2009-04-03
Nach Zusammenstößen mit Nato-Gegnern hat die französische Polizei in der Nacht in Straßburg 200 Menschen festgenommen. Dabei handelte es sich vor allem um Jugendliche. Die Polizei ging davon aus, dass sich die Proteste in den kommenden beiden Tagen an den beiden Veranstaltungsorten des Jubiläumsgipfels der Militärallianz in Frankreich und Deutschland weiter zuspitzen.
Mehr als 500 Demonstranten versuchten, sich am Vorabend des Gipfeltreffens im Zentrum von Straßburg zu versammeln. Ihre Zahl schwoll an, als sich zahlreiche Jugendliche aus den Vororten anschlossen. Dabei kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Nach deren Einschätzung haben die Zusammenstöße am Rande des G20-Treffens in London die Wut der Demonstranten angeheizt.
Anti-Nato-Bewegung: „Keine Sympathie für die Randale“
Bereitschaftspolizisten feuerten Tränengas auf vermummte Jugendliche, die trotz massiver Absperrungen in die Innenstadt von Straßburg vordringen wollten. Auf ihrem Weg warfen die Nato-Gegner die Fenster einer Polizeiwache ein, zündeten Mülltonnen an, zerkratzten Autos und bauten Barrikaden. In einem Fall zog ein Soldat sogar seine Pistole und richtete sie in den Himmel, nachdem ein Vermummter zuvor eine Stange durch die Frontscheibe eines Militärfahrzeuges gerammt hatte.
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Auch am Rande eines Zeltlagers von Nato-Gegnern vor den Toren von Straßburg kam es zu Zusammenstößen. Jugendliche bewarfen Sicherheitskräfte mit Steinen. Diese antworteten mit Tränengas und Gummigeschossen und drängten die Demonstranten zurück in das Lager.
Die Anführer der Anti-Nato-Bewegung verurteilten die Gewalt. „Wir hegen keine Sympathie für die Randale“, sagte Reiner Braun von den Organisatoren des Zeltdorfes. In Baden-Baden versammelten sich etwa hundert Menschen zu einer friedlichen Demonstration. Sie forderten die Staaten auf, weniger Geld für ihre Armeen und mehr im Kampf gegen die Armut auszugeben.
Am Freitag wird der amerikanische Präsident Barack Obama zu dem zweitägigen Nato-Gipfel erwartet, der zum sechzigjährigen Bestehen des Bündnisses erstmals von Deutschland und Frankreich gemeinsam ausgerichtet wird. Allein auf deutscher Seite sind knapp 15.000 Polizisten zum Schutz des Treffens im Einsatz. Der Verfassungsschutz rechnet mit bis zu 20.000 Demonstranten, davon etwa 3000 gewaltbereiten Linksextremisten.
„Wer in London ist, der kommt nicht mehr nach Baden-Baden“
Einen Grund für das bislang zunächst geringe Echo der Nato-Gegner auf der deutschen Rheinseite sah die Polizei im Zeitplan: „Wer in London ist, der kommt nicht mehr nach Baden-Baden“, sagte ein Polizeisprecher. In London hatten am Mittwoch und Donnerstag tausende Demonstranten gegen den G20-Gipfel protestiert (siehe auch: G-20-Gipfel: Proteste in London eskalieren). Monty Schädel, einer der Köpfe der NATO-Gegner, kritisierte, die Polizei in Baden-Baden schüchtere Demonstranten ein und schicke sie aus der Stadt wieder heraus.
Bei der friedlichen Kundgebung in Baden-Baden wandten sich die Nato-Gegner unter anderem gegen den Afghanistan-Einsatz sowie die hohen internationalen Rüstungsausgaben der Nato. Ursprünglich war mit 400 Demonstranten gerechnet worden. Die Polizei war mit rund 20 Mann und mehreren Mannschaftswagen im Einsatz.
Grenzkontrollen massiv verstärkt
Die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Frankreich wurden vor Beginn des Nato-Gipfels massiv verstärkt. „Wir sehen uns die Insassen aller Autos genau an“, sagte ein Polizeisprecher in der badischen Grenzstadt Kehl. In Deutschland wurden nach Angaben eines Sprechers der Bundespolizei in Stuttgart zunächst 46 Ausreiseverbote gegen mutmaßlich gewaltbereite Gipfelgegner verhängt. Die französische Polizei wies ihrerseits eine nicht bezifferte Anzahl von Einreisewilligen ab.
Im Streit um die Zulassung von zwei Journalisten zur Berichterstattung über den Nato-Gipfel errang das Bundeskriminalamt (BKA) unterdessen einen juristischen Erfolg. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel gab der Beschwerde des BKA gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden statt. Das Gericht hatte das BKA verpflichtet, Auskünfte an die Nato im Akkreditierungsverfahren zurückzunehmen. Das Bundeskriminalamt hatte hingegen erklärt, seine Einbindung bei der Akkreditierung für Großveranstaltungen sei „üblich und aus Sicherheitsgründen notwendig“.