2009-04-02
Berlin (LiZ). "Das Innenministerium trägt eine hohe Verantwortung für alle Repressionen anlässlich des Nato- Gipfeltreffens", so Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) angesichts ständig neuer Ankündigungen repressiver Maßnahmen durch das Bundesinnenministerium unter Wolfgang Schäuble (CDU). Bürgerrechtler vom "bündnis für politik- und meinungsfreiheit" (bpm) kritisieren die "massive Einschränkung der Mobilität und Demonstrationsfreiheit von Gegnern des Nato-Gipfels. Trotz Aufhebung des Einreiseverbots nach Frankreich für Berliner Journalisten, bestehe die Nato weiterhin auf ein Akkreditierungsverbot.
Gehrcke, Sprecher für internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE hatte dem Bundesinnenministerium angeboten, er stehe für Gespräche für einen "gewaltfreien Verlauf der berechtigten und sinnvollen Proteste gegen den Nato-Gipfel" zur Verfügung. Dies sei vom Innenministerium zurückgewiesen worden, so Gehrcke.
Das Ministerium habe sich längere Zeit in Schweigen gehüllt und der Parlamentarische Staatssekretär Peter Altmayer habe dann mit Datum vom 1. April mitgeteilt, dass es nach Einschätzung Altmayers "keines zusätzlichen Ansprechpartners bei den zuständigen Behörden bedarf". Gehrcke: "Deeskalation ist offensichtlich unerwünscht."
In dieser Woche wurde dem Berliner Journalisten Björn Kietzmann die Einreise nach Frankreich verboten, als dieser sich auf dem Weg zum Camp der Nato-Gipfelgegner/innen befand. Bereits ein Tag zuvor wurde einem Küchenteam die Einreise verweigert, Züge fahren nicht mehr bis nach Strassbourg und es häufen sich weitere Meldungen über Schikanen gegenüber Mobilitäts- und Demonstrationsfreiheiten der Gipfelgegner/innen.
Bei dem gegen Björn Kietzman ausgesprochenen Einreiseverbot handelt es sich um eine konkrete Einschränkung der Pressefreiheit, wie sie bereits bei den Gipfelprotesten in Heiligendamm 2007 gegenüber Journalist/innen ausgesprochen wurde. Damals konnte die Grundrechtsausübung über deutsche Gerichte erstritten werden. Heute konnte Kietzmann im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden zwar das Einreiseverbot aufheben, in dem die Weiterleitung seiner Eintragung in der Polizeidatenbank, der so genannten "LIMO-Datei" ("Straftäter linksmotiviert"), vom BKA an die Nato als unrechtmäßig erklärt wurde. Die Nato verweigert ihm jedoch weiterhin die Akkreditierung als Pressevertreter.
"Es ist ein Skandal sondergleichen, dass elementare Grund- und Menschenrechte durch die Nato dermaßen eingeschränkt werden können", so Sören Steffe, ein Geschäftsführer des bündnis für politik- und meinungsfreiheit (bpm). "Das 60-jährige Jubiläum von Militär und Kapital zeigt in der Repression gegen kritische Stimmen seine eigentliche Intention: während einerseits in undifferenzierten Berichterstattungen über 'Chaoten' oder 'Krawallmacher' berichtet wird, werden andererseits die durch die Nato-Gegner/innen kritisierten gesellschaftspolitischen Verhältnisse verharmlost und ihre Kritik kriminalisiert."
Dass für das Einreiseverbot gegen Kietzmann ein Eintrag in der so genannten LIMO-Datei als Begründung galt und weiterhin der Nato für das Akkreditierungsverbot gilt, zeige einmal mehr den unverantwortlichen Umgang staatlicher Behörden mit Datensammlungen, die weniger der allgemeinen Sicherheit als der Angst vor kritischen Äußerungen und einem Handeln danach dienten.
Das bpm kritisiert bereits seit den Studierendenprotesten 2006 die Kriminalisierungs- strategien deutscher Sicherheitsbehörden, insbesondere die Datenspeicherung in der LIMO-Datei. Nach den damaligen Protesten wurde bekannt, dass das BKA unrechtmäßig Daten von über 200 Studierenden, die im Juni 2006 bei einer Autobahnblockaden festgenommen wurden, in der polizeilichen Datenbank mit einem "LIMO"-Eintrag versehen hatte.
Zwar konnte erreicht werden, dass fast alle Einträge gelöscht wurden, jedoch bleibt weiterhin unklar, über wen und mit welchen Begründungen polizeiliche Datenbanken, die die Stigmatisierung linker Aktivist/innen vorantreiben, geführt werden.
"Dank BKA-Gesetz und Verschärfungstendenzen im Versammlungsrecht haben deutsche Sicherheitsbehörden die geeigneten Mittel um mit politischem Kalkül unbequeme Kritik zu kriminalisieren und zu unterdrücken. Da die politischen Ziele der Staaten unlängst den Interessen einer globalen und freien Verwertungslogik unterworfen sind, werden Demokratie- und Meinungsfreiheiten umfassend beschränkt", so Johanna Völker, ebenfalls Geschäftsführerin des bpm.