2009-03-24
Bevor morgen die ersten NATO-Gegner das Convergence Center in der KTS beziehen, erklärt Polizeisprecher Matthias Zeiser im fudder-Interview die Spielregeln für die Demonstranten. Ein Besuch in der wohlumzäunten Heimat der BAO Atlantik.
Herr Zeiser, welche Aufgabe haben Sie im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel?
Als im Sommer 2008 bekannt wurde, dass der NATO-Gipfel in Kehl und Baden-Baden stattfinden soll, haben wir damit begonnen, einen Planungsstab für die BAO (Besondere Aufbauorganisation) Atlantik einzurichten. Ein echtes Großprojekt. Ganz am Anfang waren wir 18 Leute. Ich bin für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Wir werden rund 14.600 Kolleginnen und Kollegen im Einsatz haben.
Was bedeutet das für Freiburg?
Der Großteil dieser Beamten wird nicht in Freiburg sein, sondern im nördlichen Bereich, von Kehl Richtung Baden-Baden. Hier an der Akademie werden sich rund 400 Leute aufhalten und den Einsatz steuern. Hier erfolgt die gesamte Einsatzleitung. Dennoch wird man vom Einsatz in Freiburg wenig merken. Vielleicht sogar gar nichts.
Auch für Freiburg sind Demonstrationen gegen den NATO-Gipfel angekündigt worden.
Ob zusätzlich zum 30. März Demonstrationen in Freiburg stattfinden werden, wissen wir noch nicht.
Die Befehlsstelle an der Müllheimerstraße gleicht einem Hochsicherheitstrakt und ist passenderweise mit NATO-Drahtrollen umgeben. Freiburger Bürger könnten sich da schon fragen, ob der Gipfel nicht doch ihre Stadt betrifft.
Zu taktischen Einzelheiten, wie und warum wir diese Sicherung haben, sage ich nichts. Nur soviel: wir müssen solch eine Einrichtung angemessen sichern. Natürlich haben wir diskutiert, was angemessen ist. Ein Ergebnis ist das, was Sie sehen.
Welche Ziele verfolgt die Polizei während des NATO-Gipfels?
Es besteht eine hohe Gefährdung durch den internationalen Terrorismus - auch, wenn wir keine konkreten Anhaltspunkte dafür haben, dass ein Anschlag passieren könnte. Der Schutz der Staatsgäste hat für uns höchste Priorität. Außerdem sind im Internet auf den einschlägigen Seiten Blockaden angekündigt worden, die wir verhindern werden. Friedliche Versammlungen werden wir gewährleisten. Laut Grundgesetz darf sich in Deutschland jeder friedlich und ohne Waffen versammeln. Unfriedliche Versammlungen jedoch wollen wir verhindern. Gewalttätige Versammlungen dulden wir nicht.
Und unangemeldete Versammlungen?
Das ist was anderes. Das sind Fragen des Versammlungsrechts. Das neue Versammlungsgesetz gilt übrigens noch nicht, Grundlage ist das bisher bestehende Versammlungsrecht.. Eine Besonderheit ist, dass es während des NATO-Gipfels eine zentrale Versammlungsbehörde gibt, beim Regierungspräsidium Karlsruhe. Das ist per Rechtsverordnung geändert worden.
Man muss also eine Demonstration in Karlsruhe anmelden, selbst, wenn sie in Freiburg stattfinden soll?
Genau, zumindest in diesem Zeitraum.
Inwieweit werden Sie Demonstrationen von NATO-Gegnern dulden?
Wie gesagt, in Deutschland kann jeder seine Meinung kundtun, solange er das friedlich und ohne Waffen macht. Da ist nicht unsere Toleranz gefragt sondern das Kriterium, was rechtens ist. Wenn jemand sagt: „Ich bin gegen die NATO“, dann kann er das machen. Friedlich und ohne Waffen. Das gewährleisten wir. Eine Ausnahme bildet der engere Veranstaltungsbereich ab Sicherheitszone 4. Dort ist das aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Wir müssen zum Beispiel gewährleisten, dass ein Rettungswagen einen Bürger in der Sicherheitszone genauso schnell erreicht wie im Normalfall.
Es ist zu erwarten, dass sich friedliche und unfriedliche Demonstrationsteilnehmer vermischen werden. Wie wollen Sie die trennen?
Das ist tatsächlich die schwierige Aufgabe, die wir lösen wollen. Wir haben taktische Maßnahmen, solche Differenzierungen zu erkennen. Natürlich ist es unser Ziel, dass unfriedliche Menschen gar nicht erst zur Veranstaltung kommen.
Welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich in der Vergangenheit gemacht?
Es ist schon passiert, dass sich friedliche mit gewaltbereiten Demonstranten vermischt haben. Und dass sich daraus eine Eigendynamik entwickelt hat. Aber wie gesagt: unser Ziel ist es, dass wir das schon vorher erkennen.
Suchen Sie im Vorfeld bereits das Gespräch mit den Teilnehmern dieser Demonstrationen? Das Convergence Center, in dem sich ab morgen die Gipfelgegner sammeln werden, liegt ja immerhin in Ihrer direkten Nachbarschaft.
Die Versammlungsbehörde führt im Vorfeld sogenannte Kooperationsgespräche mit den Versammlungsanmeldern, in die wir eingebunden und beteiligt sind: „Wie ist der Versammlungsweg? Wie kommunizieren wir während der Versammlung, auch, wenn es schwierig wird?“ Diese Fragen versuchen wir vorher zu klären. Im Einsatz selbst werden wir kommunikativ arbeiten.
Was heißt das?
Wir werden viele Polizeibeamte einsetzen, die nicht in Schutzausstattung unterwegs sind, sondern in normaler Uniform oder in Zivil. Sie werden versuchen, direkt mit den Versammlungsteilnehmern zu kommunizieren. Wir nennen sie „Anti-Konflikt-Teams“. Das hat sich bewährt. Wenn das Gewaltpotenzial ein gewisses Maß überschreitet, hilft auch ein Anti-Konflikt-Team nicht. Aber in Situationen, in denen sich eine Gewaltstimmung aufbaut, können diese geschulten Kräfte deeskalierend wirken und das Ganze in friedlichen Bahnen halten.
Sie sagen, dass Sie mit den Versammlungsanmeldern im Vorfeld einer Demonstration reden. Was verbieten Sie den Anmeldern?
Wir wollen zum Beispiel keine Blockaden, wie sie auch angekündigt sind. Das sind Nötigungstatbestände, die wir nicht dulden werden.
Einige Bürger in Kehl und Baden-Baden wohnen mitten in abgesperrten Sicherheitszonen. Inwieweit sind sie während des Gipfels in ihrer Freiheit eingeschränkt?
Uns ist es wichtig, eine Balance herzustellen zwischen Erfordernissen der Sicherheit und den Belangen der Bevölkerung. Wir haben sehr viel gesprochen mit den Bürgern in den Sicherheitszonen und beispielsweise Tagesabläufe besprochen und Kommunikationswege festgelegt.
Wenn jemand in der Sicherheitszone 4 in Kehl oder in Baden-Baden wohnt, darf er dann während des Gipfels das Haus verlassen?
Ja. Jeder darf grundsätzlich tun, was er möchte. Allerdings wird er von Polizisten begleitet, wenn er das Haus verlassen will. Und wenn jemand spontan einen Bewohner dieser Zone besuchen möchte, ist das auch möglich. Er wird dann innerhalb der Sicherheitszone von Kollegen bis zur Haustür begleitet. Wenn der Besucher wieder gehen möchte, und sei es nachts um 3, begleiten wir ihn wieder zurück.
Zur Person
Matthias Zeiser, 41, ist Kriminaloberrat und Sprecher der Gesamteinsatzleitung der BAO Atlantik. Davor war er unter anderem stellvertretender Leiter der Kriminalpolizei in Freiburg und Leiter der Kriminalpolizei Villingen-Schwenningen.