2009-03-23
60. NATO-Geburtstag sorgt im deutsch-französischen Grenzgebiet für den Ausnahmezustand
Von Peter Nowak
Für einen reibungslosen Ablauf des 60. NATO-Geburtstages versetzen die Behörden das deutsch-französischen Grenzgebiet in einen Ausnahmezustand. Auf beiden Seiten des Rheins deutet sich ein massives Polizeiaufgebot an.
Wer in den kommenden Tagen nach Frankreich reist, darf seinen Ausweis nicht vergessen. Den muss jeder Frankreichbesucher vom 20. März bis 5. April an der Grenze vorzeigen. In diesem Zeitraum ist das Schengenabkommen für Frankreich außer Kraft gesetzt. Damit soll nach Angaben des französischen Einwanderungsministeriums ein reibungsloser Ablauf des Natogipfels gewährleistet werden, der am 3. und 4. April im deutsch-französischen Grenzgebiet zwischen Kehl, Straßburg und Baden-Baden stattfindet. Während Antimilitaristen europaweit zu Blockaden und Demonstrationen gegen den Nato-Gipfel mobilisieren, gehen auch die monatelangen Vorbereitungen des polizeilichen Planungsstabes in die Endphase.
Nach Angaben des Polizeipräsidenten von Baden-Württemberg Erwin Hetger sollen für den Schutz des Natogipfels 14.600 Polizeibeamte auf deutscher Seite eingesetzt werden. Die französische Seite hat sich bisher zur Anzahl der eingesetzten Polizeikräfte nicht geäußert, was auf Seiten der Protestgruppen für Unsicherheit sorgt.
Zumal es noch keine Erfahrungen mit Polizeireaktionen auf Aktionen des gewaltfreien zivilen Ungehorsams in dieser Größenordnungen und mit internationaler Beteiligung gibt, wie Martin Singe vom Komitee für Grundrechte und Demokratie gegenüber ND betont.
Ein Sprecher der Gruppe Gipfelsoli, die seit mehreren Jahren den polizeilichen und staatlichen Umgang mit internationalen Gipfelprotesten analysiert und auf ihrer Homepage http://www.gipfelsoli.org/ dokumentiert, weist auf die Taktik der französischen Polizei hin. Ihr gehe es nicht primär um Festnahmen sondern um die Zerstreuung von Menschenmengen oft unter Einsatz von Tränengas. Darauf wird auch in den Tipps einer Rechthilfegruppe des Anti-Natobündnisses hingewiesen, die unter http://wri-irg.org/node/6987 im Internet zu finden sind.
Streit um Demos und Camp
Weiterhin umstritten sind die Routen der beiden Demonstrationen gegen den Natogipfel, die für den 3.April in Baden-Baden und den 4. April in Straßburg angemeldet sind. So kritisiert der Anmelder der Demonstration in Baden-Baden Monty Schädel gegenüber ND, dass ein geplanter Infopunkt für Demonstranten in der Nähe des Bahnhofs von der Polizei abgelehnt wird und die Demonstration knapp 2,5 Kilometer vom Gipfelort enden soll. Auf der anderen Seite des Rheins klagen die Vorbereiter der Großdemonstration am 4. April in Straßburg ähnliche Probleme. Auch dort will die Polizei eine Route nur weit vom Gipfelgeschehen entfernt genehmigen.
Sogar über das im Straßburger Vorort Gürzenau geplante Protestcamp, das den Natogegnern als Übernachtung dienen soll, wird wieder gestritten. Vierzehn Tage vor der geplanten Camp-Eröffnung habe die Präfektur Zusagen widerrufen und mit der Forderung nach Abschluss eines Vertrags mit einschränkenden Klauseln für Chaos gesorgt, klagt das französische Anti-Nato-Bündnis „Widerstand der zwei Flüsse“ in einer Pressemitteilung.
Wer im Rahmen der Proteste festgenommen wird, dürfte zumindest auf deutscher Seite seinen Schlafplatz sicher haben. Nach Angaben des Pressereferenten des Landesinnenministeriums von Baden-Württemberg Günther Loos seien in den Justizvollzugsanstalten Rastatt und Kehl Plätze für den Polizeigewahrsam bereitgestellt worden.
Leben in der Sicherheitszone
Auch für viele Bewohner von Baden-Baden, Kehl und Straßburg bedeutet das Gipfelwochenende ein Leben im Ausnahmezustand. Die öffentlichen Einrichtungen sind weitgehend geschlossen, der Zug-, Nahverkehrs- und Schiffsverkehr unterbrochen. In der Roten Zonen in der Nähe der Gipfelorte dürfen sich nur Menschen aufhalten, die in ihrem Ausweis dort ihren Wohnsitz nachweisen können. Wie weit die Einschränkungen für die Bewohner gehen, machte der Ortenauer Polizeichef Reinhard Renter im Gespräch mit besorgten Anwohner aus Kehl deutlich. Wenn jemand in der Roten Zone nachts seinen Hund ausführen muss, solle er über eine Hotline melden. Dann werde er von einem Polizeibeamten bei seinem nächtlichen Spaziergang begleitet.