2009-03-13 

Die NATO – der alte Feind

Radikale Linke führten seit 1968 viele Kampagnen gegen das Militärbündnis
Von Gerhard Hanloser

Zuletzt waren Anti-NATO-Kampagnen in den 80er Jahren in der radikalen Linken angesagt. Sie machte damals besonders auf die Rolle der Bundesrepublik aufmerksam, die in der traditionellen Friedensbewegung unterbelichtet gewesen sei. Diese Botschaft ist heute Allgemeingut.

Einige wenige freuen sich über den bevorstehenden »Doppelgipfel« Anfang April in Kehl und Straßburg, wo die NATO auf der deutschen und französischen Seite des Rheins ihr 60. Jubiläum feiert. Zum Beispiel die Baden-Badener Winzergenossenschaft, die laut Pressemitteilung eine besonders schöne Geschäftsidee ersonnen hat: Den NATO-Wein. Ihr Geschäftsführer, Thomas Goth, erklärte begeistert: »Es ist ein überwältigendes Gefühl zu wissen, dass unser Wein von Spitzenpolitikern aus aller Welt am 3. April getrunken wird.« Es soll sich um einen weißen, trockenen Riesling Kabinett und einen roten, trockenen Spätburgunder handeln. Die NATO, das wissen Gegner dieser nun 60 Jahre bestehenden Organisation, ist bloß alter Wein in neuen Schläuchen. Ältere Semester der radikalen Linken erinnern sich sogar noch, wie aus dem SDS heraus eine Anti-NATO-Kampagne lanciert wurde.

Auf dem Internationalen Vietnam-Kongress in Berlin erklärte Hans Jürgen Krahl 1968 vor 5000 Teilnehmern: »Die Stufen vom Protest zum politischen Widerstand können sich nur realisieren, wenn wir den Versuch machen, eine große und gemeinsame Kampagne zur Wehrkraftzersetzung der NATO-Armee in Westeuropa zu organisieren.« Heraus kam die nicht unumstrittene, weil militaristisch klingende Parole »NATO zerschlagen!«. Die Rote Armee Fraktion konnte sich anfangs mit ihren Anschlägen auf Zentralen der US-Army in Deutschland auf diese Diskussionen beziehen.

Die vielen Unterstützungsaktionen für desertierte US-GIs, die sich ebenfalls an der antiimperialistischen Parole des Vietnam-Kongresses orientierten, sind dagegen wenig präsent in der Erinnerung der radikalen Linken.

In den 80er Jahren spielten Kampagnen gegen das Militärbündnis in der autonomen Szene eine wichtige Rolle. Die Revolutionären Zellen gaben die etwas bescheidenere Parole aus: »NATO zernagen!«. Sie nahmen besonders die Rolle der Bundesrepublik aufs Korn. Diese dürfe nicht unterschätzt werden, wie es zuweilen die traditionelle Linke und die Friedensbewegung tue. Die BRD als NATO-Mitglied müsse als »Frontstaat gegen den konkurrierenden Machtblock« angesehen werden, »um in ständiger Erstschlagsdrohung eben diese Konkurrenz weltweit zu neutralisieren, langfristig zu zerschlagen«. Außerdem sei die BRD »Hinterland mit zumindest umfangreicher logistischer Beteiligung bei Interventionen in Arabien, Afrika und Asien« und »vorantreibende Kraft bei der Integration Westeuropas zum erstarkten Standbein in der NATO«, so erklärte eine Revolutionäre Zelle Anfang der 80er Jahre. Nach einer öffentlichen Rekrutenvereidigung am 6. Mai 1980 in Bremen bildete sich eine neue Anti-Kriegs-Bewegung, die sich mit der autonomen Hausbesetzerbewegung verband. Die Gruppen recherchierten und blockierten unter anderem die Strecken der Munitionstransporte, später fanden oft auch militante Demonstrationen gegen die NATO-Herbstmanöver statt. Diese Phase linker Geschichte ist vorbei. Die damalige Massenmilitanz vor dem NATO-Stacheldraht ist Vergangenheit.

Doch die randständigen Erkenntnisse von damals sind heute Allgemeingut. Unter den jetzigen friedensbewegten Aktivisten ist spätestens seit dem Kosovokrieg von 1999 die hervorstechende Rolle der Bundesrepublik kein Geheimnis mehr. Im Krieg in Afghanistan hat Deutschland eine entscheidende Funktion. Die Aufrufe des Aktionsbündnisses, das für eine Anti-NATO-Demonstration am 30. März in Freiburg mobilisiert, klingen kämpferisch. Nicht zufällig erinnert das Motto »Make Militarism History! Gegen Krieg, Kapitalismus und innere Sicherheit« an die Parole zum G8-Treffen in Heiligendamm, wo die Gegendemonstranten forderten: »Make Capitalism History!«

Allerdings ist die Mobilisierung kaum vergleichbar. Noch ist die Zahl der zu Demonstrationen und Blockaden strömenden Friedensaktivisten, Antimilitaristen und Clowns-Army-Angehörigen noch nicht abzuschätzen. Das Aktionsbündnis will in Straßburg ein großes Camp für bis zu 8 500 Menschen errichten. Mit bis zu 25 000 Demonstranten wird gerechnet.