2009-03-08
Aufruf zum sozialrevolutionären und antinationalen Block auf der Krisen-Demo am 28.03. in Frankfurt/M
Die Wirtschaftskrise, an deren Beginn wir stehen, ist die schwerste Krise seit dem Crash der Weltwirtschaft in den 1930er Jahren. Damals war der Finanzkrach von 1929 erst das Vorbeben der großen Krise, mit ihren Millionen von Arbeitslosen und massenhafter Verelendung und dem „Konjunkturprogramm“ Aufrüstung und Krieg. Kommen wie damals die dicken Brocken in den nächsten ein bis zwei Jahren also erst noch auf uns zu?
Verantwortlich für die Krise sind nicht irgendwelche gierigen Finanzmanager und Spekulanten. Auch nicht die ArbeiterInnen in den USA, die ihre Häuser mit Krediten kaufen mussten, die sie nicht zurückzahlen konnten. Es ist die „freie Marktwirtschaft“ selbst, das kapitalistische Wirtschaftssystem, das immer wieder eine Überproduktion an Waren erzeugt, die keine Käufer mehr finden. Hinzu kommt, dass das Kapital durch die Produktion von Waren, also durch die Ausbeutung unserer Arbeit, keinen „ausreichenden“ Profit mehr erzielt und deshalb z.B. in spekulative „Finanzprodukte“ investiert hat.
Noch kann niemand sagen, ob wir gerade den Anfang vom Ende des Kapitalismus erleben, oder ob sich dieser auf Kosten der Ausgebeuteten dieses Planeten „gesundgeschrumpft“ und „modernisiert“ aus dieser tiefen Krise erheben wird. Viele Menschen fangen aber gerade an, die Dinge klarer zu sehen und verstehen, dass freie wie soziale „Marktwirtschaft“ – also Kapitalismus im Normalbetrieb – auch jenseits ihrer Krisen genug gesellschaftliches Elend rund um den Globus hervorbringen: stumpfsinnige Lohnarbeit, Umverteilung von Macht und Vermögen zugunsten Weniger, Erwerbslosigkeit, psychische Erkrankungen, Krieg, Umweltzerstörung, Hunger, Durst und Tod.
Der Kapitalismus bringt seine Krisen selbst hervor. Sie treten mehr oder weniger regelmäßig auf, wenn auch nicht weltweit überall gleichzeitig. Kapitalvernichtung an der einen Stelle eröffnet neue Möglichkeiten zur Kapitalverwertung an einer anderen Stelle. Das mit diesen Prozessen verbundene massenhafte menschliche Leid spielt für den Kapitalismus keine Rolle, solange es nicht in Aufstand, Revolte oder Revolution übergeht. Das Kapital spricht von Krise, sobald seine Profite zurückgehen.
Die Gegenüberstellung eines »bösen« neoliberalen Kapitalismus, auch als „Casino“-, „Turbo“-, oder Finanzkapitalismus bezeichnet, und eines »guten«, produktiven, schaffenden, gar sozialmarktwirtschaftlichen Kapitalismus, täuscht und lenkt davon ab, dass es nur einen Kapitalismus gibt.
Konjunkturprogramme sind Krisenverschiebungsprogramme, in jeder Hinsicht. So versuchen sie die Verlaufskurven der Krise in den kapitalistischen Zentren abzuflachen und die Klassenkämpfe, jedenfalls die von unten, in Grenzen halten, damit Kapital und Staat an der Macht bleiben. Wir sollen die milliarden- bis billionenschwere Rettung von Banken und Konzernen durch Lohnkürzungen, verschärften Leistungsdruck, Arbeitszeitverlängerungen, Verschuldung, neue Abgaben, Preissteigerungen, höhere Steuern, Einsparungen und Kürzungen von Sozialleistungen bezahlen.
„Après moi le déluge! ( Nach mir die Sintflut!) ist der Wahlaufruf jedes Kapitalisten und jeder Kapitalistennation. Das Kapital ist daher rücksichtslos gegen Gesundheit und Lebensdauer des Arbeiters, wo es nicht durch die Gesellschaft zur Rücksicht gezwungen wird. Die Klage über physische und geistige Verkümmerung, vorzeitigen Tod, Tortur der Überarbeit, antwortet es: Sollte diese Quälerei uns quälen, da sie unsere Lust (den Profit) vermehrt?“
(Karl Marx, 1818-1883)
Staat und Nation: Teil des Problems
Gegen die wiederkehrende Bedrohung durch die kapitalistischen Krisen entwickelt sich die Ideologie natio-naler Schicksalsgemeinschaft klassen¬über¬grei¬fend als angeblich natürlicher Anspruch auf staatliche Fürsor-ge in der Not. Das ist aber paradox, weil der Staat selbst die Rahmenbedingungen der kapitalistischen Konkurrenz sichert (z.B. durch den Schutz des Pri¬vateigentums an Produktionsmitteln) und nun zugleich das Gegengift zum Konkurrenz- und Profitmaximie¬rungszwang liefern soll. In den nationalen Appellen von Politik und DGB-Gewerkschaften ans „gemeinsa¬me Schicksal“ soll der Staat also genau das gute Le¬ben gewährleisten, das seine Gesellschaftsordnung ständig verhindert. Da jeder Staat in seiner Existenz auf die Funktion eben dieser kapitalistischen Ordnung angewiesen ist – Stichwort Steuern – dürfen alle noch so gut gemeinten Reformvorschläge den eigenen Standort und seine Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt schließlich nicht schädigen. Staatliche Politik meint daher wesentlich die Anpassung an die Sachzwänge des Kapitals.
Das verweist auf das grundsätzliche Dilemma jener Linken, die den Kapitalismus mit Hilfe des Staates reformieren wollen. Da jede begrenzte Verbesserung im „eigenen“ Standort letztlich finanziert werden muss, reproduzieren sie notwendigerweise das Problem, das sie doch beheben wollen. Auf den Nationalstaat beschränkte Verbesserungen, wie etwa ein Existenzgeld, bergen dazu die Gefahr, dass sie z.B. auf Kos¬ten von MigrantInnen reaktionär und autoritär organi¬siert werden. Lafontaine spricht folglich nur die dunkle Seite des Reformismus von Attac und Linkspartei aus, wenn er gegen „Fremdarbeiter“ hetzt und Abschiebelager in Nordafrika fordert: Es droht jederzeit das Urteil der Untauglichkeit fürs nationale Pro¬jekt. Und je brüchiger der tatsächliche Zusammenhalt, desto dringlicher wird die Rückversicherung auf die nationale Identität und desto gnadenloser der Hass auf die, die dem nationalen Fortkommen (tatsächlich oder angeblich) im Weg stehen.
Dagegen setzen wir einen Kampf, der sich nicht den Kopf des Staates zerbricht, sondern auf ein gutes Leben für alle Menschen weltweit zielt. Etwas besseres als die Nation finden wir allemal.
Wir können auch anders!
„Wir, die Arbeiter haben all diese Paläste und Städte in Spanien, Amerika und überall sonst gebaut. Wir, die Arbeiter, können neue an ihrer Stelle bauen. Und bessere! Wir fürchten uns nicht im geringsten vor den Ruinen. Wir werden die Erben der Erde sein, da gibt es nicht den leisesten Zweifel. Die Bourgeoisie mag ihre Welt zerstören und ruinieren, bevor sie die Bühne der Geschichte verlässt. Wir tragen eine neue Welt in uns, in unseren Herzen. Diese Welt wächst bereits in dieser Minute.“
(Buenaventura Durruti, 1896-1936)
Was auch immer jetzt passieren wird, die Dinge hängen ganz wesentlich von uns ab! Wir können weitermachen wie bisher und weiter als Teil einer Maschine funktionieren, die den Planeten zerstört und massenhaftes Elend hervorbringt. Wir können aber auch anders. Wir sind es, die allen gesellschaftlichen Reichtum produzieren und durch diese Macht können wir auch dafür sorgen, dass es statt ewiger Krisen ein gutes Leben für alle auf dem Planeten gibt. Eine Gesellschaft ohne Knechte und deshalb auch ohne Herren, eine Welt ohne geist- und gesundheitstötende Lohnsklaverei. Für eine Welt, in der die Produktionsmittel, die noch benötigt werden, allen gehören. Eine Welt ohne Lohnarbeit, Kapital und Grenzen.
Eine solche, von den Zwängen von Kapital und Herrschaft befreite Gesellschaft, in der es Wohlstand für alle gibt – nennen wir sie einmal antiautoritärer oder libertärer Kommunismus – werden wir aber nicht geschenkt bekommen. Wir werden sie uns Stück für Stück von denen erobern müssen, die ein Interesse daran haben, dass die gegenwärtige Klassengesellschaft auf Basis von Profit, Konkurrenz, Ausbeutung und Unterdrückung weiter besteht und verwaltet wird.
Wenn wir nicht einfach nur weiter Opfer der kapitalistischen Versuche, die Krise irgendwie abzumildern sein wollen, müssen wir damit beginnen, uns selbst zu organisieren. Sonst dulden wir, dass andere über unser Leben bestimmen und es gegen uns organisieren. Wir brauchen Basisgewerkschaften der Lohnabhängigen – in Opposition zu den DGB-Gewerkschaften – in den Betrieben, um uns vor den Zumutungen der täglichen Ausbeutung zu schützen und als Schule für die Selbstverwaltung und Hebel, um die Maschine anzuhalten. Wir brauchen Komitees und Versammlungen in den Stadtteilen und Jugendzentren, um uns besser vor den zu erwartenden Entmietungen, Strom- und Gasabschaltungen schützen zu können. Wir brauchen selbstverwaltete Strukturen und Räte in allen Bereichen der Gesellschaft, um den Einfluss von Politik und Bürokratie Stück für Stück zurück zu drängen und der Krisenbewältigung auf unserem Rücken einen Strich durch die Rechnung zu machen. Wir brauchen eine soziale Revolution weltweit.
Wir haben eine eigene Auftaktkundgebung organisiert, da wir zwar gemeinsam mit anderen gegen die Bezahlung der Krise durch uns protestieren wollen, im Gegensatz zu anderen aber jede Flickschusterei, d.h. Rettungspakete am Kapitalismus, ablehnen.
Kommt zum sozialrevolutionären und antinationalen Block auf der Krisen-Demo am
Samstag, dem 28.03.2009 nach Frankfurt/M.
Treffpunkt um 12 Uhr in Bockenheim, Senckenberganlage / Beethoven-Platz
Es rufen auf: antifa [ko] * autonome antifa [f] * Campusantifa * ehemalige Antifaschistische Gruppe (Antifa G) * FAU Frankfurt – Gewerkschaft für alle Berufe * IWW Frankfurt * Jugendantifa Frankfurt * Krisengruppe Ffm * ÖkoLinX-Antirassistische Liste Frankfurt * Ökologische Linke Frankfurt
Weitere Infos auf: krise.blogsport.de
V.i.S.d.P. Rolf Schneider, Mühlgasse 13, Frankfurt/M