2009-02-07 

Das Weltsozialforum: Wir zahlen nicht für die Krise. Die Reichen müssen zahlen!

Erklärung der Versammlung der sozialen Bewegungen anlässlich des Weltsozialforums 2009 in Belem (Brasilien).

Wir, die sozialen Bewegungen aus aller Welt, sind anlässlich des 8.Weltsozialforums in Belem im Bundesstaat Amazonien, in dem die Völker sich dem Versuch der Usurpation der Natur, ihrer Ländereien und ihrer Kulturen widersetzt haben, zusammengekommen. Wir befinden uns in Lateinamerika, wo sich die sozialen und indigenen Bewegungen im Laufe des vergangenen Jahrzehnts zusammengeschlossen und das kapitalistische Systemaus ihrer “Kosmovision” heraus radikal in Frage gestellt haben.

In den letzten Jahren haben äußerst radikale soziale Auseinandersetzungen in Lateinamerika zum Sturz neoliberaler Regierungen und zur Machtübernahme von Regierungengeführt, die viele positive Reformen durchgeführt haben, beispielsweise die Verstaatlichungder wichtigsten Wirtschaftssektoren und demokratische Verfassungsreformen.

In diesem Zusammenhang haben die sozialen Bewegungen in Lateinamerika in angemessenerWeise reagiert und beschlossen, die von diesen Regierungen verabschiedetenpositiven Maßnahmen zu unterstützen und eine kritische Distanz zu wahren. Diese Erfahrungen werden dazu beitragen, den entschlossenen Widerstand der Völker gegen die Politik der Regierungen, Unternehmen und Banken, die die Last der Krise denUnterdrückten aufbürden, zu stärken. Wir, die sozialen Bewegungen der Welt, stehen zurzeit vor einer historischen Herausforderung.

Die internationale Krise des Kapitalismus schadet der Menschheit auf verschiedene Weise: Sie wirkt sich auf die Bereiche Ernährung, Finanzen, Wirtschaft, Klima, Energie, Bevölkerungsbewegungen und die Zivilisation an sich aus, da auch die internationale Ordnung und die politischen Strukturen eine Krise durchlaufen.

Wir sehen uns einer globalen Krise gegenüber, die unmittelbare Folge des kapitalistischen Systems ist und deshalb nicht aus dem System selbst heraus gelöst werden kann. Alle bisher zur Bewältigung der Krise getroffenen Maßnahmen zielen lediglich auf die Vergesellschaftung der Verluste ab, um das Überleben eines Systems zu sichern, das auf der Privatisierung strategischer Wirtschaftssektoren, öffentlicher Dienstleistungen, natürlicher Ressourcen und Energieressourcen, die Vereinheitlichung des Produktangebots und somit des Lebens (”Kommoditisierung”) und Ausbeutung der Arbeitskraft und der Natur sowie der Übertragung von Ressourcen von der Peripherie ins Zentrum und von den Arbeitern zur kapitalistischen Klasse beruht.

Das gegenwärtige System beruht auf Ausbeutung, Wettbewerb, Förderung privater Einzelinteressen zum Schaden des Gemeinwohls und der fieberhaften Anhäufung von Reichtümern durch eine Handvoll reicher Menschen. Es führt zu blutigen Kriegen, heizt Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und religiösen Fundamentalismus an und verschärft die Ausbeutung von Frauen und Kriminalisierung von sozialen Bewegungen. Im Zusammenhang mit der derzeitigen Krise werden den Menschen systematisch Rechte vorenthalten. Die wilde Aggression der israelischen Regierung gegen das palästinensische Volk ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht und läuft auf ein Kriegsverbrechen und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinaus und symbolisiert die Vorenthaltung von Rechten gegenüber einem Volk, was auch in anderen Teilen der Welt zu beobachten ist. Die schändliche Straflosigkeit muss gestoppt werden. Die sozialen Bewegungen bekräftigen ihre aktive Unterstützung für den Kampf des palästinensischen Volkes sowie für alle Maßnahmen, die sich gegen die Unterdrückung von Völkern weltweit richten.

Um die Krise zu überwinden, müssen wir das Problem an der Wurzel anpacken und schnellstmöglich Fortschritte im Hinblick auf den Aufbau einer radikalen Alternative erzielen, die das kapitalistische System und die patriarchalische Herrschaft beseitigen würde. Wir müssen auf eine Gesellschaft hinarbeiten, die sozialen Bedürfnissen Rechnung trägt und die Rechte der Natur achtet sowie die demokratische Teilhabe im Zusammenhang mit voller politischer Freiheit unterstützt. Wir müssen dafür sorgen, dass alle internationalen Verträge über unsere unteilbaren bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen individuellen und kollektiven Rechte umgesetzt werden.

In dieser Hinsicht müssen wir einen Beitrag zu einer möglichst großen Mobilisierung der Völker leisten, um mehrere dringende Maßnahmen durchzusetzen, beispielsweise

Der von den feministischen, ökologischen und sozialistischen Bewegungen im 21. Jahrhundert getragene soziale Emanzipationsprozess zielt auf die Befreiung der Gesellschaft von der kapitalistischen Herrschaft der Produktions- und Kommunikationsmittel und Dienstleistungen ab, was durch die Unterstützung bestimmter Formen der Eigenverantwortung erzielt wird, die dem gesellschaftlichen Interesse dienen: kleiner Familienbesitz und öffentliches, gemeinschaftliches, kommunales und kollektives Eigentum.

Diese Alternative ist zwangsläufig feministisch, da es nicht möglicht ist, eine Gesellschaft aufzubauen, die auf sozialer Gerechtigkeit und Gleichberechtigung beruht, wenn die Hälfte der Menschheit unterdrückt und ausgebeutet wird.

Schließlich verpflichten wir uns zur Unterstützung des Aufbaus einer Gesellschaft auf der Grundlage eines Lebens im Einklang mit sich selbst, den anderen und der Umgebung (”elbuen vivir”) durch Anerkennung der aktiven Teilhabe und des Beitrags der indigenen Völker.

Wir, die sozialen Bewegungen, haben die einmalige Chance in der Geschichte, emanzipatorische Initiativen auf globaler Ebene zu entwickeln. Nur durch den sozialen Kampf der Massen können die Völker die Krise bewältigen. Um diesen Kampf zu unterstützen, ist es wichtig, das Bewusstsein zu schärfen und die Mobilisierung von unten zu stärken.

Die Herausforderung für die sozialen Bewegungen besteht darin, die globale Mobilisierung zu bündeln. Darüber hinaus müssen wir unsere Handlungsfähigkeit stärken, indem wir die Bündelung aller Bewegungen unterstützen, die versuchen, Unterdrückung und Ausbeutung zu widerstehen.

Folglich verpflichten wir uns,

Durch diese Forderungen und Initiativen reagieren wir mit radikalen und emanzipatorischen Lösungen auf die Krise.