2009-01-30
Der DGB will mit den Protesten gegen die NATO nichts zu tun haben. Dagegen regt sich Widerstand.
Gespräch mit Andreas Kirchgeßner. Andreas Kirchgeßner ist Vorsitzender des DGB-Ortsverbandes Kehl-Hanauerland
Am 3. und 4. April will die NATO in Strasbourg und Baden-Baden ihr 60jähriges Bestehen feiern. Zu den Protesten wird zur Zeit bundesweit mobilisiert – in welcher Weise beteiligt sich der DGB?
Der örtliche DGB bespricht zur Zeit, wie er an den Protesten teilnimmt. Wir bereiten jedenfalls in breitem Bündnis Veranstaltungen für die Tage vor dem NATO-Treffen vor.
Aber es gibt doch innerhalb des DGB auch Widerstände dagegen …
Natürlich. Möglicherweise hätte sich der Bundes- oder der Landesvorstand des DGB gar nicht um das Thema gekümmert, wenn wir als Ortsverband nicht die Initiative ergriffen hätten.
Der Bundesvorstand hat auf unseren Wunsch nach einer Stellungnahme nicht reagiert – ich vermute, daß er sie an den Landesbezirk Baden-Württemberg weitergereicht hat. Motto: »Regel Du das!« Und der hat beschlossen, daß alle Aktivitäten im Namen des DGB zu unterlassen sind – wir haben den Beschluß aber noch nicht schriftlich vorliegen.
Das haben wir vor wenigen Tagen in Offenburg im Kreisvorstand besprochen –es gibt Widerstand dagegen. Wir werden uns daher überlegen, ob wir nicht einfach als Gewerkschafter des Kreises Ortenau, zu dem Kehl gehört, gegen das NATO-Treffen mobilisieren können.
Muß man diese Entschließung des DGB-Landesbezirks nicht als Anweisung betrachten? Kann sich ein Kreis- oder Ortsverband darüber hinwegsetzen?
So direkt nicht. Aber ich kann mich als Person sehr wohl gegen einen solchen Beschluß wehren – ich werde also trotzdem öffentlich für die Proteste werben. Es ist doch absurd, daß das Hafengebiet von Kehl anläßlich der Feiern teilweise zum Sperrgebiet erklärt werden soll. Da stehen dann 5000 Kollegen plötzlich vor verschlossenen Toren – in diesem Industriegebiet müssen ein Hochofen und eine große Papiermaschine heruntergefahren werden. Das kostet die Unternehmen pro Tag mehrere Millionen, die Kosten für die zeitweise Stillegung werden dann wahrscheinlich wieder auf die Malocher abgewälzt. Hier muß die Gewerkschaft präsent sein.
Rufen noch Einzelgewerkschaften auf?
Bis heute noch nicht, wir arbeiten aber daran. Aber es sieht so aus, daß wir von ihnen zumindest starke Unterstützung bekommen.
Wie reagiert die örtliche Bevölkerung auf die bevorstehenden Feierlichkeiten?
Vereine müssen in diesem Zeitraum auf ihre diversen Feste verzichten. Es stehen dann z. B. keine Hallen mehr zur Verfügung, weil die für die Unterbringung der Polizei und anderer Einsatzkräfte reserviert sind. Wie vor den Protesten gegen G-8-Gipfel in Heiligendamm üben sich die Behörden zur Zeit im Verwirrspiel – die Bevölkerung bekommt jeden Tag eine andere Meldung. Da heißt es z. B., die A 5 werde gesperrt oder die Bundesstraße. Oder daß die Schiffahrt auf dem Rhein eingestellt wird. Wir wissen auch noch nicht, wo die Grenzen zu den Sperrgebieten verlaufen und wer alles einen Sonderausweis braucht, um in seine Wohnung oder zum Arbeitsplatz zu kommen. Die Stadtverwaltung weiß auch nichts genaues.
Die Demonstrationsfreiheit ist grundgesetzlich geschützt. Wie kooperativ sind die Behörden bei der Vorbereitung der Proteste?
Die sind sehr zögerlich. Allerdings haben sie eingesehen, daß etwas getan werden muß – immerhin kommen tausende Demonstranten von außerhalb. Es wurde klargemacht, daß dafür Camps eingerichtet werden müssen. Der Bürgermeister hat auch allmählich kapiert, daß Kehl nicht wiederzuerkennen sein wird, wenn für 5 000 Leute keine Toiletten da sind.
Auch in Frankreich wird gegen die Feiern mobilisiert. Wie kommen die Protestaufrufe bei der dortigen Bevölkerung an?
Wir hatten am Donnerstag ein Abstimmungstreffen, an dem ich teilgenommen habe. Jenseits der Grenze sind die Vorbereitungen schon weiter gediehen als bei uns. Meines Wissens wurde schon die Einrichtung eines Camps vereinbart. Unser Ostermarsch wird direkt von Kehl über die Europabrücke nach Strasbourg führen, wo wir uns mit den französischen Demonstranten vereinen. Es gibt allerdings noch keine Vereinbarung mit der zuständigen Präfektur über den Verlauf der Demonstrationsroute.