2008-12-20
Auf ihrer ersten Pressekonferenz kündigten die VertreterInnen des "Bündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz" erneut massive Proteste an und attakierten Konferenzchef Ischinger
Fast könnte mensch meinen, dass unkluge und provokante Aussagen zum Marketing der Veranstalter der Münchner "Security Conference" dazu gehören. Horst Teltschik geriet gegen Ende seiner "SiKo"-Tätigkeit wegen seines Bedauerns demokratischer Meinungsäußerungen in die Kritik. Sein Nachfolger Wolfgang Ischinger, der von nun an als Veranstalter der NATO-Konferenz fungieren wird, "feierte" seinen Einstand nun in der Süddeutschen Zeitung mit ahistorischen und verharmlosenden Thesen zum zweiten Weltkrieg.
Das Skandalisieren der Aussagen politischer GegnerInnen gehört freilich zum Tagesgeschäft. Leute wie Ischinger allerdings scheinen es geradezu darauf anzulegen. Die KritikerInnen ließen entsprechend nicht lange auf sich warten.
In einem Gastkommentar für die SZ hatte Ischinger geschrieben:
"Auch in der Politik sind viele Errungenschaften ohne vorangegangene Krise kaum denkbar: Die Europäische Union von heute wäre ohne die große Krise Europas, die zwei Weltkriege hervorgerufen hatte, nie zustande gekommen. [...] So schafft die Krise auch was Gutes."
Empört reagierte zunächst der Antifaschist Martin Löwenberg, der den Text des ehemaligen Botschafters "geschmacklos, zynisch und eine unerträgliche Verhöhnung der Millionen Verfolgten und Ermordeten des Nationalsozialismus" nannte. "Der 2.
Weltkrieg wurde nicht 'hervorgerufen'", so Löwenberg. NS-Staat und Wehrmacht hätten zum Profit der deutschen Industrie einen verbrecherischen Angriffs- und Vernichtungskrieg geführt. Der Antifaschist forderte Ischinger auf, von seinen Ämtern zurückzutreten und sich öffentlich für seine Ausführungen zu entschuldigen.
Auch die BündnissprecherInnen kritisierten Ischinger massiv. Claus Schreer nannte dessen These als "historisch falsch" und als "skandalöse Verharmlosung der Verbrechen des Faschismus", die 55 Millionen Tote verursacht hätten.
Hagen Pfaff von Attac München kritisierte dagegen Ischingers "unverhüllt
formulierten Ewigkeitsanspruch auf die globale Führerschaft durch den Westen." Pfaff sah keine Anzeichen dafür, daß sich die Konferenz unter der Leitung Ischingers "kritisch mit der aktuellen Strategie der NATO also der Sicherung der wirtschaftlichen und strategischen Interessen ihrer Mitgliedsstaaten im Angesicht der globalen Krise auseinandersetzen wird." Der beste Beitrag für eine friedliche Welt sei es daher, die "'Sicherheitskonferenz' [...] für immer abzublasen."
Unter dem Motto "Kein Frieden mit der NATO - Kriegspolitik!" kündigte Claus Schreer für den 6. und 7 Februar 2009 "tausende von Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner" an, die gegen die Konferenz demonstrieren würden. Schreer rechnet mit einer
starken Mobilisierung, da die Antikriegsproteste in München der Auftakt zu den internationalen Protesten gegen den NATO-Jubiläumsgipfel Anfang April in Kehl und Strasbourg seien.
Wie immer sprach Schreer von der "Kriegskonferenz", auf der Angriffskriege vorbereitet würden. "Unsere Proteste richten sich erstens gegen die
NATO und ihre völkerrechtswidrigen Angriffskriege und zweitens gegen die
'Sicherheitskonferenz', weil bei den Tagungen in München alle
NATO-Militärinterventionen vorbereitet wurden", so der Sprecher.
Seit Jahren gehört das damit suggerierte Bild von Militärs, PolitikerInnen und RüstungschefInnen, die über Landkarten sitzen und Einmarschpläne diskutieren, zum Standardargument des Bündnissprechers. Harte Worte, die einerseits plakativ genug für Medienöffentlichkeit, andererseits aber zu überzogen sind, um ernst genommen zu werden.
Vielleicht erscheint es dem Bündnis der KonferenzgegnerInnen nicht schlimm genug, dass die Konferenz in erster Linie der Werbung für eine NATO-Politik dient, bei der das Militär zunehmend zum "ganz normalen" Mittel der Konfliktlösung und Interessenvertretung wird. Dass es vor allem symbolische Politik ist, die hier betrieben wird. Kriege aber werden nicht auf Galaempfängen geplant.
Das aber macht die Konferenz, für die in München alljährlich eine Woche lang Ausnahmezustand herrscht, nicht besser oder die Proteste dagegen gar falsch. Und so werden sich die NATO-GegnerInnen auch 2009 nicht vom irrsinnigen Polizeiaufgebot oder dem neuen Versammlungsgesetz beeindrucken lassen und auf die Straße gehen. "Wie unser Widerstand aussieht, bestimmen wir selbst", so Johannes Jonic (SDAJ) auf der Pressekonferenz.