2008-12-13
Der Nato-Gipfel am 3. und 4. April 2009 wird zum größten Polizeieinsatz in der Geschichte Baden-Württembergs führen. Zwischen 10 000 und 14 000 Beamte werden im Einsatz sein. "Wir haben dafür zu sorgen, dass die Sicherheit für die Staats- und Regierungschefs gewährleistet ist", sagt Reinhard Renter. Der Chef der Polizeidirektion Offenburg ist verantwortlich für den Bereich Ortenau, wo es aufgrund des Gipfels zu teils erheblichen Einschränkungen für die Bürger kommen wird.
"Noch 112 Tage" verkündet eine Projektion im Großraumbüro der "Planungsgruppe Nato-Gipfel", die bereits im Juli bei der Polizeidirektion Offenburg auf La Horie eingerichtet wurde.
25 Beamtinnen und Beamte befassen sich hier ausschließlich mit der Vorbereitung auf das Großereignis. An den Wänden hängen Landkarten und Lagepläne, auf den Computerbildschirmen sind Detailaufnahmen von Veranstaltungsorten zu sehen, werden Verkehrswege untersucht und Gefahrenpunkte dargestellt. Wenn Anfang April die große Polit-Show über die Bühne beiderseits des Rheins geht, dann soll nichts mehr dem Zufall überlassen sein: "Wir sind Profis in Sachen Sicherheit", sagt Reinhard Renter selbstbewusst.
Daten über mögliche Orte, an denen Sprengsätze deponiert werden könnten, wurden längst gesammelt. Allein im Raum Kehl wurden so rund 11 000 Stellen registriert – vom Gullydeckel über die Wartungsklappe in Laternenmasten bis hin zu Briefkästen. Auf alle Eventualitäten will man vorbereitet sein – auch auf internationalen Terrorismus: "Wir planen für alles, werden aber nur einen Teil davon erleben", sagt Reinhard Renter.
Mit Details ist der Ortenauer Polizeichef zurückhaltend – aus Sicherheitsgründen, aber auch, weil viele noch offen ist. Landet beispielsweise US-Präsident Obama mit der "Airforce one" in Lahr, Straßburg oder Söllingen? Reist er tatsächlich mit einer 900-köpfigen Delegation an? Wird er per Hubschrauber zu den Gipfelorten Baden-Baden, Kehl und Straßburg gebracht? Oder muss er, etwa aus Witterungsgründen, auf den Landweg ausweichen?
So oder so drohen der Ortenau weiträumige Sperrungen – bei Präsidentenfahrten über Land besonders: Von Besuchen ähnlichen Kalibers weiß man, dass dann mehrere Fahrzeugtrosse auf verschiedenen Wegen unterwegs sind und nur wenige Menschen wissen, in welchem Fahrzeug der US-Präsident sitzt.
Klar ist, dass in den jeweiligen Sicherheitszonen Autos und Räder entfernt, Mülltonnen abmontiert und Verteilerkästen gesichert werden. In Mainz, 2005 beim Besuch von US-Präsident Bush, wurden 1300 Kanaldeckel zugeschweißt. Über einen Internetauftritt und ein Bürgertelefon sollen die Menschen in den betroffenen Regionen offensiv informiert werden, sagt Matthias Zeiser von der Landespolizeidirektion Freiburg, die den Gesamteinsatz koordiniert. Fest steht: "Es wird Einschränkungen in jeglicher Verkehrsform geben." Veranstaltungen an dem Gipfel-Wochenende sollen zwar nicht generell verboten werden. Aber wer Unannehmlichkeiten ausschließen will, sollte vor allem im Rheintal zwischen Lahr und Baden-Baden das Wochenende aus dem Veranstaltungskalender ausklammern.
Auch wenn die Polit-Elite im vornehmen Baden-Baden speisen und in Straßburg – wohl im Palais de la Musique et des Congrès – tagen wird, so steht auch Kehl nach wie vor im Brennpunkt des Geschehens. Wohl auf der Mimrambrücke – was offiziell freilich nicht bestätigt wird – ist ein Fototermin der Staatsgäste anberaumt. Teile Kehls werden zur Sicherheitszone, was den Bewohnern und Besuchern erhebliche Einschränkungen bringen wird: "Auf der Insel in Kehl würde ich am 3. und 4. April keine Geburtstagsfeier planen", sagt Renter.
Nicht nur für die Sicherheit der Staatsgäste muss die Polizei garantieren: "Auch das Grundrecht auf friedliche Demonstrationen muss ausgeübt werden können", sagt der Ortenauer Polizeichef. Er rechnet auch damit, dass Camps mit Gipfelgegnern eingerichtet werden. Zugleich stellt er unmissverständlich klar, dass man auf Ausschreitungen vorbereitet sein wird: "Es wird keine rechtsfreien Räume geben."
In Kehl liegen laut Stadtsprecherin Annette Lipowsky für die Tage vor dem Gipfel bereits Anfragen für Demonstrationen vor. Auch die Hallen in der Stadt wurden freigehalten. Welche Veranstaltungen in Kehl stattfinden werden, wisse man noch nicht. Sobald Einzelheiten auch zu den Sperrungen bekannt seien, werde man ein Bürgertelefon einrichten.
In Offenburg wurde ebenfalls ein Stab eingerichtet, der sich auf den Gipfel vorbereitet. Leiter ist Reinhard Männle vom OB-Büro. Er sagt: "Wir wissen noch gar nicht, wie Offenburg betroffen sein wird und was auf uns zukommt." Man habe die Kernstadthallen jedoch vorsorglich frei gehalten, etwa für Feuerwehrleute, Rettungskräfte oder auch Übernachtungen. Zumindest für die Einsatzkräfte der Polizei – in der Ortenau zwischen 2000 und 5000 – wurden indes bereits Gaststätten und Beherbergungsbetriebe gesucht. Reinhard Renter: "Schlafsack und Turnhalle, das ist nicht mehr unser Standard."