2008-11-23
»Die Rede ist von 15000 Polizisten«
Großeinsatz zum Schutz der Veranstaltungen zum Jahrestag der NATO im April 2009 erwartet.
Dieter Lachenmayer ist Sprecher des Friedensnetzes Baden-Württemberg
Die Friedensbewegung mobilisiert gegen das sechzigjährige Jubiläum der NATO, das im April 2009 in Strasbourg und Kehl bzw. in Baden-Baden begangen werden soll. Wogegen richtet sich Ihr Protest?
Die NATO ist ein aggressives Militärbündnis. In der Geschichte der deutschen Friedensbewegung mußten wir uns immer gegen die mit ihm verbundenen aggressiven Planungen wenden. Das begann beim Kampf gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands, die nur unter dem Dach der NATO möglich wurde, ging weiter mit den Plänen zur atomaren Bewaffnung der Bundeswehr, schließlich mit den Auseinandersetzungen um den sogenannten NATO-Doppelbeschluß von 1979 zur Stationierung neuer Atomraketen und in jüngerer Zeit mit den Kriegen gegen Jugoslawien und Afghanistan mit deutscher Beteiligung. Es handelt sich um ein gefährliches Kriegsbündnis. Zum Jahrestag im Frühjahr gibt es nichts zu feiern. Das Bündnis müßte vielmehr aufgelöst werden.
Wird der NATO-Gipfel 2009 nur eine Feierstunde sein, oder werden dort auch neue Pläne geschmiedet?
Neben den Feierlichkeiten wird ein regulärer Gipfel stattfinden. Dort soll die Militärstrategie der Interventionskriegsplanung fortgeschrieben werden. Die NATO entwickelt sich weiter zu einem Instrument, mit dessen Hilfe die künftigen Auseinandersetzungen um Rohstoffe und Märkte militärisch entschieden werden sollen, also zu einem offenen Interventions- und Kriegsbündnis.
Am Samstag haben sich Vertreter der Friedens- und Protestbewegung in Stuttgart getroffen, um über Aktivitäten gegen das Kriegstreibertreffen zu beraten ...
Es handelte sich um ein Arbeits- und Koordinierungstreffen für Baden-Württemberg. Die Aktionen gegen den NATO-Gipfel werden im wesentlichen von einem internationalen Bündnis initiiert und organisiert. Außerdem gibt es ein bundesweites Bündnis. Wir in Baden-Württemberg sehen uns in besonderer Verantwortung, weil wir das Bundesland der Austragungsorte Baden-Baden und Kehl und das Nachbarland des Austragungsortes Strasbourg sind. Wir bereiten hier die Mobilisierung und die Infrastruktur für die Gegenaktivitäten vor.
Was ist als Anlaufpunkt für die Kriegsgegner gedacht?
Ähnlich wie beim G-8-Gipfel in Rostock und Heiligendamm wird es ein Protestcamp als Anlauf- und Ausgangspunkt für die verschiedenen Aktionen geben. Nach unseren heutigen Überlegungen wollen wir ein Zeltlager auf französischer Seite unterstützen und in Kehl und Baden-Baden Infopunkte als Anlaufstelle für dortige Aktivitäten einrichten.
Bei ähnlichen Camps und Aktionen zivilen Ungehorsams kam es immer wieder zu polizeilichen Übergriffen. Befürchten Sie ähnliches für Strasbourg/Kehl 2009?
Wir wollen einen friedlichen und deutlich sichtbaren Protest gegen den NATO-Gipfel organisieren. Das Treffen der Militaristen soll aber mit einem unglaublichen Polizeiaufgebot sowohl auf deutscher wie auf französischer Seite abgesichert werden. Allein auf deutscher Seite ist die Rede von 15000 Beamten. Ganze Autobahnabschnitte und Grenzübergänge sollen dichtgemacht werden. Wir müssen also vermuten, daß es zu unverhältnismäßigen Einschränkungen unserer Demonstrationsfreiheit kommen wird.
Neben Demonstrationen und Aktionen wird auch ein Gegengipfel vorbereitet. Können Sie schon etwas zu der Veranstaltung sagen?
Noch nicht viel Konkretes. Der Gegengipfel wird vom internationalen Vorbereitungskreis organisiert. Dort werden Referenten aus dem gesamten europäischen und auch überseeischen Raum sprechen.
In der Woche nach dem NATO-Gipfel finden die traditionellen Ostermärsche statt. Wird es möglich sein, die Friedensbewegung zu zwei so dicht beieinander liegenden Terminen zu mobilisieren?
Das ist sicher nicht einfach. Deshalb haben wir in Baden-Württemberg beschlossen, den Ostermarsch um eine Woche vorzuziehen und zum NATO-Gipfel in Strasbourg und Kehl zu mobilisieren.
Welche erste Bilanz des Stuttgarter Vorbereitungstreffens können Sie ziehen?
Es haben über 70 Aktivisten aus allen Teilen Baden-Württembergs und aus verschiedenen politischen Spektren teilgenommen. Es war also nicht allein die klassische Friedensbewegung. Wir werden mit großem Schwung an die Vorbereitung der Aktionen gehen. Dazu wurden verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, und wir haben eine Koordinierungsgruppe benannt.
Interview: Mirko Knoche