2006-04-29
Reinbek: Extremisten stecken Auto in Brand und werfen Steine auf das Wohnhaus. In einem Schreiben bekennt sich die bislang unbekannte Gruppe “fight 4 revolution crews” zu dieser und zu einer weiteren Tat.
Die Täter kamen gegen drei Uhr nachts in das gutbürgerliche Wohnviertel von Reinbek (Kreis Stormarn). Sie zogen den Mitsubishi-Kombi der Familie Straubhaar aus dem Carport direkt an dem Einfamilienhaus, dann zündeten sie ihn auf der Auffahrt an. Damit nicht genug: Faustgroße Steine flogen gegen Fenster des Hauses, Sicherheitsglas splitterte, hielt jedoch stand. An der Hauswand zerplatzte ein Beutel mit roter Farbe. So lautlos wie sie gekommen waren, verschwanden die Täter wieder im Dunkel der Nacht.
Offensichtlich Linksextremisten haben in der Nacht zu Donnerstag einen Anschlag auf das Wohnhaus von Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Instituts (HHWI), verübt. Der Volkswirtschaftler, gebürtiger Schweizer, gilt als einer der profiliertesten deutschen Wirtschaftsexperten. Er hatte erst kürzlich im Abendblatt mit Vorschlägen zur Finanzierung der angeschlagenen Sozialsysteme für Aufsehen gesorgt. Die Attacke auf Straubhaar geht nach Einschätzung der zuständigen Staatsanwaltschaft Lübeck “vermutlich auf das Konto politisch sehr linker junger Leute, die sich mit den wirtschafts- und sozialpolitischen Positionen des Professors und der Institution des Instituts nicht einverstanden erklären”, wie Oberstaatsanwalt Günter Möller dem Abendblatt sagte.
Thomas Straubhaar, Vater von drei Kindern und zum Zeitpunkt des Anschlags nicht zu Hause, zeigte sich am Freitag geschockt: “Bitte verstehen Sie, daß ich mich zum dem Vorfall jetzt nicht äußern möchte.” Seine Frau hatte die Flammen nachts bemerkt und die Polizei alarmiert. Aus Sicherheitskreisen hieß es, jetzt werde überprüft, inwieweit der HWWI-Direktor und seine Familie in Zukunft stärker geschützt werden müßten. Details wurden nicht genannt.
In einem Bekennerschreiben bezichtigte sich eine bislang nicht bekannte Gruppe mit Namen “fight 4 revolution crews” zudem eines weiteren Anschlags: Bereits in der Nacht zu Dienstag hatten Unbekannte Steine und Farbbeutel auf das Langenhorner Reihenhaus eines Standortleiters der Arbeitsgemeinschaft (Arge) geworfen. Die Arge berät Langzeitarbeitslose nach Hartz IV. Bei beiden Attacken wurde niemand verletzt.
In dem zweiseitigen Bekennerschreiben, das beim Hamburger Abendblatt am Freitag einging, wird Volkswirtschaftler Straubhaar “Stichwortgeber” der Wirtschaft für “Angriffe auf das Proletariat” genannt. Der Arge-Standortleiter wird als “Schnüffler” bezeichnet – offenbar, weil er in seinem Beruf auch Hartz-IV-Mißbrauchsfälle aufklärt. Auffällig: Auch in diesem Fall nehmen die Täter Bezug auf den G-8-Gipfel im Juni 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern). Damit setzt sich eine Serie von Attacken in Hamburg und dem Umland fort, die immer in Bezug zu dem Treffen gesetzt werden. In Schleswig-Holstein hatten erst vor einem Monat militante Globalisierungsgegner einen Anschlag auf die Thormählen Schweißtechnik AG in Bad Oldesloe (Kreis Stormarn) verübt. Fünf Laster brannten aus, Sachschaden: 300 000 Euro. Eine Gruppe namens “Internationalistische Zellen” übernahm die Verantwortung.
erschienen am 29. April 2006