2006-12-29
Zwei Tage nach dem Brandanschlag vor dem Haus des Finanzstaatssekretärs Thomas Mirow ist das Kempinski Grand Hotel in Heiligendamm mit Farbbeuteln beworfen worden.
Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich um Aktionen von Linksextremisten handelt.
Es gebe in dieser Szene “starke Mobilisierungsbemühungen”, sagte Verfassungsschutz-Präsident Fromm WELT.de.
Berlin – Zwei Tage nach dem Brandanschlag vor dem Wohnhaus von Bundesfinanzstaatssekretär Thomas Mirow in Hamburg-Winterhude wurde das Kempinski Grand Hotel in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) mit Farbbeuteln beworfen. Wie die Polizei berichtete, erfolgte der Anschlag auf den Tagungsort des G8-Gipfels im Juni 2007 in der Nacht zum Donnerstag. Mehrere Beutel mit roter und schwarzer Farbe seien gegen die Vorderseite des Hauptgebäudes geworfen worden. Ein Bekennerschreiben liege nicht vor, hieß es zunächst.
Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass es sich wie in Hamburg um die Aktion einer linksextremistischen Gruppe handelt, die damit gegen das Treffen der Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen vom 6. bis 8. Juni protestieren will. “Wir beobachten seit längerem in dieser Szene starke Mobilisierungsbemühungen”, sagte Heinz Fromm, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), WELT.de. Auf den zahlreichen Homepages der Anti-G8-Aktivisten werde im Internet über illegale Aktionsformen debattiert, wie der Verfassungsschutz bei einem Symposium in Berlin Anfang des Monats berichtete.
So verweist ein Hamburger “anti-G8-bündnis” auf ihrer Homepage www.roteswinterhude.de auf Eckpunkte des Widerstands, in denen es unter anderem heißt: “Nicht nur das politische Klima in Deutschland droht ganz kalt zu werden, wenn das Treffen der G8 in Mecklenburg-Vorpommern ungestört über die Bühne geht. Wir finden es wichtig etwas zu behindern, dessen Gelingen Stärkung der Eliten dieser Welt zu Lasten der armen, entrechteten, einfachen, marginalisierten Menschen bedeutet. Zu diesem Kampf etwas beizutragen, sind wir bereit.” Die “militante Begleitkampagne” ziele laut Fromm darauf ab, “fortlaufend Anschläge auf Institutionen und Personen zu verüben, die für das Thema Globalisierung stehen”. Der BfV-Präsident: “Vorrangig richten sie sich jedoch gegen Sachen und nicht gegen Menschen.”
Bundesweit wurden bisher 13 Anschläge gegen das geplante Spitzentreffen verübt. Beim Anschlag auf Staatssekretär Mirow hatten Unbekannte in der Nacht zu Dienstag das Auto seiner Ehefrau vor dem Wohnhaus in Winterhude angezündet. Dabei wurden Teile des Hauses beschädigt. Mirow sprach von einem “Akt stumpfsinniger Gewalt”. Die Hamburger Polizei bildete eine Sondergruppe, um Maßnahmen zum Schutz von Personen und Objekten zu besprechen. Zum Anschlag bekannte sich eine “AG Kolonialismus und Krieg”. Ihr Bekennerschreiben trägt den Titel: “Nur noch 23 Wochen bis zum Gipfel – jetzt zuschlagen”. Da Mirow mit der Vorbereitung des “jährliches Sommerspektakel imperialistischer Weltherrschaft” betraut sei, habe man ihm “einen Weihnachtsbesuch abgestattet und eine militante Bescherung bereitet”.
Neben der militanten Szene arbeiten auch “zivile” Globalisierungskritiker seit Monaten fieberhaft an Aktionen zum G-8-Gipfel im Ostseebad. Im November verabschiedeten mehr als 400 Aktivisten verschiedenster Gruppen eine Agenda. Ausgearbeitet wurde eine “Choreographie des Widerstands” für die heiße Phase der Proteste. Eingeläutet wird diese am 2. Juni mit einer Großdemonstration in Rostock. Es folgen Aktionstage zu verschiedenen Themen – Migrationspolitik, Militarismus und Krieg – sowie ein großer Alternativgipfel. Vorgesehen sind aber auch Blockaden der Zufahrtswege.
Abgesichert wird das Treffen durch rund 12 000 Polizisten. Für 12,5 Millionen Euro wird ein 13 Kilometer langer Zaun gebaut, der im weiten Bogen um den Ort errichtet werden soll. Mit dem Bau, der Ende Januar beginnt, wurde ein Metallbauunternehmen in Bargeshagen (Kreis Bad Doberan) beauftragt. “Es handelt sich um ein komplexes technisches Sperrwerk, wir reden nicht von einem einfachen Maschendrahtzaun”, betonte Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU). Der Zaun werde mit Kameras und Bewegungsmeldern ausgerüstet sein. Für die Bewohner sei ein Shuttle-Dienst vorgesehen.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff kündigte an, auch Gipfelgegnern eine Plattform für ihren friedlichen Protest geben zu wollen. So seien Gesprächsrunden zwischen ihnen und Gipfelbefürwortern in der Planung. Bei einem Jugendgipfel sollten Jugendliche aus den acht Nationen mit den Staats- und Regierungschefs diskutieren können. “Es gehört zu unserer Demokratie, dass jeder seine Meinung sagen darf. Und für manche Kritik gibt es durchaus Gründe”, sagte der Sozialdemokrat.
Artikel erschienen am 29.12.2006
http://www.welt.de/data/2006/12/29/1159028.html