2003-07-08 

Genfer Polizeidirektorin verantwortlich für Sachschäden & Gewalt

In einer Sitzung des des Großen Rates hat Micheline Spoerri offiziell zugegeben, dass es der Polizei untersagt war, gegen die Verursacher der Sachbeschädigungen während des G8 am frühen Sonntagmorgen in der Genfer Innenstadt vorzugehen. Der Grund: Hätte es keine Krawalle gegeben, hätte die Stadt Genf die auswärtigen PolizeibeamtInnen aus eigener Tasche bezahlen müssen. Die Polizei, aufgebracht durch Vorwürfe in den Medien, die Sachschäden zugelassen zu haben, hatte bekanntlich darauf u.a. mit Schockgranaten deutlich überreagiert.
EINSATZBEFEHL: "UNBEHELLIGT SCHAUFENSTER EINSCHLAGEN LASSEN"

2003

Nun ists offiziell: Die laut Spoerri zunächst nur mit 16 Mann in der Innenstadt vertretene "überforderte" Polizei durfte gemäss Einsatzbefehl auch dann noch nicht gegen Sachbeschädiger vorgehen, nachdem längst eine Verstärkung mit weiteren 120 Mann engetroffen war. (Der Genfer Polizeikommandant hatte sich bekanntlich zuvor noch mit dem Märchen herauszureden versucht, seine Mannen seien durch die Kritik an den Polizeiübergiffen vom 29.3.03 im Bahnhof Genf-Cornavin "gehemmt gewesen", von ihren Einsatzmitteln Gebrauch zu machen, siehe Kommentar "Traumatisierte" Genfer Polizei + mehr Lügen: http://de.indymedia.org/2003/06/54092.shtml .) In der Folge beklagten sich auch Genfer Richter, ihnen seien mit den (inzwischen wieder freigelassenen Verhafteten) vom G8 "nur kleine Fische" zugeführt worden.
FINANZIELLE HINTERGRÜNDE

Was zunächst unglaublich klingen mag, hat letztlich handfeste finanzielle Hintergründe: Genf hatte lange mit der Berner Bundesregierung um zusätzliche Polizeikräfte gestritten (und dabei dauernd Schreckensszenarien eines von 200'000 "ausländischen Chaoten" überranten "brennenden Genfs" heraufbeschworen). Auch als über 700 Beamte aus der übrigen Schweiz zugesprochen wurden, gab Spoerri noch nicht locker: 1000 zusätzliche deutsche BeamtInnen müssten her, damit Genf nicht im Chaos versinke. Schliesslich gab die Bundesregierung nach. Es wurde jedoch vereinbart, dass Genf die zusätzlichen BeamtInnen (alleine die deutsche Verstärkung kostet 4 Millionen Franken) aus eigener Tasche bezahlen müsse, falls sich ihre Anwesenheit nicht nachträglich rechtfertigen lasse.

Ein Fakt, der mittlerweile auch in den schweizer Medien aus naheliegenden Gründen schlicht nicht mehr erwähnt wird: Schliesslich könnte sich sonst jedeR, der/die 1+1 zusammenzählen kann, selber ausrechenen, weshalb es unter diesen Umständen wohl einfach zu Ausschreitungen mit Sachschäden "kommen musste". (Die Sachschäden, welche die Stadt allenfalls mitzutragen hat, sind immer noch weit kleiner als der Betrag, der ohne Sachschäden für die auswärtigen PolizistInnen hätte bezahlt werden müssen.)

So ist es auch höchst zweifelhaft, dass die nun einberufene "Ausserparlamentarische Untersuchungskommission" irgend etwas zu Tage fördern wird, was ihrer Auftraggeberin, der Stadt Genf, zu einem finanziellen Nachteil gereichen würde.
BEAMTINNENFRUST & POLIZEIGEWALT

Nebeneffekt dieses "Kuhhandels": Betroffene Geschäftsleute, die nicht verstehen konnten, wie die Polizei wortwörtlich tatenlos zuschaute, wie ihre Geschäfte zerstört wurden, hatten sich in den lokalen Medien lautstark über die Tatenlosigkeit der Polizei beschwert, was — im Gegensatz zu den deutschschweizer Medien — zu scharfen Leitartikeln und bissigen Kommentaren führte. (Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass der Einsatzbefehl den betroffenen BeamtInnen verhaften von SachbeschädigerInnen buchstäblich untersagte.) Bei manchen PolizeibeamtInnen scheint dies offensichtlich zu einem nicht unerheblichen Frustpotenzial geführt zu haben, dem einige darauf u.a. mit "Schockgranaten" Luft verschafften — mit den bekannten Folgen. Dass Spoerri dazu ausführt, auch bei der Demo am Sonntag (an der u.a. der Medienschaffende Guy Smallman gezielt mit "Schockgranaten" gejagt und verletzt wurde) "sei wegen den zahlreichen Schaulustigen kein Einsatz gegen gewalttätige Demonstranten möglich gewesen", setzt dieser schier unglaublichen Arroganz der Macht nur noch die Krone auf. Hingegen erklären diese Hintergründe, weshalb auch noch an den darauffolgenden Tagen immer wieder Medienschaffende Opfer von gezielten Übergriffen wurden (vgl. z.B. http://de.indymedia.org/2003/06/53637.shtml , inbesondere die Bilder "Journalist wird verhaftet, verprügelt und sein Band beschlagnahmt" / "Wunde am Kopf des Journalisten").
PARALLELEN ZU GENUA

* Auch in Genua stellte sich bekanntlich schon die Frage, weshalb eine kleine Gruppe stundenlang unbehelligt Sachbeschädigungen verüben konnte, die nachher seitens der Obrigkeit als Rechtfertigung für später erfolgte Polizeiübergriffe instrumentalisiert wurden.
* Auch in Genua wurde dies (nebst inzwischen gerichtlich bestätigter Vorspiegelung falscher Tatsachen) schon zum Anlass für die Stürmung des IMC mit noch viel massiveren Übergriffen genommen — auch aus Genf gab es jedoch die bekannten Bilder von Verletzten und zerstörten IMC-Räumen mit Blutflecken am Boden.
* Wetten, dass auch in Genf kein einziger Polizist verurteilt werden wird? Und alle Magistraten Spoerri für ihren gelungenen finanziellen Schachzug applaudieren werden?

13.6.03 22:10 - Agenturmeldung
Genfer Polizeidirektorin übernimmt Verantwortung für Verwüstungen

GENF - Die Genfer Polizeidirektorin Micheline Spoerri hat vor dem Genfer Großen Rat die Verantwortung für die eingeschlagenen Schaufenster übernommen. Globalisierungsgegner hatten am Samstagabend vor der G-8-Demonstration von der Polizei unbehelligt gewütet.

Die für den G-8-Gipfel in Genf stationierten Polizeikräfte seien zum großen Teil an den heiklen Punkten wie dem Flughafen stationiert gewesen, sagte Spoerri vor dem Genfer Kantonsparlament. Für die Sicherung des Stadtzentrums seien nur rund 16 Beamte zur Verfügung gestanden.

Diese wurden rund eine Viertelstunde nach dem ersten Alarm, gegen 23.15 Uhr, durch rund 120 Beamten verstärkt, die sich auf Pikett befanden. Deren Aufgabe bestand vor allem darin, Plünderungen von eingeschlagenen Schaufenstern zu verhindern.

Gemäss Micheline Spoerri sind die Globalisierungsgegner bei ihrer Aktion vom alternativen Kulturzentrum Usine aus gestartet. Dorthin seien sie wieder zurückgekehrt und in der Menge der Usine-Besucher untergetaucht. Eine Polizeiaktion in der Usine wäre wegen den vielen Besuchern zu gefährlich gewesen.

Auch bei der Großdemo vom Sonntag sei wegen den zahlreichen Schaulustigen kein Einsatz gegen gewalttätige Demonstranten möglich gewesen. Erst am Sonntagabend konnte in der Usine auf Anordnung von Staatsanwalt Daniel Zappelli eine Razzia durchgeführt werden. (sda)

Quelle: http://tagi.ch/dyn/news/newsticker/106172.html?art=newsticker

Schweiz 14.6.03 10:01 — Tages-Anzeiger Online
Untersuchung zu Anti-G-8-Demos

Die Genfer Abgeordneten stimmten am Freitag fast einstimmig für eine Ausserparlamentarische Untersuchungskommission zur Untersuchung der Unruhen am Rande des G- 8-Gipfels.

Die Kommission wurde vom Regierungsrat in Absprache mit dem Großratsbüro gegründet. Es wird ihre Aufgabe sein, die Handlungen der Regierung, von Justiz und Polizei im Rahmen der Organisation und Durchführung der Anti-G-8-Demonstrationen zu überprüfen.

Die Genfer Polizeidirektorin Micheline Spoerri hatte zuvor vor dem Genfer Großen Rat die Verantwortung dafür übernommen, dass Globalisierungsgegner am Samstagabend vor der G-8-Demonstration von der Polizei unbehelligt Schaufenster einschlagen konnten.

Quelle: http://tagi.ch/dyn/news/schweiz/285535.html

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