2008-08-16 

Jetzt red´i

Ein kurzer Abriss über die Aussageverweigerung

Mit dem Klima-Camp und dem AntiRa-Camp steht die erste linksradikale Veranstaltung von bundesweiter Bedeutung mit weit über 2000 TeilnehmerInnen aus den unterschiedlichsten Spektren nach dem G8-Gipfel in Heiligendamm vor der Tür.

Bild: Daniel Rosenthal

Neben der sich vertiefenden Vernetzungsarbeit, den politischen Workshops und Informationsveranstaltungen steht – mal wieder – staatliche Repression auf der Tagesordnung.
Begonnen hatte diese schon lange, bevor überhaupt ein Zelt in Hamburg aufgebaut worden war: Es ließ sich einfach kein Platz finden. Alle Angebote der Camp-Veranstalter_innen wurden von Seiten der Behörden rundweg angelehnt. Erst als sich herauskristallisierte, dass mensch zur Not auch ohne Platz sehr gut zelten kann – und zwar wild in der Innenstadt – war man auf einmal doch bereit, großzügig ein Gelände zur Verfügung zu stellen. Das dieses räumlich nahe an der AOL-Arena liegt, in der der HSV seine Heimspiele austrägt, dürfte kein Zufall sein, denn dort kennt sich die Polizei bestens aus. Es erklärt sich von selbst, dass unter diesen Umständen ein spontaner Polizeibesuch des Camps unkompliziert organisiert werden kann. Mensch wird sehen…

Obwohl es niemand heraufbeschwören möchte, manchmal gerät mensch doch in die Fänge der Schergen. Wie aber umgehen mit der Polizei, wenn mensch doch einmal auf der Wache oder vor dem Staatsanwalt, der Staatsanwältin sitzt?
In der radikalen Linken wird seit einigen Jahren über den Umgang mit der Repression gestritten. Besonders der Konsens der Aussageverweigerung gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft ist Gegenstand heftiger Diskussionen. Die Positionen reichen dabei von absoluter Aussageverweigerung bis hin zu dem sog. „kreativem“ Umgang mit den Verfolgungsbehörden. Die Logik der absoluten nicht-kooperation ist einfach: Wer gar nichts sagt, sagt auch nichts falsches. Der Grundgedanke hinter der konsequenten Verweigerung ist der Schutz linker Strukturen, die über dem individuellen Unrechtsempfinden, das der Delinquent oder die Delinquentin im Augenblick seiner oder ihrer Festnahme erlebt, stehen. Parolen wie „Anna und Arthur haltens Maul“ oder der berühmte Aufkleber der Roten Hilfe „Sagen Sie jetzt nichts“ sind jeder/jedem Aktivistin/Aktivisten schon einmal aufgefallen. Konkret geht es darum, dass sich niemand mit einer überstürzten Aussage, und sei sie noch so harmlos gemeint, einen Gefallen tue. Selbst die Aussage: „Ich kann es nicht gewesen sein, weil ich war ganz woanders“ kann jemanden in Schwierigkeiten bringen, der eben nicht genau sagen kann, wo er oder sie denn zur gleichen Zeit eigentlich gewesen sei.
Anders die Vertreter der kreativen Repression: Diese meinen, durch gezieltes Training sei es möglich, den Polizei- oder Justizapparat zumindest zeitweise zu blockieren. Und das ohne sich selbst oder andere in Gefahr zu bringen. Bewerkstelligt werden soll das, in dem mensch anders auf Situationen reagiert, als es die Beamten erwarten. Man solle sich in eine offensive-antiautoritäre Position versetzen, die die Beamten, gleich ob es sich um Polizei, Geheimdienst, Militär usw. handelt, zumindest irritiert. Hier steht ganz klar die Aufwertung des Individuums im Vordergrund. Schweigen bei der Polizei wird als „Unterordnung“, Konspirativität als „hierachiefördernd“ denunziert. Besser sei es, subversiv zu sabotieren. Und das könne man lernen.
Letztendlich kann die Frage nach dem Umgang mit der Aussageverweigerung nur die politische Praxis geben. Zum Einen wäre da das schöne Beispiel des Peter A., dem Hauptbelastungszeugen im 129a-Prozess gegen den G8-Widerstand. A. bestreitet gar nicht, „harmlose Gespräche“ mit den netten Herren vom BKA geführt zu haben. Leider sei er dabei unwissentlich „abgeschöpft“ worden – und zwar offensichtlich so gründlich, dass es für ein offizielles Vernehmungsprotokoll reichte, dass die abenteuerliche Konstruktion der „terroristischen Vereinigung“ innerhalb des G8-Widerstandes überhaupt erst möglich gemacht hat. Und das, obwohl er nur „gute Sachen“ über die Betreffenden erzählt habe. Zum Anderen bedeutet die angedachte kreative Repression, dass sich jede Aktivistin und jeder Aktivist einem Training unterziehen müsste, indem mensch lernt, sich subversiv zu verhalten. Und seien wir mal ehrlich: Wer will das schon? Die Zeit ist knapp genug, um aktive politische Arbeit zu leisten. Die Aussage verweigern dagegen kostet: gar nichts.