2007-01-07 

Der kleine Antirepressions-Ratgeber

zur Anti-WEF-Demo in Basel 2007

Alle Jahre wieder

Auch dieses Jahr versammeln sich die Reichen und Mächtigen wieder in Davos – auch dieses Jahr findet wieder eine Demo statt – auch dieses Jahr wird die Polizei massiv präsent sein, wie wild Daten sammeln und TeilnehmerInnen kontrollieren. Deshalb auch dieses Jahr unsere Ratschläge und Tipps im Umgang mit der Polizei und den Behörden.

WEF

Allein machen sie dich an...

Die Repression trifft zwar meist nur Einzelne, zielt aber fast immer darauf ab, eine ganze Bewegung auszuhorchen, zu durchleuchten und einzuschüchtern. Die kollektive Handlung (also wenn ihr als Gruppe, Demo etc etwas ZUSAMMEN macht) ist meist, was die Mächtigen und deren HüterInnen von Recht und Ordnung zum Eingreifen bringt. Als Bewegung/Kollektiv sind wir stark - das wissen auch sie! Und diese Stärke zu nutzen, auch angesichts ihrer Repression, finden wir sinnvoll. Deshalb vernetzt euch, teilt euch und uns mit, wann ihr Opfer von Ordnung geworden seid. Zusammen mit erfahrenen Leuten fällt es leichter zu entscheiden, was zu tun, wie sich zu verhalten.

Das Verhalten an Demos und Aktionen

Obwohl die meisten Demos und Aktionen in aller Regel friedlich verlaufen, kommt es manchmal zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Das ist zwar lästig - aber kein Grund zur Panik, wenn ihr folgende Grundregeln beachtet:

Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Repression bereits bei der Anreise beginnt. Am Besammlungsplatz, wenn ihr kollektiv anreisen wollt, oder am Bahnhof wo ihr einsteigt und in den Zügen steht meist schon Polizei in Uniform oder Zivil bereit, euch zu kontrollieren, registrieren und einzelne gar festzunehmen. Bedenkt dies bei euren Mobilisierungen, handelt als Gruppe und verschafft euch vor Ort einen Überblick über die Repression (z.B. indem ihr eigene Anti-Rep-Strukturen aufbaut, welche sich vor Ort um die Repression kümmert).

Die Polizei hat jederzeit das Recht, deine Personalien zu kontrollieren. Wenn du einen Ausweis dabei hast, kannst du darauf bestehen, dass sie dies vor Ort machen - hast du keinen dabei, nehmen sie dich wahrscheinlich zur Abklärung mit auf den Posten. Nimm deshalb einen Ausweis mit - aber nur den Ausweis! Keine Agenden oder Adressbüchlein - denn das gewährt den PolizistInnen Einblick in dein Umfeld - und das geht sie nun wirklich nichts an! Auch Nummern in deinem Handy sind für sie ein gefundenes Fressen - also zuhause lassen, im Notfall SIM-Karte vernichten!

Die PolizistInnen müssen dir auf Anfrage ihren Namen sagen, ZivilpolizistInnen ihren Ausweis zeigen. Merke dir ihre Namen und den von allfälligen Zeuginnen für dein Gedächtnisprotokoll! Drogen aller Art haben an einer Demo nichts verloren! Erstens lässt sich nüchtern einfacher einen kühlen Kopf bewahren, zweitens werden sie dir, falls sie dich kontrollieren, Drogenbesitz anhängen, auch wenn sonst nichts gegen dich vorliegt!

Bleib wenn möglich immer in einer Gruppe. Damit erschwert Ihr den Ordnungshüter-Innen einzugreifen, euch zu kontrollieren oder auch Einzelne rauszufischen (wenn du alleine bist, reichen schon zwei PolizistInnen!).

Wenn Du verhaftet wirst

Ruf Deinen Namen, damit du sicher sein kannst, dass es - ausser den Bullen - noch jemand mitgekriegt hat. Wenn du Verhaftungen mitkriegst, melde dies dem Antirep (Name des/der Verhafteten, Ort und Zeit). Verweigere immer die Aussage! Mehr als Name, Geburtsdatum, Adresse und Heimatort musst du nicht angeben (Regel: Nur was in deinem Ausweis steht!). Bleib stur und unterschreibe nichts. Die Beamten versuchen IMMER, dir etwas anzuhängen oder Informationen zu bekommen. Oft können sie dir nichts nachweisen, warten aber darauf, dass du dich selbst einer Tat bezichtigst!

Es kann sein, dass sie erkennungsdienstliche Massnahmen (Fotos, Fingerabdrücke, DNA-Proben, Leibesvisitation) vornehmen. In der Regel dürfen Frauen nur von Frauen, Männer nur von Männern durchsucht/gefilzt werden. Besonders Frauen sollten auf eine Durchsuchung von Frauen bestehen.

Vorläufige Festnahme/Präventivhaft

Die Polizei darf dich maximal 48 Std. festhalten (Wochenende 72 Std), nachher müssen sie dich einem Haftrichter / einer Haftricherin vorführen. Normalerweise kommst du aber nach ein paar Stunden wieder frei. Keine Panik. Die Polizei muss dir den Grund für den Freiheitsentzug angeben und du hast das Recht so bald als möglich Angehörige oder Vertrauenspersonen (Antirep) zu informieren. Melde dich nach deiner Freilassung unbedingt wieder beim Antirep, mache ein Gedächtnisprotokoll und schicke uns eine Kopie davon (Gedächtnisprotololle sind wichtig! Falls es nach einem Jahr zu einer Verhandlung kommt, wirst du dich sonst kaum mehr an wichtige Details erinnern!). Falls es zu Tätlichkeiten kommt, lass dir deine Verletzungen von einem Arzt attestieren (Kantonsspital).

Erste Einvernahme

Wurdest du im Zusammenhang mit einer Demo/Aktion kontrolliert oder verhaftet, wirst du womöglich als AngeschuldigteR in einem Strafverfahren zu einer erstem Einvernahme vorgeladen. Als angeschuldigte Person hast du grundsätzlich das Recht, die Aussage zu verweigern. Auch hier gilt, dass sie meist kaum was gegen dich in der Hand haben und darauf warten, dass du dich selbst bezichtigst. Auch auf scheinbar unverfängliche Fragen (Familie, Freunde, Umfeld etc) musst du nicht antworten - meist wollen die damit nur einen Einblick in die Strukturen erhalten (und das geht sie einen feuchten Dreck an!).

Bei der ersten Einvernahme besteht kein Recht auf Beizug einer Verteidigerin/eines Verteidigers, du musst da also ohne Anwalt/Anwältin durch. Melde dich nach der ersten Einvernahme beim Antirep. Zusammen können wir das weitere Vorgehen besprechen.

Falls du als Zeuge/Zeugin und nicht als angeschuldigte Person vorgeladen wirst, bist du verpflichtet, Aussagen zu machen! Sobald du jedoch mit deinen Aussagen dich oder nahe Verwandte (Schwester / Bruder) oder DeineN KonkubinatspartnerIn belastenmüsstest, kannst Du auch die Aussage als Zeuge/Zeugin verweigern. Es lohnt sich also bei einer Vorladung schon vorher sich darüber Gedanken zu machen.

Wie weiter?

Nach der ersten Einvernahme

Du wurdest bei einer Aktion oder Demo kontrolliert oder verhaftet, wurdest zu einer ersten Einvernahme vorgeladen, hast vielleicht bisher standhaft die Aussage verweigert - was nun? In der Regel passiert nun folgendes...

Szenario Wunder: die Staatsanwaltschaft hält dich für unschuldig - und du hörst nie mehr was von ihr, zudem werden die Fotos und Fingerabdrücke, die sie von dir gemacht haben wieder vernichtet. Dies ist wohl der seltenste aller Fälle, besonders das mit dem Vernichten der Fotos etc mag keineR so richtig glauben - obwohl die Behörden dazu eigentlich von Gesetzes wegen verpflichtet sind (siehe «Datenlöschung»).

Szenario Busse: die Staatsanwaltschaft sieht sich darin bestätigt, dass du das Vergehen (steht auf der Vorladung zur ersten Einvernahme, z.B. Landfriedensbruch, Nötigung, Gewalt gegen Beamte etc) begangen hast und büsst dich entsprechend (die Bussenbeträge können beträchtlich schwanken!). Szenario Prozess: die Staatsanwaltschaft ermittelt weiterhin gegen dich, eröffnet vielleicht ein Strafverfahren und lädt dich zu einem Prozess ein.

Trifft das Szenario «Wunder» zu, ist alles o.k., wenn du praktizierendeR GläubigeR bist, kannst du bei der nächsten Gelegenheit in der Kirche / im Tempel ein Kerzlein anzünden. In der Regel wirst du jedoch gebüsst oder zu deinem Prozess vorgeladen.

Melde dich nach der ersten Einvernahme beim Antirep! Wird dir der Prozess gemacht, empfehlen wir dir auf jeden Fall, dich mit einem Anwalt / einer Anwältin zu beraten. Wir stehen in Kontakt zu AnwältInnen, können dich gegebenenfalls vermitteln.

Wird gegen dich eine Busse verhängt, hast Du zehn Tage nach Erhalt des Strafbefehls zeit, Einspruch zu erheben. Es lohnt sich, eine Kopie des «Einspruchs» zu behalten, wie auch den Umschlag, in welchem der Strafbefehl eingetroffen ist (Datum, Einsprachefristen!).

Wenn du Einspruch gegen die Busse erhebst, wird ein Termin für die Hauptverhandlung festgesetzt und zu deiner Busse noch ca. 150.- CHF Verfahrenskosten hinzukommen. Wichtig - melde dich beim Antirep! Wir vermitteln dir dann einen Anwalt / eine Anwältin, die sich deiner annehmen kann. Denn bei einem Einspruch wird dir oder deinem Anwalt Akteneinsicht gewährt. Somit kann der Anwalt / die Anwältin schauen, was denn genau gegen dich vorliegt - ob es sich lohnt, die Busse anzufechten, oder nicht. Wenn nicht, kannst du die Einsprache bis zum Termin der Hauptverhandlung immer noch zurückziehen (das kostet Dich dann nur die ca. 150.- Verfahrenskosten zusätzlich - und darüber kannst du mit dem Antirep immer diskutieren).

Es ist in unseren Augen wichtig, Akteneinsicht nehmen zu können, zu wissen, was die Staatsanwaltschaft gegen die Einzelnen und damit auch immer gegen die «Bewegung» vor hat.

Bestimmungen für Jugendliche (bis 18)

Für Jugendliche trifft das meiste, was du auf den vorigen Seiten gelesen hast auch zu. Einige Ausnahmen bestehen aber:

Jugendliche haben kein Recht auf einen Haftrichtertermin! In der Regel wird Ihnen jedoch ein Anwalt beigegeben, sobald sie länger als 48 Stunden festgehalten werden. Falls nicht, müssten die Eltern reagieren. Dann besteht auch die Möglichkeit, die Kosten geltend zu machen, falls die Eltern über kein Geld verfügen.

Wird das Verfahren fortgeführt, läuft es über die Jugend-Staatsanwaltschaft (JugA). Die Sanktionen der JugA sind anders: in der Regel werden neben Bussen v.a. Verwarnungen, Arbeitsleistungen und dergleichen verhängt. Nur bei äusserst gravierenden Delikten kann eine Einschliessung (Knast) verfügt werden.

Bei den Jugendlichen ist es praktisch unmöglich, unentgeltliche Prozessführung zu erhalten, da allfällige Anwaltskosten von den Eltern getragen werden müssen (soweit diese nicht Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung geltend gemacht haben (siehe oben) und es sich um einen gravierenden Fall handelt).

Sämtliche Demoverstösse gelten für gewöhnlich nicht als gravierend, wobei es bei grossen zivilrechtlichen Forderungen (Sachbeschädigungen etc.) Ausnahmen geben kann. Aber: Grundsätzlich müssen die Eltern blechen.

Datenlöschung

Wenn alles läuft, wie in den letzten Jahren, wird auch diesmal die Polizei massenhaft Daten von potentiellen TeilnehmerInnen aufnehmen. Inzwischen werden die Daten routinemässig an die Staatsanwaltschaft und das DAP (Dienst für Analyse und Prävention - unsern lieben Inlandsgeheimdienst) weitergegeben. An sich schon ein Skandal! Zur Zeit besteht aber kaum politischer Druck auf die DatensammlerInnen, das Fichieren zu unterlassen, ganz im Gegenteil bauen die StaatsschützerInnen ihre Kompetenzen laufend aus. Deshalb ist es wichtig, auf die systematische Registrierung von DemoteilnehmerInnen aufmerksam zu machen: organisiert euch mit Gleichgesinnten, geht an die Öffentlichkeit, thematisiert die Renaissance des Fichenstaats. Und nicht zuletzt: Verlangt die Löschung eurer Daten. Ein Musterbrief ist unten abgedruckt. Schickt ihn an die betreffenden Stellen. Wenn es vielleicht auch nicht viel nützt, beschert es den BeamtInnen doch Mehrarbeit (Musterbrief als .pdf und die Adressen werden auch auf dem Internet zu finden sein, z.B. switzerland.indymedia.org)

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