2008-07-16 

Polizeigewalt in Genua bleibt folgenlos

Rom - Die Polizisten begrüßten ihre damaligen Opfer, festgenommene Globalisierungsgegner, mit „Willkommen in Auschwitz“, sie mussten sich nackt ausziehen und „Viva il Duce“ rufen. Männer mussten stundenlang in erniedrigenden und schmerzhaften Stellungen verharren, Frauen wurden Massenvergewaltigung „wie in Kosovo“ in Aussicht gestellt. Sie wurden geschlagen, verhöhnt, erniedrigt, mit brennenden Zigaretten gequält. Sie erlitten Rippenbrüche, Hirnerschütterungen, Rissquetschwunden und Blutergüsse.

Bild: Genua

Kurz: Was die 209 verhafteten Globalisierungsgegner in den drei Tagen vom 20. bis 22. Juli 2001 in der Polizeikaserne Bolzaneto oberhalb von Genua durchmachten, war, wie es die Staatsanwaltschaft formulierte, „die Hölle“. Man könnte es auch Folter nennen – zumal in Bolzaneto laut den Anklägern vier der fünf vom Europäischen Gerichtshof als „erniedrigend und unmenschlich“ bezeichneten Verhörmethoden angewendet worden waren. Nur existiert im italienischen Recht der Straftatbestand Folter nicht. Und weil es für das Gericht in vielen Fällen nicht möglich war, einzelne Misshandlungen einem bestimmten Beamten zuzuordnen, wurden 30 der 45 Angeklagten freigesprochen, „weil sie die Tat nicht begangen haben“.

Die übrigen 15 wurden wegen Amtsmissbrauchs zu Haftstrafen von insgesamt 24 Jahren verurteilt. Die Staatsanwälte hatten im Zusammenhang mit den Misshandlungen in der Polizeikaserne von einem „dunklen Kapitel in der Geschichte des italienischen Rechtsstaates“ gesprochen. Das Kapitel wird mit den Schuldsprüchen kaum heller: Keiner der Verurteilten wird die Strafe antreten müssen.

Wegen der von Silvio Berlusconi vor zwei Jahren verkürzten Verjährungsfristen und des von der Regierung Prodi gewährten allgemeinen Strafnachlasses werden alle Delikte verjähren, noch ehe sie rechtskräftig werden. Immerhin sind erstmals in der gerichtlichen Aufarbeitung der Vorfälle am G-8-Gipfel auch Polizeikader verurteilt worden. Mit fünf Jahren Gefängnis am höchsten bestraft wurde der damalige Polizeiinspektor Genuas; der Vizepolizeichef erhielt zwei Jahre und vier Monate.