2008-07-14
Vier Jahre ist es her seit jenem G8- Gipfel im schottischen Gleneagles der britische Premierminister Tony Blair präsentierte 2005 als Vorsitzender des damaligen G8-Gipfels im schottischen Gleneagles, sekundiert von Bob Geldof‘s Live8- Kampagne, den durch die G8 ausgearbeiteten Aktionsplan (1) für die Armutsbekämpfung und Unterstützung Afrikas. Der Aktionsplan wurde als historische Chance gepriesen. Die hohen, durch die UNO im Jahr 2000 gesteckten Millenniumsziele (2), sollten nun auch für den vergessenen Kontinent medienwirksam in Angriff genommen werden. Zeit genug um zurück zu schauen und zu betrachten was eigentlich aus den schönen Versprechen geworden ist.
Wahrlich die Ziele der Kampagne wurden hoch gesteckt: Das Wirtschaftswachstum soll stimuliert und zusätzliche Mittel für die afrikanischen Friedenstruppen (African Standby Force) bereitgestellt werden. Auf der institutionellen Ebene wurde versprochen, sich für die Errichtung demokratischer Strukturen und die Verminderung der Korruption einzusetzen. Auch in die Gesundheitsversorgung sollen gemäss den Versprechen beträchtliche Mittel fliessen und Krankheiten wie Aids, Malaria und Tb ein für allemal eingedämmt werden. Um das Programm zu finanzieren wurde eine massive Steigerung der Hilfszahlungen angekündigt. Bis zum Jahr 2010 sollen die Zahlungen um 50 Milliarden pro Jahr aufgestockt werden, wovon 25 Milliarden pro Jahr auf Afrika alleine entfallen sollen.
Die Verantwortung über das Vorgehen und die konkrete Ausgestaltung wurde den betroffenen Ländern übertragen. Selbstständig sollten sie über ihre Entwicklungsstrategien entscheiden und zur Umsetzung auf die Mittel der Gebergemeinschaft zugreifen können. Gleichzeitig wurde aber der Weltbank die Koordinationsfunkton der gesprochenen Gelder zugeteilt und somit der Geldfluss auch indirekt an die Bedingungen des Washingtoner Consensus gekoppelt. Dieses neoliberale 10-Punkteprogramm verlangt von den Staaten umfangreiche Reformen, Liberalsierungen und Deregulierungen. Der ehemalige Weltbankdirektor Joseph Stiglitz beschreibt in seinem Buch „Die Schattenseiten der Globalisierung“ (2002) eindrücklich, mit welchen Mitteln Druck auf die Regierungen ausgeübt wurde, um sie auf Kurs zu bringen. Hier wird schon zu aller Anfang deutlich, dass die Empfängerländer zwar Ausgestaltungsfreiheiten geniessen, der Rahmen in welchem dies geschehen kann, jedoch eine neoliberale Einbahnstrasse darstellt.
An den G8- Treffen der folgenden Jahre wurde das Thema beständig aufgegriffen und die getane Arbeit präsentiert. So auch 2006 in St. Petersburg, Russland. Im Abschlussbericht des Treffens findet die Thematik jedoch kaum Eingang, was bei der vorzulegenden mageren Bilanz auch kaum zu verwundern mag. Die im Zusatzbericht bescheinigten Taten legen in aller Deutlichkeit offen, dass das Ziel 50 Milliarden mehr Entwicklungshilfe pro Jahr zur Verfügung zu stellen, schon im Jahr eins nach den Versprechen von Gleneagles klar gescheitert ist. Im friedenssichernden Bereich, erklären sie sich als Einsatzbereit um UN-Truppen in die Krisenregion Darfur zu entsenden. Erstaunlich nur, dass trotz der grossen Bereitschaft im Juli 2008 immer noch lediglich an die 10‘000 Einsatzkräfte, also ungefähr die Hälfte der zugesicherten über 25‘000 Einsatzkräfte, vor Ort sind. Im Bildungswesen seien die G8-Staaten an Projekten beteiligt, um sämtlichen Kindern bis 2015 eine schulische Grundausbildung zu garantieren, so der Bericht weiter. Nur fehlen gemäss Alex Kent von Global Campaign for Education zurzeit schlicht die Mittel, um das Vorhaben nur im Ansatz umzusetzen. (3)
2007 in Heilgendamm, Deutschland steht die Entwicklungshilfe wieder auf einem prominenteren Platz, dies zusammen mit dem Klimawandel, welchem nun endlich eine höhere Priorität zugestanden wird. Dies wohl nicht zuletzt, weil erkannt wurde, dass der Prozess des Klimawandels schwerwiegende Folgen für Ökonomie und Soziale Sicherheit haben wird, sollten keine Lösungen gefunden werden. Die Rezepte bleiben aber die Selben wie schon in früheren Abschlusserklärungen formuliert und deuten keinerlei Ausbrechen aus bekannten Bahnen an. Investiert werden soll in Technologien, und als zweites Standbein der Klimapolitik sollen Energieeffizienz und Marktmechanismen durch Steuern und Emissionshandel gefördert werden.
In diesem Zusammenhang ist auch das erneut verstärkte Engagement in Afrika zu verstehen. Einerseits ist der Kontinent sehr Rohstoffreich, weshalb es auch nicht verwundert, dass die G8 gerade in diesem Bereich auf verstärkte Transparenz pochen. Andererseits ist der Kontinent für den geplanten Emissionshandel zentral. Die westlichen Industrienationen können so, anstelle zu Hause Energie zu sparen, in afrikanische Emissionspapiere investieren. Dies wirkt in doppelter Weise negativ. Zum einen werden so keine Anreize zur Reduktion der CO2-Emissionen in den Industrienationen geschaffen, also gerade dort die Chance zur Veränderung verpasst, wo die finanziellen Mittel zur Innovation eigentlich vorhanden wären. Zum anderen werden so die bestehenden Armuts- und Abhängigkeitsverhältnisse weiter zementiert.
Obwohl im Bericht die klaren Zahlen fehlen lässt die Formulierung „Wir werden weiter mit den anderen Gebern daran arbeiten, die in Gleneagles eingegangene Verpflichtung zur Verdopplung der Hilfe für Afrika zu erfüllen – das sind zusätzliche 25 Mrd. USD im Rahmen einer von der OECD geschätzten jährlichen Steigerung von 50 Mrd. USD bis 2010.“ (4) doch vermuten, dass auch im Jahr zwei nach Gleneagles die finanziellen Versprechen nicht eingehalten wurden. Zum Schuldenerlass steht lediglich, dass „bereits 18 afrikanischen Staaten alle Schulden erlassen [wurden] und weitere 15 [..] in den Genuss eines ähnlichen Schuldenerlasses kommen [werden], wenn sie die erforderlichen Kriterien erfüllen.“ (5)
Bemerkenswert ist auch die Notiz zum bestehenden Risikopotential von Hedge-Fonds in der Abschlusserklärung. Wie sich aber noch im selben Jahr mit dem Zusammenbrechen des US-Immobilienmarktes zeigen sollte, kam die Einsicht zu spät.
Der G8-Gipfel 2008 in Hokkaido, Japan stand unter ganz andern Vorzeichen als die Vorangegangenen. Im letzten Jahr eskalierte die bereits angesprochene Immobilienkrise in den USA und riss die ganze Finanzwelt in eine Depression, dessen Tiefpunkt wohl noch nicht erreicht sein dürfte. Was auch der Zusammenbruch der siebtgrössten US-Hypothekenbank Indymac Ende letzter Woche bestätigt. Die Gefahr einer Rezession der gesamten Weltwirtschaft schwebt somit wie ein Damoklesschwert beständig über der Welt.
Dennoch lassen sich die G8-RegierungsschefInnen nicht aus der Ruhe bringen und attestieren in ihrer Abschlusserklärung der Konjunktur positive Wachstumsaussichten. Bei nüchterner Betrachtung bleibt nicht so viel Platz für Optimismus. Insbesondere dann nicht, wenn die stark steigenden Ölpreise in die Betrachtung miteinbezogen werden. Weiter brachen im Zusammenhang mit den Steigenden Nahrungsmittelpreisen, welche nach einem internen Weltbankpapier zu 75% durch die Biotreibstoffproduktion verursacht sind, vielerorts auf der Welt Hungerunruhen auf.
Alles in Allem hat das erste Halbjahr 2008 in aller Deutlichkeit aufgezeigt, wie verhängt die Welt im Zuge der Globalisierung geworden ist und dass die globale Reaktionszeit auf lokale Krisen und Entscheide enorm schnell ist. Wie eine hilflose Anrufung wirkt da der auch dieses Jahr im Bericht enthaltene Appell an die WTO-Mitglieder, die seit 2003 blockierte, Doha-Runde doch endlich voran zu treiben.
Was die Entwicklungshilfe für Afrika angeht, wird im wesentlichen das Selbe widerholt wie in den Jahren zuvor und ein weiteres mal das Festhalten an den Entscheiden von Gleneagles bekräftigt. Im Bericht ausgeklammert wird grosszügig, wie ein Oxfam in einem Communiqué anprangert, dass die 2005 gesteckten finanziellen Ziele für 2010 beim aktuellen Trend um ganze 30 Milliarden Dollar verfehlt werden dürften. (6)
Nur ist die Zeit ausserhalb der G8-Treffen nicht stehen geblieben und so steht das Verpassen der selbst auferlegten Ziele nicht für sich alleine. Die Nahrungsmittelpreise sind seit 2005 um bis zu 45% (7) gestiegen und haben so 10% des BIP von Senegal, Haiti und dem Raum Sierra Leone verschlungen, mit 5% Verlust stehen die Länder Vanuatu, Mozambique und Eritrea da. Zahlen der Weltbank zur Folge haben die Preissteigerungen von Getreide, Reis und Mais Entwicklungsländer rund 324 Milliarden Dollar gekostet (8), welche in der Endabrechnung schmerzhaft fehlen.
Dies insgesamt äusserst allarmierende Tatsachen, veranlassen die G8 nicht die Ursachen der Preisexplosion auf den Grund zu gehen, sondern präsentieren anstelle, den Vorschlag eine Internationale Lebensmittelreserve anzulegen. Weiter soll allgemein mehr in die landwirtschaftliche Produktion investiert werden, um so die Knappheit zu reduziert, ohne auf die Produktion von Biotreibstoff verzichten zu müssen.
Dass es am Willen und nicht am Geld mangelt der Armut der Welt endlich einen Riegel zu schieben, zeigt in aller Deutlichkeit die Tatsache, dass im Verlauf der letzten sechs Monaten laut Jeremy Hobbs (Oxfam) westliche Regierungen eine Billion Dollar ausgegeben haben, um die durch die Finanzkrise angeschlagenen Finanzinstitute vor dem Untergang zu bewahren; weitere Zahlungen sind mit Sicherheit zu erwarten.
In ähnlicher zögerlicher Weise präsentierten sich auch die Vorschläge zum Angehen der Klimafrage. Zwar wird festgehalten, dass bis 2050 die globalen CO2-Emissionen um 50% gesenkt sein müssen. Gesetzt wird allerdings weiterhin in erster Linie auf technologischen Fortschritt und das Wirken von Marktmechanismen. Auch den steigenden Bedarf an Energie, wird nicht auf der Verbraucherseite angegangen. Stattdessen wird der Bau von neuen Atomkraftwerken vorgeschlagen. Dies obwohl auch Uran eine endlich Ressource ist, die Endlagerung alles andere als gelöst ist und Atomkraft in der Gesamtbetrachtung keinesfalls klimaneutral ist. (9)
Als Fazit gilt auch nach dem letzten G8 in Japan, dass es den VertreterInnen der G8 offensichtlich am Verständnis für die komplexen Verknüpfungen der Welt mangelt, oder sie bewusst fahrlässig mit dem Wohl der gesamten Welt spielen. Auf den Punkt bringt es treffend Kumi Naidoo (GCAP): „The outcome shows a lack of understanding of the heart of the issues causing hunger and desperation in many countries already. We hope the citizens of these eight countries will put more pressure on their out-of-touch leaders. The planet is burning while the G8 is fiddling.” (10)
Weitere Info’s
Quellen
1 http://www.britishembassy.gov.uk/Files/kfile/Afrika.pdf
2 http://www.unric.org/html/german/millennium/millenniumerklaerung.pdf
3 http://www.whiteband.org/media/press-info/global-anti-poverty-campaigners-say-g8-come-out-shaky-on-climate-food-development-and-africa
4/5 http://www.g-8.de/Content/DE/Artikel/G8Gipfel/Anlage/Abschlusserkl_C3_A4rungen/zusammenfassung-fortschrittsbericht,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/zusammenfassung-fortschrittsbericht , S3
6/8 http://www.oxfam.org/en/pressroom/pressrelease/2008-07-06/g8-must-not-forget-poor-crippled-food-crisis
7/10 http://www.whiteband.org/media/press-info/g8-fiddles-while-world-burns
9 http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/energie/Schwarzbuch_f__r_Internet.pdf
http://globalrevolt.wordpress.com/
G8 Protest 2008
http://www.gipfelsoli.org/Home/Hokkaido_2008/Hokkaido_2008_deutsch
G8 Berichte:
2005 http://www.g8.gov.uk/servlet/Front?pagename=OpenMarket/Xcelerate/ShowPage&c=Page&cid=1122472529884
2006 http://en.g8russia.ru/docs/
2007 http://www.g-8.de/Webs/G8/DE/G8Gipfel/GipfelDokumente/gipfel-dokumente.html
2008 http://www.g8summit.go.jp/eng/doc/index.html
http://contrainfo.twoday.net