2008-07-07
Forscher vom Wissenschaftszentrum Berlin untersuchten 1.165 Artikeln und kritisierten dabei systematische Mängel in der Nachrichtenproduktion.
Berlin - Über einen Zeitraum von sechs Wochen haben Forscher vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) elf Zeitungen und Magazine zum G8-Gipfel vor einem Jahr in Heiligendamm ausgewertet. Jetzt legen sie ihre Analyse aus 1.165 Artikeln vor: In 82 Prozent der Texte ging´s um die Proteste, nur ein Achtel widmete sich dem eigentlichen Gipfelgeschehen. Die Soziologen äußern herbe Kritik, viel Falsches sei veröffentlicht worden, weil oft der journalistische Anspruch aufgegeben worden sei, berichtet der Branchendienst ABZV aktuell.
"Das Gebot, sach- und faktenorientiert zu berichten, wurde zuweilen massiv verletzt. Es kam zu schweren handwerklichen Fehlern, die nicht als Betriebsunfälle gelten können, sondern systematische Mängel in der Nachrichtenproduktion offenbaren." So habe die "Clowns Academy" im Rahmen der Demonstrationen einen humoristischen Ansatz gewählt und Spritzpistolen mit Seifenlauge gefüllt. Medien berichteten daraufhin von einer Säureattacke gegen Polizisten.
Die Studie untersuchte Texte in taz, Ostsee-Zeitung, Neue Osnabrücker Zeitung, FAZ, Welt, Süddeutsche, FR, Bild, Spiegel, Focus und Zeit. "Der Anpassungsdruck gegenüber anderen Medien, auch der Eifer, möglichst mit einer spektakulären Nachricht aufzuwarten, ist zuweilen größer als die Sorgfaltspflicht, Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Nicht nur wurden tendenziöse Polizeiberichte ungeprüft übernommen. In einigen Fällen bevorzugten Redaktionen sogar diese Berichte, obgleich diesen von den eigenen Reportern vor Ort widersprochen wurde."
5.000 Journalisten berichteten. Die Wissenschaftler verglichen auch, wie die Zeitungen die G8-Gegner beurteilten. "Die negativsten Bewertungen der Protestierenden enthielt Bild, die positivsten die Ostsee- Zeitung. Innerhalb der Kommentare wurden die Protestierenden ebenfalls in Bild am negativsten, in der FR und SZ - und nicht etwa in der taz - am positivsten bewertet."
Am WZB arbeiten 140 in- und ausländische Ökonomen, Politologen, Soziologen, Juristen und Historiker. Das Institut wurde 1969 auf Initiative von Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen gegründet und wird zu 75 Prozent vom Bund und zu 25 Prozent vom Land Berlin bezuschusst. Zusätzlich gibt's Sponsorengelder aus der Wirtschaft.