2008-07-07
Heiligendamm war anders. Posti ist aus Deutschland angereist, um am Ufer des japanischen Toya-Sees gegen das G-8-Gipfeltreffen zu protestieren. "Die Demonstrationen hier sind kleiner als die Proteste, die wir letztes Jahr in Deutschland gesehen haben", erinnert sich der deutsche Punk an die massiven Proteste am Rande des G-8-Treffens 2007 im Ostseebad Heiligendamm, bei denen fast tausend Menschen verletzt wurden. Mit Freunden liegt er auf dem Rasen eines Zeltlagers, in dem sich rund tausend G-8-Gegner zusammengefunden haben. Auf der anderen Seite des Sees prangt das imposante "Windsor Hotel Toya", in dem bis Mittwoch die Staats- und Regierungschefs der mächtigsten acht Nationen tagen.
Fahnen in den verschiedensten Farben und Banner mit Aufschriften wie "Nein zu G-8" flattern über den Zelten. Die wenigen einheimischen Bauern, die auf den umliegenden Feldern Spinat ernten, staunen über das Lager. Auf Schildern fordern die Organisatoren der Protestbewegung die Zeltbewohner auf, sich bei den Bauern mit Gemüse zu versorgen und sie zum Mitmachen zu animieren. Eine Frau mittleren Alters, die auf einem nahegelegenen Feld arbeitet, beobachtet das Geschehen aber mit Skepsis. "Ich weiß nicht, was die da machen. Ich weiß überhaupt nichts über sie", sagt sie mürrisch.
Entgegen sonstigen Gepflogenheiten haben die japanischen Behörden die Zeltlager völlig überraschend genehmigt. Zum einen wollen sie einen Mangel an Hotelbetten wiedergutmachen. Zugleich ist dies aber auch der Versuch, die Gipfelgegner besser im Blick zu haben, um gewaltsame Auseinandersetzungen zu verhindern. Schon im Vorfeld des Gipfels riegelten 21.000 Polizisten die Gegend rund um den Tagungsort ab, mit Straßensperren, Patrouillen und Kontrollen.
Die Demonstranten, die nun jeden Morgen in den Bus steigen, um an Kundgebungen in anderen Städten teilzunehmen, kommen aus unterschiedlichsten Ländern. Zu Posti, dem Punkrocker der deutschen Band Sprengsatz, gesellen sich Demonstranten aus Südkorea, den USA und von den Philippinen. Auch Angehörige vom Volk der Ainu, der Ureinwohner der nordjapanischen Insel Hokkaido, sind unter den Gipfelgegnern. Der 57-jährige Kenichi Kawamura hat sich in die Tracht der Ainu gehüllt und trägt ein traditionelles Stirnband. In einem traditionellen Ritual spricht er zu den Göttern der Ainu, um für erfolgreiche Demonstrationen gegen den Gipfel der acht mächtigsten Staaten zu beten. Mehrere Südkoreaner mit Kerzen in den Händen schließen sich ihm an.
Die Demonstranten aus dem Lager wollen so nah wie möglich an das 30 Kilometer entfernte Tagungshotel herankommen. Ein erster Versuch von rund 50 G-8-Gegnern, sich dem festungsartigen Gebäude zu nähern, scheitert am Montagmorgen. Mehr als hundert Polizisten stellen sich ihnen in der Stadt Toyoura in den Weg. 30 Minuten stehen sich die teilweise vermummten Demonstranten und mit Schilden ausgerüstete Polizisten im strömenden Regen gegenüber - dann ziehen sich die Demonstranten wieder in ihr Zeltlager zurück. Wohl oder übel müssen sie sich darauf beschränken, ihre Parolen über den See zu schreien.