2008-07-04 

Redebeitrag zur Kundgebung in Berlin, 4. Juli

Ein italienisches Sprichwort heisst, man gewinne einen Gerichtsprozess in Italien nicht in der dritten Instanz, sondern in der dritten Generation. Auf politische Prozesse gegen VertreterInnen der Staatsmacht trifft das freilich nicht zu: solche Prozesse kommen in Italien meist niemals an ihr Ziel!

Die Prozesse um den G8-Gipfel in Genua des Jahres 2001 soll könnte nun offenbar das gleiche Schicksal ereilen. Nach dem Willen des erneut ins Staatsamt gewählten Medienzahren Berlusconi soll ein Schlußstrich unter die Prozesse gegen insgesamt über 66 PolizeibeatInnen und einige medizinische Mitarbeiter gezogen werden. Ein Jahr „Verschnaufpause“ will er den Gerichten verordnen - kurz vor der geplanten Urteilsverkündung im ersten Prozess gegen BeamtInnen am 21. Juli.

Rote Zone

Hunderte von Verhandlungsstunden und tausende Stunden Arbeit von RechtsanwältInnen und ihren UnterstützerInnen könnten so mit einem exekutiven Handstreich hinweggefegt werden, denn die „Verschnaufpause“ stellt sich bei näherem Hinsehen als eine Verunmöglichung dar. Zu knapp ist das halbe Jahr verbleibende Zeit vor der Verjährung der Straftaten, als das es möglich wäre einen unterbrochenen Prozess nach einem Jahr Zwangspause schnell genug abschließen zu können.
Doch selbst im Falle eines Urteils und einer Verurteilung in den beiden G8-Prozessen gegen die Polizei wird das Urteil eher symbolischen Charakter haben. Die Verjährung wird eine Bestrafung der Angeklagten in der zweiten Instanz ohnehin kippen, befördert wurden sie bereits in den vergangen Jahren und ohnehin stehen nur sehr wenige von ihnen nun überhaupt vor Gericht.

Die Urteile gegen 25 italienische DemonstrantInnen zum G8 2001 wurden hingegen bereits im letzten Jahr gesprochen. Sie wurden zu drakonischen Strafen von bis zu 11 Jahren Haft veruteilt. Straftatbestand: „Plünderung und Verwüstung“, erkannte das Gericht bei der Hälfte von ihnen an und stellte mit diesem Urteil in Frage, ob es in Zukunft in Italien überhaupt noch möglich sein wird, Massenprotest wirksam auf die Straße zu bringen. Denn für „Plünderung und Verwüstung“ ist es nicht wichtig, ob die Aktion gemeinschaftlich und abgesprochen erfolgte. Einziges Kriterium ist, ob es im Umfeld zu Ausschreitungen kam. So wird eine eingeworfene Scheibe einer Bank zu einem Schwerverbechen und der/die vermeintlich Überführte wandert für viele Jahre hinter Gitter.
Erst im Juni wurde eine französische Aktivistin zu 5 Monaten Haft verurteilt, weil sie den Absperrzaun um die Genueser Innenstadt überklettert hatte.
Das ist ein Angriff gegen die sozialen Bewegungen und gegen das Recht auf Widerstand gegen ein verbrecherisches globales Machtsystem.
Während des Gipfels 2001 in Genua wurde dieses System von rund 300.000 Menschen eindrucksvoll in Frage gestellt und herausgefordert. Mit der brutalen Gewalt auf der Straße – bis hin zum Mord an Carlo Giuliani und dem Überfall auf das Nachtlager der DemonstratInnen in der Schule „Diaz“ hat die italienische Staatsmacht damals ihrem faschistoiden Treiben freien Lauf gelassen. Nun versucht Berlusconi auch gegen die staatliche Justiz selbst einzuschreiten. Ein Denkzettel für die engagierten StaatsanwältInnen und RechtsanwältInnen, die Licht ins vermeintliche Dunkel von Genua bringen wollten. Eine politische Aufarbeitung der Geschehnisse in Genua verhinderte unterdessen nicht nur Berlusconis Regierung, sondern auch die Mitte-links-Regierung Prodis in den vergangen Jahren.

Im nächsten Jahr findet erneut ein G8-Gipfel in Italien statt und wieder steht Berlusconi mit seiner rechts-außen Regierung am Ruder des Staates. Auf der kleinen Insel „La Maddalena“ vor Sardinien wollen sie sich diesmal verschanzen. Wir werden Ihnen zeigen, daß durch brutale Repression keine Ruhe zu erzeugen ist. Mit kreativen und machtvollen Aktionen wird Italien auch im nächsten Jahr wieder Ziel der Kritik an dem Herrschaftsverhältnissen auf dieser Welt sein!

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