2008-07-01
Niederlage für die Potsdamer Staatsanwaltschaft: Ein Bewohner des linksalternativen Wohnprojekts in der Zeppelinstraße 25/26 ist gestern am Amtsgericht von dem Vorwurf freigesprochen worden, mit einem Plakat öffentlich zu Straftaten aufgerufen zu haben, etwa zu Widerstand gegen die Polizei.
Das Verfahren sollte einen Vorfall vor einem Jahr aufklären. Im Vorfeld des G8-Gipfeltreffens von Heiligendamm hatte im April an der Frontwand der Zeppelinstraße 25/26 ein metergroßes Plakat gehangen, das zu Protesten gegen den Gipfel mittels „Blockaden“ und „Barrikaden“ aufrief. Ebenso zu sehen waren gemalte Polizisten, ihnen gegenüber offenbar Vermummte.
Die Staatsanwaltschaft erwirkte einen Beschluss beim zuständigen Gericht, das Plakat abhängen zu lassen. Dies führte am 18. April 2007 zu einem friedlich verlaufenden Polizeieinsatz, bei dem der gestern Angeklagte Claas-Vinzenz T. sich laut zweier Polizei-Zeugen „als verantwortlich“ für das Plakat und das Hausprojekt bezeichnete. Allerdings reichte das Richterin Reinhilde Ahle nicht aus, da sich der Anklagte in der Hauptverhandlung nicht explizit zu dem Vorwurf äußerte: Es deute zwar vieles darauf hin, dass Claas-Vinzenz T. das Plakat angebracht habe, „aber es ist eben nicht zwingend nachweisbar“. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Strafe von mindestens 20 Tagessätzen gefordert.
Oberstaatsanwalt Michael Roscheck sagte, mit dem Plakat seien „Grenzen der Meinungsfreiheit“ erreicht worden. Dagegen hatte der Angeklagte – ohne zum Vorwurf selber Stellung zu nehmen – eine Erklärung über die aus seiner Sicht bestehende Rechtmäßigkeit solcher Protestformen abgegeben: Der Fall Zeppelinstraße stehe exemplarisch für die Kriminalisierung der Anti-G8-Bewegung. Auf diesen grundsätzlichen Konflikt um Möglichkeiten von Protest ging Richterin Ahle in der Urteilsbegründung nicht ein. H. Kramer