2008-06-24 

Zwei-Jahresbericht zu Datenschutz und Informationsfreiheit in M-V vorgestellt

[…] 2.Datenschutz und G8-Gipfel

Der G8-Gipfel im Juni 2007 in Heiligendamm hat nicht nur die Sicherheitsbehörden, sondern auch den Landesbeauftragten für den Datenschutz stark beansprucht.
Ich bin dreimal zu einem Kontroll- und Informationsbesuch bei der Besonderen Aufbauorganisation für den G8-Gipfel (BAO KAVALA) in Waldeck gewesen: am 8. Mai, am 1. Juni und am 20. Juni 2007. Die Kontrollberichte sind im Internet unter www.datenschutz-mv.de abrufbar.

1.Polizeiliche Anhalte- und Sichtkontrollen

Gemäß § 27 a Abs. 1 Nr. 1 Sicherheits- und Ordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (SOG M-V) darf die Polizei im öffentlichen Verkehrsraum zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung (§ 49) Personen kurzfristig anhalten und mitgeführte Fahrzeuge, insbesondere deren Kofferräume und Ladeflächen, in Augenschein nehmen.

Maßnahmen nach Satz 1 Nr. 1 werden durch den Behördenleiter angeordnet, soweit polizeiliche Lageerkenntnisse dies rechtfertigen; die Anordnung ist in örtlicher und zeitlicher Hinsicht zu beschränken.

Die Einsatzbefehle Nr. 1 vom 27. März 2007 und Nr. 2 vom 18. Mai 2007, welche die Anordnung nach § 27 a SOG M-V enthalten, sind mir von der BAO KAVALA übersandt worden. Die örtliche und zeitliche Beschränkung der Maßnahme ist dort enthalten. Auch gehe ich davon aus, dass nach dem polizeilichen Lagebild im Vorfeld und bei der Durchführung des G8-Gipfels hinreichende Erkenntnisse vorlagen, die Straftaten von erheblicher Bedeutung erwarten ließen. Zum Umfang der Maßnahme (es darf lediglich kurzfristig angehalten werden; die Kofferräume und Ladeflächen dürfen lediglich in Augenschein genommen werden) habe ich aufgrund der mir vorliegenden Petitionen den Eindruck, dass hier häufig die Grenzen des Zulässigen überschritten worden sind.

Das Landesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur sogenannten Schleierfahndung vom 21. Oktober 1999 ausdrücklich betont, dass bei Bürgern, die sich nichts haben zu schulden kommen lassen, grundsätzlich nicht der Kofferraum durchsucht werden darf. Infolge des Urteils ist die Norm des § 27 a in das Sicherheits- und Ordnungsgesetz eingefügt worden. Nach mir vorliegenden Informationen sind Personen und Fahrzeuge häufig stundenlang und auch mehrmals täglich durchsucht worden. Dies geschah unter anderem auch durch Polizeieinheiten anderer Bundesländer, denen offensichtlich die spezifischen Besonderheiten des hiesigen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes nicht immer geläufig waren.

2.Identitätsfeststellungen gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SOG M-V

Nach den mir von der BAO KAVALA übersandten Unterlagen gab es in der Einsatzphase III insgesamt 187 Objekte mit besonderen Schutzmaßnahmen im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SOG M-V.
Als Objekte werden hier eine Vielzahl von gefährdeten Orten aufgelistet: vom Amtsgericht Rostock über die Firma X GmbH, verschiedene Relaisstellenstandorte der WEMAG, ein Bauunternehmen bis hin zum 13 km langen Sicherheitszaun.

An all diesen 187 Orten und deren Umgebung mussten Personen damit rechnen, dass sie einer Identitätsfeststellung unterzogen werden. Jede Person – dies ist ein Grundsatz in unserem Rechtsstaat – muss sich darauf einstellen können, wann und unter welchen Voraussetzungen sie mit polizeilichen Maßnahmen rechnen muss. Dies sollten sie im Gesetz nachlesen können. Wenn jedoch mehr oder weniger der gesamte Norden unseres Landes mit „gefährdeten Orten“ belegt ist, ist es einer Person schier unmöglich, ihr Verhalten so darauf einzustellen, dass sie nicht einer Identitätsfeststellung unterzogen wird.

Es gab, als der Sicherheitszaun errichtet wurde, viele „Schaulustige“, die sich den Zaun einfach nur ansehen wollten. Hier konnte sich der normale Bürger noch vorstellen, dass der Sicherheitszaun ein gefährdetes Objekt im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SOG M-V ist und dass man hier nach dem Personalausweis gefragt wird. Musste er aber auch damit rechnen, dass er – ohne dass weitere Anhaltspunkte hinzukommen – durchsucht wird? Die Frage muss bejaht werden.

Nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 SOG M-V kann eine Person durchsucht werden, wenn eine Identitätsfeststellung aufgrund des § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 oder 3 (gefährdeter Ort) zulässig ist. Der Sicherheitszaun, auch technische Sperre genannt, ist ein gefährdetes Objekt im Sinne dieser Vorschrift. Die unmittelbare Koppelung der Vorschriften über Identitätsfest-stellung und Durchsuchung einer Person, ohne dass hinsichtlich der höheren Eingriffsinten-sität der Durchsuchung weitere rechtliche Hürden aufgestellt werden, führt zu einem tiefen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Damit ist es für die Durchsuchung einer Person nicht erforderlich, beispielsweise festzustellen, dass Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen bzw. die Maßnahme zur Abwendung einer im Einzelnen bevorstehenden Gefahr dient.

Als Datenschutzbeauftragter des Landes Mecklenburg-Vorpommern halte ich diese gesetzestechnische Koppelung für äußerst problematisch, da die Durchsuchung im Verhältnis zur Identitätsfeststellung einen tiefergehenden Eingriff in die Persönlichkeitssphäre und damit in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Die Maßnahmen können daher auch auf einfache Besucher und Spaziergänger angewandt werden, die sich an oder in der Nähe eines gefährdeten Objekts aufhalten. Angesichts der 187 gefährdeten Objekte, die nicht öffentlich bekannt oder in irgendeiner Weise gekennzeichnet waren, war es auch unbeschol-tenen Bürgern nicht möglich, sich Identitätsfeststellungen und Durchsuchungen zu entziehen.
Ich habe hierzu eine Petition von Personen vorliegen, die sich dieser oben geschilderten Maßnahme und einer Durchsuchung ihres PKW’s unterziehen mussten, als sie den Zaun besichtigten. Die Petenten haben nach Auskunft der BAO KAVALA Widerspruch gegen die Maßnahmen eingelegt. In der Erwiderung der BAO KAVALA hieß es zur Begründung, die Personen hätten sich angesichts der polizeilichen Maßnahmen aggressiv und unkooperativ gezeigt.

3. Automatisiertes Kfz-Kennzeichen-Lesesystem (AKLS) nach § 43 a SOG M-V

Die BAO KAVALA stützte den automatisierten Kfz-Kennzeichenabgleich auf § 43 a Abs. 2 SOG M-V, da ein Abgleich mit dem Fahndungsbestand (§ 43a Abs. 1 SOG M-V) aus technischen Gründen nicht in Betracht gekommen sei. Danach ist der Abgleich erhobener Kennzeichendaten mit anderen polizeilichen Dateien nur zulässig, soweit die Dateien zur Abwehr von im Einzelfall oder im Hinblick auf bestimmte Ereignisse allgemein bestehende Gefahren errichtet wurden und der Abgleich zur Abwehr einer solchen Gefahr erforderlich ist. Es wurde vorgetragen, dass mit den Dateien Auskunftsdatei „Störer“ (lokale Datei der BAO KAVALA), PB 07 (verdeckte polizeiliche Registrierung) und Gewalttäter links (INPOL-Anwendung) abgeglichen worden sei. Das Ereignis, welches zu schützen war, war die Sicherheit des G8-Gipfels.

Durch den Einsatz des automatisierten Kfz-Kennzeichen-Lesesystems (AKLS) sollte verhindert werden, dass Gewalttäter und Störer anreisen und den Gipfel stören. Ob der Datenabgleich gerade mit den vorgenannten Dateien auch erforderlich war, ist nach der Gesetzesbegründung (Landtagsdrucksache 4/2116 vom 22. Februar 2006, S. 39) stets im Zusammenhang mit dem Errichtungszweck der Datei zu sehen. Es mag sein, dass die Dateien grundsätzlich im Zusammenhang mit dem zu schützenden Ereignis zum Datenabgleich geeignet waren. Das wäre dann der Fall, wenn bestimmte Kriterien einschlägig sind; jedenfalls müssten in den Dateien auch Halterdaten enthalten sein, sonst würde der Abgleich nicht funktionieren. Aus datenschutzrechtlicher Sicht kann ich das jedoch nicht (mehr) beurteilen, da mir die einzelnen Datenbestände nicht zur Verfügung gestellt wurden. Die Daten aus der Auskunftsdatei „Störer“ waren zum Zeitpunkt meines dritten Kontrollbesuches am 20. Juni 2007 bereits gelöscht. Die Datenbestände der Dateien PB 07 und Gewalttäter-links, mit denen abgeglichen worden sein soll, sind mir ebenfalls nicht bekannt. Mündlich wurde mir berichtet, dass die KfZ-Kennzeichen mit rund 1.000 gespeicherten Daten abgeglichen worden seien. Dabei habe es bei den vier Trefferfällen keinen aus der Datei PB 07 gegeben. Diese Fälle wurden jedoch nicht als so gravierend eingestuft, als dass sich weitere polizeiliche Maßnahmen hätten anschließen müssen.

Insgesamt stellt der Einsatz eines AKLS einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Sinne des Artikels 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dar. Eingriffe in dieses Grundrecht sind nur zulässig, wenn diese im überwiegenden Allgemeininteresse erfolgen und dem rechtsstaatlichen Gebot der Normen-klarheit und Normenbestimmtheit sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Insofern müsste der Einsatz bei der BAO KAVALA auch so dokumentiert sein, dass er sowohl aus polizeilicher Sicht als auch aus datenschutzrechtlicher Sicht gerade in Bezug auf seine Grundrechtsrelevanz überprüft werden kann. Dies war mir unter den gegebenen Voraussetzungen nicht möglich.

Bei dem AKLS handelt es sich um ein Datenverarbeitungsverfahren im Sinne des § 47 Abs. 2 SOG M-V in Verbindung mit § 18 Abs. 1 DSG M-V. Somit ist hierfür eine Verfahrens-beschreibung zu erstellen. Inwieweit dieses Verfahren dabei auf Dateien zurückgreift, in denen bereits personenbezogene Daten gespeichert sind, ist dabei unerheblich.
Nach § 18 Abs. 1 DSG M-V ist dabei jede datenverarbeitende Stelle zur Führung eines Verfahrensverzeichnisses, welches aus Beschreibungen für alle automatisierten und nicht-automatisierten Verfahren besteht, verpflichtet. Im § 18 Abs. 1 DSG M-V ist festgelegt, welche Angaben das Verfahrensverzeichnis enthalten muss.

Ebenso ist offen, ob dieses automatisierte Verfahren nach § 19 DSG M-V auch freigegeben worden ist. Nach § 19 Abs. 1 DSG M-V bedarf die Einrichtung oder wesentliche Änderung eines automatisierten Verfahrens zur Verarbeitung personenbezogener Daten der Freigabe durch den Leiter der datenverarbeitenden Stelle oder eines dafür beauftragten Vertreter. Unter Datenverarbeitung fallen dabei alle Formen der Verarbeitung von Daten einschließlich der Erhebung und Nutzung. Die Freigabe hat schriftlich zu erfolgen. Die Freigabe ist Voraus-setzung dafür, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten mit einem bestimmten Verfahren begonnen werden darf.

Am 25. Juli 2007 hat mir die BAO KAVALA das Verfahrensverzeichnis und die datenschutz-rechtliche Freigabeerklärung übersandt. Das Verfahrensverzeichnis datiert vom 18. Juli 2007, die Freigabeerklärung vom 23. Juli 2007. Mithin sind beide Dokumente erst mehr als einen Monat nach dem G8-Gipfel angefertigt worden und verfehlen somit den Zweck, zu dem die Dokumente nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften erstellt werden müssen. Dies ist eine eklatante Verletzung datenschutzrechtlicher Grundsätze. Da die Daten inzwischen gelöscht sind (die Löschung erfolgte offenbar schon vor dem Anlegen des Verfahrens-verzeichnisses), wird jede datenschutzrechtliche Prüfung obsolet.
Nur der Vollständigkeit halber möchte ich darauf hinweisen, dass ich den Vertretern der BAO KAVALA ausdrücklich anlässlich meines dritten Kontroll- und Informationsbesuches gesagt hatte, dass ich mir den Einsatz des AKLS gern in der Einsatzphase vor Ort an der Autobahn ansehen würde. Dies wurde mir allerdings mit der Begründung verweigert, dass das in der heißen Einsatzphase nicht möglich sei. Dies hatte ich hingenommen im Hinblick darauf, dass das System zu einem späteren Zeitpunkt einer datenschutzrechtlichen Prüfung unterzogen werden kann. Diese wurde jedoch durch die Löschung der Daten vereitelt.

4. Observationen

Die BAO KAVALA hat mir im Nachgang zu meinen Kontroll- und Informationsbesuchen mit Datum vom 25. Juni 2007 die Anordnungen zu elf durchgeführten Observationen übersandt.

Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 SOG M-V ist ein besonderes Mittel der Datenerhebung die planmäßig angelegte Beobachtung, die innerhalb einer Woche länger als 24 Stunden oder über den Zeitraum einer Woche hinaus vorgesehen ist oder tatsächlich durchgeführt wird (Observation). Gemäß Abs. 2 kann das Mittel der Observation nur angewandt werden, wenn Tatsachen die Annahme der Begehung von Straftaten von erheblicher Bedeutung recht-fertigen und die Aufklärung des Sachverhaltes zum Zwecke der Verhütung solcher Straftaten oder ihrer möglichen Verfolgung auf andere Weise nicht möglich ist.
In den vorliegenden Fällen wurde von der 2. Alternative in zeitlicher Hinsicht Gebrauch gemacht, das heißt, die Observation dauerte länger als eine Woche. Es war immerhin in den vorliegenden Fällen eine Observationsdauer von rund sechs bis sieben Wochen angeordnet worden. Wie intensiv die Personen tatsächlich observiert worden sind, lässt sich aus den Anordnungen nicht entnehmen und ist vom Gesetzestext her auch nicht genau definiert. Dies ist aus datenschutzrechtlicher Sicht ein großes Manko und sollte bei der nächsten Novellie-rung auf jeden Fall zeitlich konkretisiert werden. Es ist aus rechtsstaatlichen Gründen nicht vermittelbar, warum hier keine zeitliche Obergrenze festgelegt wird.

Gleichzeitig wurde hinsichtlich der observierten Personen gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V der verdeckte Einsatz technischer Mittel, insbesondere solcher zur Bild- und Tonüberwachung oder Bild- und Tonaufzeichnung angeordnet.

Materiell-rechtliche Voraussetzung einer heimlichen Observation sind Tatsachen, die die Annahme der Begehung von Straftaten von erheblicher Bedeutung rechtfertigen, und die Aufklärung des Sachverhaltes zum Zwecke der Verhütung solcher Straftaten oder ihrer möglichen Verfolgung darf auf andere Weise nicht möglich sein. Die Polizei darf jedoch nicht nur Daten über den vorgenannten Personenkreis erheben, sondern auch über solche, die „mit den vorgenannten Personen hierzu in Verbindung stehen“.
Bei den elf observierten Personen handelt es sich um solche, gegen die bereits vor dem G8-Gipfel Strafverfahren geführt worden waren; dies reicht von Verfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung bis hin zu Hausfriedensbruch, Nötigung und Diebstahl. Jedoch endeten nicht alle Strafverfahren mit einer Verurteilung. Einige Verfahren sind aktuell noch anhängig. Teilweise sind die Personen auch in einschlägigen Dateien wie „Straftäter linksmotiviert“ in INPOL erfasst.

Dann gibt es wiederum andere Personen, die zu den vorstehend genannten Personen in Verbindung stehen. Dies sind zum Beispiel Personen, die Attac-Mitglied sind und an verschiedenen Veranstaltungen wie Camp Inski, Bürgerveranstaltung Bad Doberan oder dem Treffen „Camp AG“ und Demonstrationen teilgenommen haben. Auch in einem solchen Fall lautet die in § 33 Abs. 1 Nr. 1 aufzustellende Prognoseentscheidung des Polizeiführers, dass die Annahme aufgestellt werden kann, dass sich eine Person X aufgrund der bisherigen Erkenntnisse und der Verbindung zu oben genannten Personen an Straftaten von erheblicher Bedeutung gemäß § 49 beteiligen wird.

Besonders bei den sogenannten „Verbindungspersonen“ steht die Prognoseentscheidung sehr häufig auf äußerst wackeligen Füßen. Diese Personen haben sich in der Vergangenheit nicht strafbar gemacht, aber aufgrund ihrer Verbindungen zu Personen, gegen die Strafverfahren laufen oder gelaufen sind oder die in einschlägigen Dateien gespeichert sind, ebenfalls eine „negative Prognose“ bekommen und wurden damit ebenfalls in den Kreis derjenigen Personen einbezogen, die einer Observation unterzogen wurden.
Der Einsatz von heimlichen Ermittlungsmaßnahmen gerade bei „Verbindungspersonen“ (die Bezeichnung bezieht sich auf eine Verbindung zum Verdächtigen), auch „Kontakt- und Begleitpersonen“ genannt, ist aus Sicht der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder besonders kritikwürdig, weil hier häufig jede Tatsachenbasis fehlt, die eine derart eingriffsintensive Maßnahme wie die Observation über mehrere Wochen und der gleich-zeitige verdeckte Einsatz technischer Mittel, insbesondere solcher zur Bild- und Tonaufzeich-nung, rechtfertigt.

Des Weiteren fehlt in den Anordnungen zur Observation eine Feststellung darüber, dass in den betreffenden Observationsfällen die Aufklärung des Sachverhaltes zum Zwecke der Verhütung solcher Straftaten oder ihrer möglichen Verfolgung auf andere Weise nicht möglich ist. Der Gesetzgeber sieht das Mittel der langfristigen Observation lediglich als „ultima ratio“ vor. Gerade angesichts polizeilicher Großereignisse mit einer langen „Vorlaufzeit“ wird man fordern müssen, dass die (schriftliche) Dokumentation die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen ausfüllt.

Schwerwiegende Bedenken bestehen insbesondere im Hinblick auf die fehlende rechtliche Nachprüfbarkeit dieser heimlichen Ermittlungsmaßnahmen – sowohl für den Datenschutz-beauftragten als auch für die Betroffenen selbst. Nach § 34 Abs. 6 SOG M-V ist die an sich rechtsstaatlich erforderliche Unterrichtung des Betroffenen (siehe Abs. 5 Satz 1) dann nicht geboten, wenn keine Aufzeichnungen mit personenbezogenen Daten erstellt oder sie unverzüglich nach Beendigung der Maßnahmen vernichtet worden sind. Die BAO KAVALA hatte mir anlässlich meiner Kontrolle am 20. Juni 2007 mitgeteilt, dass die Aufzeichnungen unverzüglich vernichtet worden seien, da sie für Strafverfolgungszwecke nicht mehr benötigt werden.

Den Personen, die im Vorfeld und während des Gipfels offenbar keine Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen haben (trotz gegenteiliger polizeilicher Prognose) – ansonsten hätten die Daten zu Zwecken der Strafverfolgung aufbewahrt werden müssen -, wird jede Möglichkeit nachträglichen gerichtlichen Rechtsschutzes genommen. Dies ist besonders gravierend, da sie für einen langen Zeitraum, rund sechs bis sieben Wochen observiert wurden und sich dies hinsichtlich der tatsächlich observierten Stundenzahl nicht verifizieren lässt. Im Grunde genommen ist somit dieser Personenkreis,Personenkreis, bei dem sich kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren nach § 33 Abs. 6 Satz 2 SOG M-V anschließt, schlechter gestellt als derjenige, der eine Straftat von erheblicher Bedeutung während des Gipfels begeht, gefasst wird und dann im Zuge des Strafverfahrens durch Einbringung der Beweismittel von seiner Observation erfährt. Ich habe erhebliche Zweifel daran, dass das hier praktizierte Verfahren angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verdeckt durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen gerade in Bezug auf die Benachrichtigung Betroffener noch verfassungskonform ist.

Die Möglichkeiten der datenschutzrechtlichen Überprüfung derartiger Observationen sind ebenfalls im Gesetz völlig unzureichend geregelt. Hätte ich bei meinen Kontrollbesuchen bei der BAO KAVALA nicht ausdrücklich nach Observationsanordnungen gefragt, hätte ich nie davon erfahren. Da die personenbezogenen Unterlagen sofort vernichtet worden sind, wäre auch die eigentlich vorgesehene Unterrichtung des Datenschutzbeauftragten nach fünf Jahren, für den Fall, dass die Unterrichtung des Betroffenen fünf Jahre lang – aus Gründen des Schutzes von nicht offen oder verdeckt ermittelnden Polizeibeamten – nicht geschieht, gemäß Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 5 nicht erfolgt.

Ich stelle daher fest, dass das in § 34 SOG M-V geregelte Verfahren beim Einsatz heimlicher Ermittlungsmethoden rechtsstaatlichen Anforderungen nicht genügt, und sehe daher dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf.